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Vollröhrenkompressor Drawmer S2 Test

Praxis
Der Drawmer S2 belohnt die Betätigung des Power-Schalters mit einem wunderbaren Relaisklackern. Allein das klingt schon fast wie das satte Schmatzen beim Zudrücken einer Bentley-Tür. Die Ergonomie stellt den Nutzer vor Hürden, die bei vielen Geräten aus technischen Gründen ebenfalls zu finden sind: Zwar wirkt der Aufbau der Bedienelemente spiegelsymmetrisch, ist er aber nicht. Gain- und Dry-Regler sind zwar spiegelbildlich angeordnet, die “V”-Regler und die Hauptelemente des Kompressors verfügen aber offensichtlich über das gleiche Platinenlayout, so dass deren Anordnung wie bei einem EQ ist. Ich finde diese Uneinheitlichkeit sehr unpraktisch. Ein Gerät dieser Preisklasse sollte auch bezüglich dieses Punktes konsequent sein – viel Geld kostet es nicht, wenn man eine weitere Platine fertigen lässt. Ich bin mir aber sicher, dass sich viele Nutzer daran nicht stören.

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Das Fehlen von wirklich schnellem Eingangs- und Ausgangs-Metering und die nicht vorhandene Möglichkeit, die Gain-Reduction mit dem VU-Meter darzustellen, kratzt mich hingegen bei der Arbeit nicht besonders, ich höre aber schon einige Personen darüber schimpfen. Über die Verarbeitungsqualität wird sich aber niemand mokieren können: Ob der Drawmer S2 es sogar überlebt hätte, wenn ich beim Fotografieren den Gasherd angemacht hätte, ist natürlich Spekulation, aber die Qualität einiger Hochklasse-Produkte aus dem gleichen Land überbietet das Testgerät locker und mit einem müden Lächeln. Auch haptisch verkündet der Kompressor seinen edlen Anspruch. Alle Drehregler laufen schwer und gleichmäßig, so dass man das Gefühl hat, im Inneren schwere Präzisionszahnräder zu bewegen. “Unwichtige” Schalter gibt es nicht, selbst die VU-Umschalter arbeiten mit einem ausgewogenen Widerstand und kommentieren ihre Arbeit mit einem dicken “Klock”, das die Frontplatte offensichtlich zu verstärken weiß. Damit nähern wir uns dem für uns wichtigsten Sinn, dem auditiven: Wie vermag der S2 feine Wechselspannungen im Hörbereich zu verändern? Klingt er, wie er aussieht? Dick, fett und massiv?

Zum Test habe ich einen kleinen, lustigen Song zusammengesteckt, den ich zum einen komplett, zum anderen in Einzelteilen auf die Reise durch die Innereien des dunklen Gerätes geschickt habe.

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Die erwartete Urgewalt des Zupackens bleibt auch bei kräftigen Einstellungen zu meinem Erstaunen aus. Entgegen seinem Äußeren ist der S2 filigran unterwegs und weiß seine Kraft zu dosieren. Auch bei tiefem Ansatz des Thresholds arbeitet er erstaunlich filigran und transparent. Ihn dazu zu bewegen, das Material zu plätten und zu verschmieren, ist gar nicht so einfach. Dem Hören nach zu urteilen, vollzieht auch bei hohen Kompressionsverhältnissen die Kennlinie keinen harten Knick, sondern verfügt über ein deutliches “Soft Knee”. Dies tut den meisten Signalen sehr gut, jedoch ist die englische Zurückhaltung für manche harte Effektbearbeitung oder für besonders knallige Drums ein wenig zu brav. Schade, denn das Knee lässt sich bei vielen Geräten umschalten – hier nicht. Manchmal will man eben mit der Eisenfaust auf das Signal draufhauen, um es danach mit kräftigem Griff am Schlafittchen aus der Versenkung zu holen. “Pumpen” ist eben nicht nur eine negative Nebenwirkung, sondern kann ab und an genau das Richtige sein. Allerdings ist der S2 dafür nach meiner Ansicht weniger gut geeignet als die preiswerteren 1HE-Kompressoren des gleichen Herstellers. Auch ein etwas tiefer ansetzender Threshold wäre sicher keine Fehlentscheidung von Ivor Drawmer gewesen.

Für Summen- oder Gruppen-Bearbeitung ist die Transparenz und Schnelligkeit hervorragend, auch das Zurückregeln erfolgt bei allen Zeiteinstellungen vorbildlich. Der Blick auf das PPM zeigt, dass die technische Verdichtung höher ist, als ich erwartet hatte. Auch das ist der Präzision zuzuordnen, mit der der Dramwer S2 seine Eingangssignale behandelt. Wenn der Kompressor doch nur Rasterpotis hätte, er würde einen grandiosen Mastering-Kompressor abgeben! Diesen Anspruch unterstreichen auch die “V-Air”- und “V-Big”-Abteilungen. Um einen Sidechain-EQ mit analogen Geräten auf die Beine zu stellen, ist meist einiges an Verkabelung notwendig. Die Hauptaufgabe dieser Schaltung ist in Mixdowns das Absenken der tiefen Frequenzen, um den Vormachtsanspruch der Bassdrum bei der Frage, ob man sich nun über oder unter dem Threshold befindet, ein wenig einzugrenzen. Sinnvoll ist, dass es hier in beide Richtungen geht, weniger sinnvoll, dass man nur drei Frequenzen wählen kann. Ein echter EQ ist deutlich flexibler. Das wäre zwar nicht sonderlich schlimm, aber ein zusätzlicher Sidechain-Input wäre keine falsche Entscheidung gewesen. Durch die frei wählbare Eckfrequenz ist V-Air weitaus flexibler, was der Arbeit mit dieser Einheit zugute kommt. Die oft mit der Kompression einhergehende Veränderung im Höhenbereich kann mit dem Enhancer wunderbar ausgeglichen werden. Insgesamt sind beide “V”s sinnvolle Helferlein, die es ermöglichen, dass man ab und an sogar darauf verzichten kann, den EQ zur Korrektur einzuschalten. Bei der Kompression von Schlagzeug(-gruppen) ist es erstaunlich, “V“ „Big” man die Signale damit machen kann (na, Wortspiel verstanden?). Wenn man ordentlich Gas gibt, schafft man es auch, das Drumkit pumpen zu lassen. 

Die klangliche Erhabenheit lässt mir meine Witzeleien über die Herkunft des Gerätes (Yorkshire, quasi das englische Ostfriesland) im Halse stecken.
Es mag für den ein- oder anderen unter euch enttäuschend klingen, aber der S2 kippt seine Röhrenfarbe nicht mit dem großen Eimer über die Signale. Aber genau das ist es, was ihn so interessant macht. Wärme fügt er wohldosiert hinzu, die Signale werden insgesamt größer, auch ohne “V-Big” ein wenig bauchiger, generell tiefer, edler, glitzernder und irgendwie “wichtiger”. Das Abgrasen des aktiven Wortschatzes nach geeigneten Adjektiven zur Beschreibung des Klangs führt irgendwann nicht mehr zu geeigneten Ergebnissen, aber ich denke, dass die bisherigen sich dennoch gut mit dem decken, was das Audio-Material transportiert. Anders als bei einigen beliebten Röhrenkompressoren wie dem LA-2A oder dem Fairchild 670 hat man nicht so schnell den Eindruck, zuviel zu tun, andersherum ist der S2 auch bei Weitem nicht so “leblos” wie etwa der Pendulum OCL-2 (ein grandioser, aber äußerst zurückhaltender Röhrenkompressor). Kurzum: Der Drawmer wärmt zwar, aber er “erhitzt” nicht!

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