Jede Produzentin und jeder Produzent hat ihn, den Ordner auf der Festplatte mit „Beat2“, „Latenightbeat“, „Banger4real“ und „Projekt17“. All die Ideen, die nie fertig geworden sind. Dass nicht jeder Beat, der vier Takte lang ist, gleich zum epischen 5-Minuten-Track ausproduziert wird, ist klar. Zu viele unfertige Ideen können aber die eigene Kreativität blockieren.
In manchen Punkten sind wir Menschen immer noch erstaunlich einfach gestrickt. Gibt es eine To-Do-Liste, MUSS sie abgearbeitet sein, damit uns unsere Gedanken in Ruhe lassen. Sonst kommt oft noch Wochen später der Gedanke „Da fehlt doch noch“…. Ein Ordner voller Beatideen ist das Gegenteil davon. Warum wir diese vielen Ideen nicht ausproduzieren? Meistens, weil wir feststecken, weil wir den Flow der ersten Stunden verloren haben und es anstrengend wird. Wo bleibt denn da der Spaß?
- #1 – Copy&Paste-Songwriting
- #2 – Workflow, Workflow, Workflow
- #3 – Das Ziel ist das Ziel, nicht der Weg!
- #4 – Sich Grenzen setzen
- #5 – Arrangements der Vorbilder für sich nutzen
- #6 – Sei dein eigener Auftraggeber!
- #7 – No influence – sich abschotten und nur mit Fokus arbeiten
- #8 – Have break, have a chit-chat – Pausen machen
Bevor wir uns die Lösung eurer schlaflosen Nächte näher anschauen, vielleicht noch etwas mehr zur Ursache. Warum klappt das nicht? Warum bleibt ihr im Loop überhaupt hängen? Ursache Nummer eins: Der eigene Anspruch. Jeder Beat MUSS perfekt sein. Muss so klingen, wie Vorbild XY (Deadmau5, J Dilla, The Cratez etc..). Der große Unterschied ist der riesige Erfahrungsschatz, den besagte Producer bereits haben. Wer zehn- oder zwanzigtausend Stunden ins Produzieren gesteckt hat, der schafft es eben viel schneller, die gewünschten Sounds und das richtige Arrangement zu produzieren.
Schön, dass ihr euch an den Großen messt. Wenn aber alles, was nicht vom ersten Ton an schon professionell klingt, eh schon für die Tonne ist, alles, was ihr an Ideen entwerft, sowieso nicht eurem Anspruch gerecht wird, kann das nicht gut gehen. Und eins ist sicher: Auch die Großen haben Festplatten voller unfertiger Ideen. Hierzu nun unsere 8 Tipps um schneller endlich fertig zu werden!
#1 – Copy&Paste-Songwriting
Die verfluchten vier Takte, in denen man seit 54 Stunden hängt, die man in Dauerschleife hört, aus denen man nicht rauskommt. Die flowen, die haben Groove, da ist alles perfekt abgestimmt. Kick, Snare, Bass, Perkussion und ein Sample – alles da. Wie dieses perfekte Gebilde jetzt zu einem Drei-Minuten-Dreißig-Song aufblasen?
Ganz stumpf: Copy&Paste. Kopiert alle Elemente so oft, dass sie die gewünschte Länge ergeben. Und jetzt kommt das, was man am ehesten „subtraktives Songwriting“ nennen könnte: Dort, wo alle Spuren laufen, was euer Einstiegsloop war, wird der Refrain oder das Finale sein. An allen anderen Stellen im Arrangement löscht ihr einzelne Blöcke raus und reduziert. Schon ist ein erster Aufbau gemacht.
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#2 – Workflow, Workflow, Workflow
Diesen Tipp habe ich vor vielen Jahren aus einem grandiosen Tutorial des Produzenten ill.Gates. Wie oft bleiben wir im Loop stecken, weil wir nur mal eben schnell noch eine zweite Kickdrum suchen wollten? Ordner mit 345 Kick-Samples aufgemacht, vier Stunden gegengehört, am Ende Beats gelöscht? Wenn wir produzieren, ist der Flow, der Zustand, in dem wir quasi in Gedankengeschwindigkeit produzieren, der Idealzustand. Den kann man nur möglichst lange aufrechterhalten, wenn man sich im Arbeitsalltag auch auf all die anderen Arbeitsschritte des Produzierens konzentriert. Um beim eigentlichen Produzieren eben nicht in die Falle zu laufen, viele Stunden lang nach dem perfekten Sample oder Preset zu suchen, nehmt euch dafür extra Zeit.
Es wird genug Zeiten geben, wo ihr uninspiriert am Rechner sitzt und keine neue Musik aus euch kommt. Nutzt diese Zeit zur Vorauswahl oder zum Sounddesign. Legt Ordner an mit verschiedenen Soundkategorien, nutzt die Bewertungs- und Favoritensysteme, die es in den meisten Presetbrowsern von Softwareinstrumenten gibt. Ihr werdet es euch beim eigentlichen Produzieren danken.
#3 – Das Ziel ist das Ziel, nicht der Weg!
Für viele Producer ist das stundenlange Automatisieren, Editieren und Ausprobieren, also der gesamte Prozess, das größte Vergnügen am Produzieren. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht. Was wäre das für ein Musikmachen, wenn die letzten 38 Stunden, die ihr in den Beat gesteckt habt, eine pure Qual gewesen wären? Es kann allerdings passieren, dass man vor lauter Produzieren das Beenden aus dem Blick verliert.
Klar, Kunst ist NIE fertig. Geht man aber mit der Haltung an ein Stück Musik heran, dieses fertig produzieren zu wollen und lässt sich von nichts abbringen, kann das einen großen Schritt bedeuten. Was wie der x-te Lifehack klingt, ist schlicht ein stärker ausgeprägtes Bewusstsein dafür, warum man überhaupt Musik produziert. Liebt man es stundenlang, tagelang, wochenlang an Hihats zu feilen, gibt es keinen Grund frustriert zu sein, wenn die Beats nicht fertig werden.
#4 – Sich Grenzen setzen
Das Tolle an DAWs ist, dass man alle Möglichkeiten hat, die es zum Musikproduzieren braucht. Das Schlimme an DAWs ist, dass man alle Möglichkeiten hat, die es zum Musikproduzieren braucht. Wir sind leider nicht so gut dafür gemacht, zu viele Entscheidungen gleichzeitig treffen zu müssen. „Die Snare?“ … „Oder die?“ … „Die Hallfahne klang doch mit der Impulsantwort noch schöner, oder?
uktion betrifft. Manchmal braucht es aber noch mehr. Vier Takte Musik fertig? Noch keine Kickdrum drin? Wie wäre es, statt ewig das perfekte Sample zu suchen, den Track einfach ohne eine Kickdrum zu produzieren? Oder sich vorher ein Tempo oder eine Tonart aufzuerlegen? Wem hier die Inspiration fehlt, dem seien die „Oblique Strategie“ von Bowie-Produzent Brian Eno ans Herz gelegt.
#5 – Arrangements der Vorbilder für sich nutzen
Wo es bei Samples, Melodien und Texten urheberrechtlich schnell problematisch wird, ist es (bis jetzt!) vollkommen unproblematisch, bei Songstrukturen und Arrangements seiner Vorbilder schamlos abzugucken. So viel Variation gibt es da auch nicht. In der Popmusik dreht sich viel um das „Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain“-Korsett. Im EDM oder anderen elektronischen Genres sind die Strukturen zwar oft etwas anders – hier geht es ja meist um den „Drop“ – aber grundsätzlich hat da jedes Genre sein Grundgerüst.
Habt ihr euren Loop zusammen und schon eine Idee, ob dieser eher Strophe oder Refrain (oder eben der „Drop“) sein wird, aber euch fehlt die Idee, wie sich das Ganze als Song oder Songpart entwickelt, klaut doch einfach bei euren Vorbildern. Welche Elemente kommen wann dazu und wann pausieren sie, wie wird ein neuer Part eingeleitet? Eine Pause, ein Drumfill, eine zweite Snare oder ein neuer Synth? Und da ihr ja trotzdem eure Sounds und Melodien nutzt, wird ein nachgeahmtes Arrangement niemandem auffallen und auch keine Anwälte auf den Plan rufen.
#6 – Sei dein eigener Auftraggeber!
Das Grundproblem bei einigen Producern ist die Motivation. Nicht die, die es braucht, um den Rechner anzumachen, sondern die, um die Tracks auch fertig zu produzieren. Gibt es allerdings einen Auftraggeber, produziert ihr Beats für jemand anderen oder seid mit einem Remix beauftragt worden, fällt das Produzieren auf einmal viel leichter. Aber das kann es doch nicht sein!
Wenn Beatsbauen und Tracks produzieren doch genau DAS ist, was ihr schon immer machen wolltet, seitdem ihr das erste Mal eine MPC gespielt habt, warum hakt es dann? Warum nicht sich selbst austricksen? Eine gespaltene Persönlichkeit kreieren? Bestellt Songs bei euch selbst. Stellt euch vor, ihr würdet auf Beatport oder Beatstars ein gut laufendes Profil oder Label betreiben und bei einem Produzenten oder einer Produzentin, die bei euch unter Vertrag sind (Trick: Das seid ihr selbst!), zu einem Stichtag neue Musik in Auftrag geben.
#7 – No influence – sich abschotten und nur mit Fokus arbeiten
Für die einen braucht es Räucherstäbchen, für die anderen ein den Twitterfeed am Rechner, manche drehen einen Zigarette nach der anderen, wieder andere machen zu jedem Snare-Schlag eine Insta-Story. Alles schön und gut, wenn es der Kreativität dient. Wir wollen nicht im Geringsten den Moralapostel spielen. Aber viele Einflüsse von außen können beim Musikmachen Ursachen für Ablenkung sein. Und Ablenkung wiederum ist DIE Ursache für Beats-nicht-fertig-machen. Wenn’s also alles mal nicht will, warum nicht WLAN aus, Handy in den Flugmodus, einmal kurz durchlüften und dann das Studio oder der Rechner erst verlassen, wenn der Song fertig ist?
#8 – Have break, have a chit-chat – Pausen machen
Wenn alles nichts hilft, jede kreative Technik, jede Einschränkung und alle Ideen nicht zünden wollen, ist es Zeit eine Pause zu machen. Entweder vom Beat, der euch den Schlaf raubt oder ganz vom Musikmachen. Manchmal reicht ein Tag, manchmal muss man ein Stück Musik aber auch richtig lange liegen lassen, bis die Ohren frisch genug sind. Und dann kann man sich mit neuen Sounds, wachem Kopf, dem festen Ziel, den Beat fertig zu machen, einem Notizblock zum Mitschreiben beim Durchhören und jeder Menge neuer Motivation an den Loop setzen. Meistens wird ein Song draus.