Details
DER ERSTE EINDRUCK
Das Viscount DB-3 Organ Drawbar Module kommt als Desktopgerät, was angesichts der Zugriegel auch Sinn macht. Das eher schlichte, in schwarz gehaltene Design bekommt durch die zwei Holzseitenteile etwas vom klassischen, edlen Hammond-Look. Einen stabilen Eindruck vermittelt das Metallgehäuse, das auch dafür verantwortlich ist, dass das DB-3 ein vertrauenserweckendes Gewicht auf die Waage bringt. Die vier Gummifüße sorgen für einen sicheren Stand, sodass das Teil auch bei heftigsten Zugriegelorgien kompromisslos seine Stellung hält.
ÜBERBLICK IM ALLGEMEINEN
Die Bedienelemente bestehen aus neun Zugriegeln, vier Potis, 31 mit LED versehenen Tastern und einer dreistelligen 7-Segment-Anzeige. Auf der Rückseite befindet sich zusätzlich eine Schraube zum Stimmen des Gerätes. Alles ist gut verarbeitet und macht bis auf die Taster, die mir persönlich zu klapprig sind, einen robusten Eindruck. Leider ist der Druckpunkt bei den Tastern nicht richtig fühlbar, weshalb man auf der Bühne wohl regelmäßig mit dem Auge kontrollieren muss, ob der eben gedrückte Button auch wirklich seine Funktion ausgeführt hat. Die satte Anzahl an Bedienelementen wirkt sich natürlich auf die Gehäuseabmessungen aus, und so ist das Viscount-Modul leider zu groß geworden, um es auf einem Synth oder Stage-Piano platzieren zu können. Da ist der Einfallsreichtum des kreativen Live-Keyboarders gefragt.
ANSCHLÜSSE
An Anschlüssen bietet das DB-3 nichts Extravagantes, sondern alles, was notwendig ist: Neben dem unsymmetrischen Stereo-Ausgang findet sich ein Kopfhörer-Anschluss. Zum Fernsteuern können an drei Klinkenbuchsen Pedale zum Regeln der Lautstärke, zur Steuerung des Rotary-Effektes und – da haben die Viscount-Ingenieure mitgedacht – zum Umschalten vom Memory-Register auf das Drawbar-Register angeschlossen werden. Neben dem obligatorischen MIDI-Trio gibt es die Buchse für das externe Netzteil.
STRUKTUR DES DB-3
Das Bedienfeld des DB-3 ist in verschiedene Bereiche strukturiert. Die Orgelsektion gliedert sich in die Zugriegel, die Taster für die Perkussion, das Upper Memory, die Manualzuordnung für den Vibrato- und Chorus-Effekt, die Bass- und Lower-Presets sowie die Steuerung des Rotary-Effektes.
Im Bereich „Volume & Controls“ siedeln sich die vier Potis für Mastervolume, Reverb, Overdrive und für die Vibrato- und Chorus-Varianten an. Mit den neun Tastern der Sektion „Settings“ können die einzelnen Edit-Menus des DB-3 direkt aufgerufen und bearbeitet werden, was einer schnellen und einfachen Bedienung zu Gute kommt.
MIDI
Begeben wir uns gleich mal ins MIDI-Menu. Hier zeigt sich das Viscount DB-3 sehr flexibel, indem es in drei verschiedenen MIDI-Modes arbeiten kann. Spielt man das Modul lediglich über eine Tastatur, wählt man Mode 1. Hier sind alle drei Spielebenen (Upper, Lower & Bass) auf nur einem MIDI-Kanal ansteuerbar. Die Splitpunkte können zwischen Upper/Lower und Bass/Lower frei gewählt werden. Im zweiten MIDI-Modus sendet und empfängt das Modul auf zwei Kanälen und kann so eine zweimanualige Combo-Orgel emulieren. Während für das Upper-Register ein Kanal reserviert ist, müssen sich Bass und Lower einen Kanal teilen. Auch hier ist der Splitpunkt frei wählbar. Letztendlich gibt es für echte Orgelspieler den dritten MIDI-Mode, wobei die Spielebenen Upper, Lower und Bass je über einen eigenen, frei bestimmbaren MIDI-Kanal angesprochen werden. Somit ist auch die Möglichkeit zum klassischen Orgelspiel mit Ober-/Untermanual und Pedal gegeben.
ORGELFUNKTIONEN
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DRAWBARS & UPPER MEMORY
Mittelpunkt des Bedienfeldes bilden die neun Zugriegel. Sie entsprechen hinsichtlich der Fußlagen und der Farbgebung denen ihrer elektromagnetischen Vorbilder. An die Zugriegel ist das Upper Memory gekoppelt. Hier gibt es sechs Speicherplätze für Zugriegelkombinationen und einen Taster, der das aktuelle Drawbar-Setting aktiviert. Diese Funktion kann auch ein angeschlossener Fußtaster übernehmen. Im Live-Einsatz ermöglicht dies ein blitzschnelles Umschalten zwischen zwei Registrationen, ohne die Hände von der Tastatur nehmen zu müssen. Bevor bei einem Preset eine Veränderung des Sounds hörbar wird, muss bei allen Zugriegeln erst der gespeicherte Wert abgerufen werden.
BASS & LOWER-PRESETS
Das DB-3 bietet dem User zwei Bass-Presets und fünf Einstellungen für den Lower-Bereich, die jeweils über einen eigenen Taster verfügen. Schön ist, dass in den MIDI-Modes 1 und 2 der Split auf Knopfdruck eines dieser Presets automatisch aktiviert wird.
Wie schon gesagt, handelt es sich hierbei um Presets. Diese können also nicht verändert werden, was die Verwendung des Instruments als „echte“ Orgel drastisch einschränkt – zumal nach meinem Geschmack die Lower-Presets allesamt zu fett und zu tief registriert sind. Die beiden Bass-Presets sind als String-Bass mit kurzer Release-Phase ausgelegt und klingen ziemlich synthetisch.
Für jede Sektion gibt es ein Menu, das man auf Druck des jeweiligen Knopfes aus der „Settings“-Abteilung erreicht. Für den Lower-Bereich können der Level und der Splitpunkt angepasst werden. Neben diesen beiden Parametern bietet die Bass-Sektion noch weitere Einstellmöglichkeiten. So kann man die Länge des Sustains festlegen und bestimmen, ob der Bass-Bereich im Layer- oder Split-Modus gespielt wird. Im Layer-Betrieb erklingt das gewählte Bass-Preset bis zum Splitpunkt zusammen mit dem Upper- bzw. Lower-Bereich. Im Split-Mode hingegen hört man bis zum Splitpunkt nur den Bass. Auch hier zeigt sich das DB-3 äußerst flexibel. Allerdings wird der musikalische Nutzen durch die nicht veränderbaren Lower-Presets stark eingeschränkt. Immerhin ist es möglich, auf diese Weise eine Registrierung für den Left-Hand-Bass zu kreieren.
PERKUSSION
Das Perkussionsregister der Viscount-Orgel wird über vier Taster bedient. Norm/Soft bestimmt den Level, Slow/Fast die Abklingphase – wie gewohnt. Im Gegensatz zu einer Hammond B3 gibt es keinen Percussion On/Off-Taster und keinen Wahlschalter für die Fußlagen, sondern jeweils einen Taster für 2nd und 3rd Percussion. Damit wird dann auch die Perkussion aktiviert. Für mich als Orgelspieler war diese unübliche Bedienung gewöhnungsbedürftig.
Ansonsten verhält sich die Perkussion beim Spielen wie das Vorbild. Der 1’-Zugriegel wird deaktiviert und die Perkussion verstummt beim Legatospiel.
Im Vergleich zu anderen Orgelimitaten findet man beim DB-3 kein Menu, um die Basis-Parameter der Perkussion dem eigenen Geschmack anzupassen. Mir persönlich ist der Grundlevel zu laut, wodurch ein unnatürliches Klangbild entsteht. Unverständlich, dass man gerade bei einer so wichtigen und typischen Orgelfunktion gespart hat.
KEY-CLICK
Der Key-Click – oder im Volksmund das „Schmatzen“ – ist ein weiteres wichtiges Merkmal für einen authentischen Hammond-Sound. Beim DB-3 Modul kann der Level in neun Stufen skaliert werden. Das Geräusch besteht aus einem Note On- und einem Note Off-Sample, wobei eine Filtermodulation dafür sorgt, dass der Click bei jedem Tastendruck geringfügig anders klingt. Sehr gut! Trotzdem klingt der Sound durch seine Höhenbetonung dünn, aufdringlich und künstlich und erinnert mich nicht unbedingt an ein fettes Schmatzen. Schade ist zudem auch, dass der Click nur an das Upper-Register gekoppelt ist. Bass und Lower müssen ohne auskommen.
NOISE & SCALING
Unter „Noise“ versteht man bei Viscount die Nebengeräusche, die durch das Leakage (das Übersprechen der Tonräder einer elektromagnetischen Orgel) und die Motoren des Rotorkabinetts entstehen. Je größer das Leakage bei alten Orgeln ist, desto mehr fremde Tonräder streuen bei gedrückter Taste in den Klang ein und verändern so den Charakter des Instruments. Bei der DB-3 hört es sich lediglich wie ein Sample an, das dem Grundsound beigemischt wird, aber den eigentlichen Klang nicht beeinflusst. Es addiert sich zwar, je mehr Zugriegel gezogen werden, ist aber nur in den Spielpausen (und zwar aller Musiker inkl. Publikum) hörbar.
Anscheinend hat man dies bei Viscount erkannt und versucht, mit dem „Scaling“-Parameter Abhilfe zu schaffen. Dieser soll laut Bedienungsanleitung vier verschiedene Instrumentencharaktere imitieren. Allerdings konnte mein Gehör – außer einer Anhebung der unteren Mitten bei Scaling 3 – keine Klangveränderung wahrnehmen.
Alles in allem verfolgen die Italiener mit den Noise- und Scaling-Parametern eine gute Idee, ihre DB-Serie authentisch klingen zu lassen. Jedoch erscheint mir die Umsetzung im Vergleich zur Konkurrenz noch nicht ausgereift zu sein.
EFFEKTE
VIBRATO & CHORUS
Dem analogen Scanner-Vibrato der Hammond-Orgeln nachempfunden ist das gerasterte Poti, mit dem die je drei Varianten für Vibrato und Chorus selektiert werden. Zwei Taster dienen zum Zuschalten des Effektes auf die Upper- bzw. Lower-Sektion. Bei einer Hammond-Orgel wird der Effekt über den Lower-Button auch auf das Pedal geschaltet. Dieses Feature ist beim italienischen Clone nicht vorhanden, was zwar nicht „original“, musikalisch gesehen aber durchaus sinnvoll ist. Denn wer spielt schon gerne mit einem (l)eiernden Bass-Sound?
ROTARY
Zur Steuerung der internen Simulation eines Rotorkabinetts stehen dem Benutzer zwei Taster zur Verfügung. Der Button „On“ aktiviert den Leslie-Effekt und dient somit auch der Simulation eines stillstehenden Leslies. Mit dem „Fast“-Taster schaltet man die Rotationsgeschwindigkeiten Slow und Fast um. Hierzu kann man auch einen Fußtaster anschließen. Leider ist es nicht möglich, den Rotary-Effekt per pedes auf Stopp zu schalten.
Im zugehörigen Settings-Menu können die Parameter für die Drehgeschwindigkeiten Slow und Fast sowie für die Anlauf- und Abbremszeiten jeweils im Wertebereich von 0 bis 9 den eigenen Soundvorstellungen adaptiert werden. Getrennte Einstellungen für Hochton- und Bassrotor lassen sich nicht vornehmen.
OVERDRIVE
Mittels eines Potis kann man regeln, wie viel vom Sound der Italo-Orgel durch einen Verzerrer gejagt werden soll. Zusätzlich beeinflussen die Zugriegeleinstellung, die Anzahl der gespielten Töne und die eingestellte Lautstärke den Verzerrungsgrad. Gut durchdacht finde ich, dass der Overdrive auch auf die Stellung eines angeschlossenen Volumenpedals reagiert.
REVERB
Der Halleffekt stellt vier verschiedene Raumsimulationen und einen Delay-Effekt zur Auswahl bereit. „Hall“ klingt sehr warm und dicht, „Room“ dringt direkter ans Ohr, „Church“ bietet einen höhenreichen, sehr dichten und diffusen Nachklang, und „Spring“ simuliert einen Federhall, der in den tiefen Frequenzen ausgedünnt ist. Der Effektanteil lässt sich über das zugehörige Poti bestimmen. Für meinen Geschmack haben alle Hallvarianten eine zu lange Nachhallzeit, wodurch das Gesamtklangbild „zugematscht“ wird. Ein kleines Extrabonbon bietet das DB-3 mit dem eingebauten Delay-Effekt, dessen Verzögerungszeit mit dem Poti gesteuert wird. Obwohl das Feedback auf nur eine Wiederholung festgelegt und auch die Intensität nicht veränderbar ist, ist er für psychedelische Soundkreationen und Effektspielereien sehr brauchbar.
EQUALIZER
Die italienischen Ingenieure haben dem DB-3 einen einfachen zweibandigen Equalizer spendiert, womit der Gesamtsound fein justiert werden kann. Die Höhen und Bässe lassen sich im EQ-Menu jeweils um neun Schritte anheben und absenken. Schade, dass es dafür keine Potis gibt, die auf der Bühne einen schnelleren und spontanen Zugriff erlaubt hätten.
GLOBAL MEMORY
Zum Festhalten der eigenen Registrierungen verfügt das Orgelmodul über sechs Hauptspeicherplätze, sog. „Global Memories“. Auf jedem dieser Speicherplätze lassen sich sechs Upper Memories sowie sämtliche Parametereinstellungen inkl. Master-Volume und Pitch abspeichern. Somit ergibt sich eine gesamte Speicherkapazität von 36 Upper Memories. Für mich ist das ausreichend, da man bei einer B3 auch nur 11 zur Verfügung hat. Allerdings wären ein paar Global Memories mehr im Zeitalter günstiger Speicherbausteine kein übertriebener Luxus gewesen. Werksseitig sind die Speicherplätze eins bis fünf nach Musikstilen (Jazz, Pop/Soul, Rock, Sakral und Theaterorgel) mit den dafür gängigsten Registrierungen geordnet. Vorteilhaft für das Umschalten der Speicherplätze im Live-Betrieb ist die Tatsache, dass ein Global Memory erst dann aufgerufen wird, wenn man die Auswahl durch Drücken auf den Global Memory Taster bestätigt.