Der Korg Poly-61 ist der direkte Nachfolger des PolySix und auch wenn er nicht so aussieht, ist die Klangerzeugung doch noch analog! Er erschien zu einer Zeit, als die bedientechnischen „Errungenschaften“ der Achtziger, also Drucktaster, Folientastaturen und 7-Segment-LED-“Weckerdisplays“, gerade schwer angesagt waren. Außerdem stand der Yamaha DX7 in den Startlöchern und schickte sich an, den Synthesizermarkt zu revolutionieren. Also stattete Korg den (eigentlich analogen) Poly-61 mit einem „modernen“ digitalen User-Interface aus. Rückblickend ist das sicherlich der Hauptgrund, weshalb der Synthesizer nicht annähernd so attraktiv erscheint wie sein älterer Bruder. Doch in der Original-Bedienungsanleitung klingt das ganz anders:
„Mit dem Digital Access Control-System (Digitale Zugriffssteuerung) können Sie über numerische Drucktasten jeden Programmparameter steuern. […] Dabei wird das ‘Wirrwarr’ auf dem Bedienungsfeld auf ein Minimum reduziert.“
Und weiter: „Bei einem herkömmlichen Synthesizer müssen Knöpfe gedreht werden, um die Parameter einzustellen. Aus diesem Grunde ist es sehr schwierig zu sagen, welchen genauen Wert man eingestellt hat. […] Beim Poly-61 wird jeder Parameter und sein Wert durch eine Zweier-Zahlengruppe ausgedrückt. […] Jeder Parameter wird durch eine Parameternummer […] identifiziert. Die spezifische Einstellung eines Parameters wird durch eine zweite Zahl ausgedrückt, die ihr Wert (VALUE) genannt wird. […] Wenn Sie irgendeinen Teil eines vorprogrammierten Klangbilds ändern wollen, müssen Sie lediglich die verschiedenen Parameternummern auswählen und deren Werte einzeln einstellen.”
Sexy, oder? Für Live-Schrauber ist der Poly-61 jedenfalls nichts, das erkennt man schon auf den ersten Blick. Andererseits hat die eigentliche Klangerzeugung viele Gemeinsamkeiten mit dem Polysix, und wegen seiner offensichtlichen Bedienungs-Defizite ist der Poly-61 heute für einen Bruchteil des für seinen Vorgänger zu zahlenden Preises zu haben. Ein Billig-Polysix für Verwegene, die mit der – mit Verlaub – beknackten Programmierung leben können? Wir haben den Poly-61 neben seinen berühmten Bruder gestellt und ausprobiert, was man damit anstellen kann.
Konzept
Der Poly-61 ist wie der Polysix ein sechsstimmig polyphoner, analoger Synthesizer. Neben der geänderten Gehäusefarbe (grau statt schwarz mit Holzteilen) ist die fast vollständige Abwesenheit von Drehpotis äußerlich die auffälligste Veränderung gegenüber dem Vorgänger. Stattdessen besitzt der Poly-61 jede Menge Drucktaster und gleich drei je zweistellige 7-Segment-Anzeigen – mehr Achtziger geht kaum. Während die Tastatur wie beim Vorgänger 61 recht klapperige Tasten umfasst, wurden die Räder für Pitchbend und Modulation durch einen X-Y-Joystick ersetzt, der später zu einem Markenzeichen von Korg werden sollte. Die Klangerzeugung entspricht im Wesentlichen der des Polysix – mit ein paar nicht ganz unerheblichen Unterschieden. Auch wurde beim Poly-61 leider auf die internen Effekte verzichtet. Dafür wurde der Programmspeicher auf 64 Programme verdoppelt. Wie beim Polysix besteht die Möglichkeit, die internen Programme per Kassettenrecorder-Interface extern zu sichern und wiederherzustellen. In die heutige Zeit übertragen, kann man auf diese Weise per Audioaufnahme in der DAW Backups des internen Speichers machen – bei meinem Poly-61 funktioniert das auch ganz hervorragend und der Synth bestätigt die erfolgreiche Wiederherstellung jedes Mal mit einem treuherzigen „gOOd“.
1/5 Korg Poly-61: Keine Knöpfe, aber trotzdem analog!
2/5 Die Rückseite bietet wieder die schnieke Kabelrollmöglichkeit.
3/5 Auch bei den Anschlüssen bietet der Poly-61 mehr als sein Vorgänger.
4/5 Joystick statt Pitch- und Modulationsräder
5/5 Auch hier die Kabelrolle, aber seitlich statt in der Mitte wie beim PolySix
Anschlüsse
An der Rückseite gibt es ein paar Verbesserungen gegenüber dem Polysix. Natürlich besitzt auch der Poly-61 einen Line-Ausgang (nach wie vor mono) und einen Kopfhöreranschluss. Auch der Arpeggio-Triggereingang und das Tape-Interface (In/Out) für Backups des Programmspeichers wurden übernommen. Außerdem hat der Poly-61 einen Pedaleingang namens RELEASE, der eine proportionale Verlängerung der Release-Zeit bewirkt (also nicht ganz wie ein Sustainpedal, aber so ähnlich). Sehr nützlich für den Live-Einsatz – sofern man mutig genug ist, den Poly-61 auf die Bühne mitzunehmen – ist die Buchse PROG UP: Ein hier angeschlossener Fußtaster schaltet die Programme der Reihe nach weiter.
Auf die Pedalbuchsen zur Filtersteuerung und für die Chord Memory-Funktion wurde beim Poly-61 verzichtet. Bei frühen Modellen fehlt auch eine MIDI-Schnittstelle. Später erschien der Poly-61M mit eingebauten MIDI In/Out-Buchsen.
Oszillatoren
Anders als der Polysix ist der Poly-61 mit DCOs (Digitally Controlled Oscillators) ausgestattet. Hierbei handelt es sich um analoge Oszillatoren, die aus Gründen der Stimmstabilität digital „überwacht“ werden, wie zum Beispiel auch bei der Roland Juno-Serie. DCO1 entspricht in etwa dem VCO des Polysix: Er liefert wahlweise Sägezahn oder Puls, wobei die Pulsbreite manuell regelbar (wegen der Taster-Display-Bedienung leider nur in sieben recht groben Stufen) oder per LFO modulierbar ist. Leider gibt es beim Poly-61 aber keinen eigenen LFO für die Pulsbreitenmodulation mehr – hierfür muss nun der „normale“ LFO herhalten.
Anstelle des Suboszillators beim Polysix besitzt der Poly-61 einen zweiten DCO mit deutlich mehr Funktionen. Er erzeugt die Schwingungsformen Sägezahn oder Rechteck und lässt sich wie DCO1 in der Oktavlage einstellen (16′, 8′, 4′). Also kann er bei Bedarf auch höher als der erste Oszillator klingen. Zusätzlich kann er in Intervallen gestimmt werden (kleine/große Terz, Quarte, Quinte) und verfügt über einen DETUNE-Parameter, mit dem er in feinen Abstufungen gegenüber DCO1 verstimmt werden kann. Leider lässt sich die Lautstärke nicht regeln – DCO2 ist entweder aus oder an. Dennoch ist der Poly-61 in Sachen Oszillatoren damit zumindest auf dem Papier besser ausgestattet als der Polysix.
Audio
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OSC 1 SawOSC 1 SquareOSC 1 Pulse Width manuellOSC 1 PWM MGOSC 1 Saw – Osc 2 Square Oct. minus 1 und plus 1OSC 2 DetuneOSC 2 Intervalle
Wie beim Polysix gibt es die drei Betriebsmodi POLY, UNISON und CHORD MEMORY, allerdings fehlt der UNISON-Taster: Wird CHORD MEMORY gedrückt, ohne dass ein Akkord gespielt wird, befindet sich der Synth im Unison Mode. Nachdem man die CHORD MEMORY-Funktion aber einmal für einen Akkord benutzt hat, muss man den Synth ausschalten und 10 Sekunden warten oder den UNISON-Mode manuell über das Schichten von sechs Tönen im CHORD MEMORY-Modus unter Zuhilfenahme der HOLD-Funktion wieder programmieren. Nicht gerade intuitiv… Enttäuschend ist auch das klangliche Ergebnis des UNISON-Mode, das beim Poly-61 leider längst nicht so eindrucksvoll wie beim Polysix ist – die DCOs sind einfach viel zu stimmstabil. Wo beim Polysix charmante Schwebungen und fette Dopplungen auftreten, wird der Poly-61 im Unison Mode meist lediglich etwas lauter und ein bisschen quäkig. Der verstimmbare zweite Oszillator ist kein vollwertiger Ersatz. Und damit sind wir bei seinem zweiten großen Schwachpunkt neben der Programmierung angekommen.
Filter
Wie der Polysix hat der Poly-61 ein resonanzfähiges Tiefpassfilter. Der Cutoff ist in 64 Stufen einstellbar, die Resonanz lediglich in acht Abstufungen. Auch Keytracking ist vorhanden, aber anders als beim Polysix nicht stufenlos regelbar, sondern nur an- und abschaltbar. Auch die Möglichkeit, die Hüllkurve negativ einzusetzen, wurde beim Poly-61 gestrichen: Die EG Intensity ist nur positiv in acht Stufen wählbar. Einmal eingestellt, kann das Filter durchaus ansprechend klingen. Ohne Potis ist aber natürlich kein befriedigendes Filterschrauben möglich und der Synth wirkt gerade beim Filter ohne vernünftige Echtzeit-Steuerungsmöglichkeiten etwas verkrüppelt. Nachfolgend drei Filter-“Fahrten“, zuerst ohne, dann mit mittlerer und schließlich mit maximaler Resonanz. Vor allem beim letzten Beispiel hört man deutlich die Cutoff-Abstufungen, und schneller kann man beim Poly-61 ohne Einsatz der Hüllkurve bzw. des LFOs auch nicht am Filter „drehen“.
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Poly-61 – Filter
VCA
Wie beim Polysix kann man wählen, ob der VCA der Hüllkurve folgen soll oder nicht (Gate). Die Attenuator-Funktion zur Pegelangleichung verschiedener Programme gibt es beim Poly-61 nicht.
Hüllkurve und LFOs
Die ADSR-Hüllkurve (EG) des Poly-61 steuert das Filter und wahlweise den VCA. Alle vier Phasen lassen sich in 16 Stufen einstellen, wobei die Abstufungen etwas unglücklich gewählt sind. Bei Attack, Decay und Release bewirken die Stufen 0 – 7 kaum Veränderungen, darüber sind die Sprünge dafür umso größer. Ich musste schon häufig frustriert feststellen, dass die beste Attack-, Decay- oder Release-Zeit für einen Klang leider genau zwischen zwei möglichen Werten lag. Beispiel: Zwischen den beiden verschiedenen Decay-Zeiten im nächsten Beispiel gibt es keine Abstufung.
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Poly-61 ENV Times
Der LFO (MG) liefert wie beim Polysix eine Sinusschwingung und verfügt über einen Delay-Parameter, der in stolzen vier Stufen eingestellt werden kann. Seine Frequenz ist großzügig in 16 Stufen wählbar, erreicht aber nicht ganz die maximale Frequenz des Polysix-LFOs. Der LFO kann mit einstellbarer Intensität (acht Stufen) auf die DCO-Frequenz und – auf Wunsch auch gleichzeitig – auf die Filterfrequenz wirken und dient zugleich zur Pulsbreitenmodulation. Die Möglichkeit, den VCA per LFO zu steuern, wurde hingegen gestrichen.
Zusätzlich gibt es einen zweiten LFO, der mit dem Joystick gekoppelt ist und für Performance-Modulationen gedacht ist. Seine Einstellungen werden nicht mit Programmen gesichert. Die Frequenz ist über ein Poti (!) einstellbar und wird durch eine LED angezeigt. Dieser LFO wirkt entweder auf die DCO-Frequenz (Vibrato, Joystick hoch) oder das Filter (Joystick runter).
Effekte
Warum Korg beim Poly-61 die drei integrierten Effekte des Vorgängers eliminiert hat, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls hat der Synth in dieser Kategorie nichts mehr vorzuweisen.
Arpeggiator
Der Arpeggiator des Poly-61 entspricht exakt dem des Polysix: Er kennt die Modi UP, DOWN und UP&DOWN und bedient eine oder zwei Oktaven oder den gesamten Tastaturumfang. Das Tempo wird über ein Poti eingestellt und von einer LED angezeigt. Außerdem besteht wie beim Polysix die Möglichkeit, den Arpeggiator extern mit analogen Impulsen zu triggern. Ein solches Sync-Signal können viele analoge Drummachines liefern, zum Beispiel auch die vergleichsweise neuen Monotribe und volcas von Korg. Aber auch zu einem in der DAW erzeugten Audio-Klicksignal synchronisiert sich der Poly-61 zumeist ohne Probleme.
Bedienung
Ja, was soll man dazu noch sagen? Um beim Poly-61 einen Sound zu verändern, begibt man sich durch Druck auf den PARAMETER-Taster in den Edit-Mode. Nun wählt man den zu verändernden Parameter aus der auf dem Bedienfeld aufgedruckten Liste aus und tippt die zweistellige Parameternummer ein, z.B. 31 für den Filter-Cutoff. Anschließend kann man den Wert mit den UP/DOWN-Tastern einstellen. Um den nächsten Parameter zu ändern, muss man die nächste Parameternummer eintippen. Das artet schnell in eine langwierige und wenig inspirierende Fummelei aus, mal ganz abgesehen von den gravierenden Nachteilen, dass das gleichzeitige Verändern zweier Werte unmöglich ist und viele Parameter sich nur in recht groben Abstufungen einstellen lassen.
Praktisch ist hingegen die EDIT-LED, die anzeigt, wenn der Wert des gewählten Parameters gegenüber dem gespeicherten Sound verändert wurde. Das ist dann aber auch fast das einzig Positive, was man über die Bedienung des Poly-61 sagen kann. Ein solches Bedienkonzept beseitigt vielleicht die Total-Recall-Probleme der Drehpotis, aber man bezahlt dafür mit dem Verlust jeglicher Intuitivität und Spontaneität. Den Vorgänger Polysix kann man nach Gefühl und Gehör „aus dem Bauch heraus“ programmieren. Beim Poly-61 ist zuallererst der Kopf gefragt.
Sounds
Wer sich aber die Zeit nimmt, sich durch das Dickicht aus Parameternummern zu wühlen und die richtigen Knöpfe drückt, wird vom Poly-61 mit dem einen oder anderen wirklich schönen Sound belohnt. Hier noch ein paar Beispiele:
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Dark ChordsBright Sweep PadArp DownWeird IntervalThin Unison LeadBass of DoomSunshine PadUnison Arp Bass
Besonders gut kann der Poly-61 so etwas hier. Ich bin mir fast sicher, dass Prince seinerzeit auch einen hatte…
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Square Lead Chord Memory mit Joystick ModSaw Lead Chord Memory mit Joystick Mod
Fazit
Der Korg Poly-61 gehört sicherlich nicht zu den begehrenswertesten Vintage-Synthesizern. Abgesehen von der unpraktischen, unintuitiven und nicht live-tauglichen Programmierung liegt das auch an seinem etwas zu „cleanen“ Sound, der im Vergleich mit dem Unison-Monster Polysix doch etwas blass wirkt. ABER, und das muss man auch ganz deutlich sagen: Der Poly-61 ist weit davon entfernt, ein schlechter Synthesizer zu sein. Er hat einen schönen, charakteristischen Analogsound, der wegen der vergleichsweise sauberen DCOs aber eher in einer 80er-Klangästhetik zu Hause ist als in den wilden 70ern. Wer verwegen genug ist, es mit der unmöglichen Bedienung aufzunehmen, und nicht gerade live an Knöpfen drehen möchte, bekommt mit dem Poly-61 für vergleichsweise wenig Geld einen analogen Polysynth, dem man durchaus die eine oder andere schöne Fläche oder ein paar hypnotische 80er-Plastik-Arpeggios entlocken kann. Ein Schnäppchen für Mutige!
PRO
vollwertiger zweiter Oszillator
„80er-mäßiger“ Analogsound
extern synchronisierbarer Arpeggiator
Pedalanschlüsse für Release und Programmweiterschaltung
4-Wege-Joystick mit Performance-LFO für Filter und Pitch
CONTRA
umständliche Programmierung über Taster und Display
Dass man die Parameter beim Poly61 live nicht wirklich verändern kann, stimmt so nicht ganz. Der zuletzt bearbeitete Parameter wird auch im Preset-Modus angezeigt und man kann diesen mit den Up/Down Tasten bearbeiten, die Parameternummer wird beim Umschalten beibehalten. Drückt man Up/Down gleichzeitig, springt der Synth zum ursprünglich gespeicherten Wert zurück. Das ist nich viel, aber praktisch, wenn man z.B. mit Pads die Sonne aufgehen lassen möchte.
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p_greendale sagt:
#1 - 14.01.2016 um 13:10 Uhr
Dass man die Parameter beim Poly61 live nicht wirklich verändern kann, stimmt so nicht ganz. Der zuletzt bearbeitete Parameter wird auch im Preset-Modus angezeigt und man kann diesen mit den Up/Down Tasten bearbeiten, die Parameternummer wird beim Umschalten beibehalten. Drückt man Up/Down gleichzeitig, springt der Synth zum ursprünglich gespeicherten Wert zurück. Das ist nich viel, aber praktisch, wenn man z.B. mit Pads die Sonne aufgehen lassen möchte.