Im Begriff Polyphonie steckt der Wortbestandteil –phonie, der als nachgestelltes Wortbildungselement die Bedeutung Stimme, Ton, Klang inne trägt. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem altgriechischen Substantiv ‘Phon’ [φωvή (phōne)] und kommt als gebundenes Lexem in vielen Wörtern vor. Beispielsweise in Symphonie, Telephonie, Radiophonie, etc. Aber auch in den Begriffen Polyphonie, Monophonie, Paraphonie und Duophonie, die man allesamt mit besonderen Eigenschaften von Synthesizern in Verbindung bringt.
Was haben die Begriffe Polyphonie, Monophonie, Paraphonie und Duophonie nun eigentlich miteinander gemeinsam? Zunächst erscheinen sie wie ein wildes Gemisch aus Latein, Griechisch und Italienisch. Obendrein kommen sie auch aus ganz verschiedenen Arbeitsfeldern: der Musiktheorie, der Instrumentenkunde, Werbung für Synthesizer und der Wiedergabetechnik. Und in diesen Arbeitsfeldern haben sie auch noch unterschiedliche Bedeutungen. Da ist es doch Zeit ein bisschen Ordnung zu schaffen und damit geht es los in die wunderbare Welt der -phone.
Was bedeuten Polyphonie, Monophonie, Paraphonie und Duophonie beim Synthesizer?
Polyphonie
Ein polyphoner Synthesizer verfügt über mehrere komplette Stimmen, wobei alle Stimmen gleich klingen. Wenn ein Synthesizer polyphon ist, kann man mit ihm Akkorde spielen. Jede einzelne Stimme verfügt über Oszillatoren, Filtern, Verstärkern und Hüllkurven.
Monophonie
Ein monophoner Synthesizer verfügt lediglich über eine komplette Stimme, deshalb kann man mit ihm nur einstimmig spielen, also keine polyphonen Akkorde. Eine komplette Stimme besteht dabei aus Oszillatoren, Filtern, Verstärkern und Hüllkurven.
Paraphonie
Ist ein Synthesizer paraphon, ist er eigentlich ein monophoner Synthesizer, bei dem man die einzelnen Oszillatoren separat ansprechen kann. Er verfügt jedoch nicht – so wie der polyphone Synthesizer – über mehrere komplette Stimmen.
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Duophonie
Duophonie bei Synthesizern beschreibt die Fähigkeit, bis zu zwei Stimmen gleichzeitig polyphon spielen zu können. Die meisten duophonen Synthesizer sind zudem paraphon aufgebaut.
Polyphonie
Was versteht man unter polyphon?
Zäumen wir das Pferd von hinten auf und beginnen mit polyphon aufgebauten Instrumenten. Bei Klavier oder Orgel erklingen immer so viele Töne, wie angeschlagen werden. Synthesizer dagegen können meist nicht so viele Töne (Stimmen) gleichzeitig spielen. Deshalb wird immer angegeben, wie viele es denn sind. Der Sequential Circuits Prophet-6 kann sechs Töne gleichzeitig spielen, der Prophet ´08 acht, der Prophet- 12 zwölf, der Yamaha DX7 16, der Waldorf Kyra 128. Und Digitalpianos gehen auch schon mal hoch bis zu einer 256-stimmigen Polyphonie und mehr.
Um uns klarzumachen, wie Polyphonie bei einem Synthesizer funktioniert, schauen wir uns einmal einen Sequential Circuits Prophet Rev. 2 an. Den gibt es nämlich wahlweise mit acht oder sechzehn Stimmen. Wer die achtstimmige Version hat und auf sechzehn Stimmen erweitern will, kann dafür ein Expander-Kit kaufen. Auf dem Foto kann man dabei sehr schön die acht Stimmen erkennen, die sehen nämlich alle genau gleich aus.
Polyphonie: Jede Stimme ist ein kompletter Synthesizer
Kaum in den Synthesizer eingesteckt, ist aus der achtstimmigen Version eine mit 16 Stimmen geworden. Das ist aber nicht ganz billig, denn jede Stimme für sich ist ja bereits ein kompletter monophoner Synthesizer. Wie bitte? Genau! Jede dieser Stimmen ist im Prinzip ein kompletter monophoner Synthesizer, mit Oszillatoren, Filtern, Hüllkurven, Verstärkern. Also ungefähr das, was man auf der Oberfläche des Synthesizers sieht. Denn ein polyphon aufgebauter Synthesizer sieht ja gar nicht so viel anders aus als ein monophoner Synth, denn er vervielfacht einfach nur die Stimmen. Wenn man also an einem achtstimmigen Synthesizer am Regler für die Tonhöhe des Oszillators dreht, ändert man nicht die Tonhöhe „des Oszillators“, sondern die Tonhöhe von acht Oszillatoren gleichzeitig. Das ist übrigens vollkommen unabhängig davon, wie viele Oszillatoren jede einzelne Stimme hat. Der Minimoog hat zwar drei Oszillatoren, ist aber deswegen noch lange kein polyphoner Synthesizer. Er bleibt ein monophoner Synthesizer mit drei Oszillatoren.
Polyphonie macht das Leben leichter
Der philosophisch geneigte Lesende mag sich jetzt fragen, ob ein Synthesizer, bei dem man gar keinen Zugriff auf die einzelnen Stimmen hat, im wahrsten Sinne des Wortes polyphon ist. Hier die kurze Antwort: Ja, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen wird man in den allermeisten Fällen einfach nur den gleichen Sound gleichzeitig mit mehreren Tasten spielen wollen. So wie bei einem Klavier oder einer Orgel. Zum anderen ist ein Synthesizer, bei dem man jede einzelne Stimme separat einstellen muss, ungeheuer unpraktisch. Denn dazu benötigt man für jede Stimme eine eigene Oberfläche, die man dann auch alle separat programmieren muss. Das ist die große Crux bei Zusammenschlüssen von beispielsweise vier Behringer Model D’s zu einem vierstimmigen Synthesizer: Man muss jeden einzelnen Minimoog Model D separat einstellen. Bei einem echten polyphonen Synthesizer ist das viel einfacher, denn dort stellt man einfach eine Stimme ein und alle anderen klingen dann identisch.
Monophonie
Was versteht man unter Monophonie?
Nachdem wir jetzt wissen, wie Polyphonie funktioniert, wissen wir eigentlich auch schon über Monophonie bei Synthesizern Bescheid. Ein monophoner Synthesizer bietet nur eine einzelne komplette Stimme, die aus Oszillatoren, Filter und Hüllkurven besteht. Und weil es davon dann nur eine einzige gibt, finden sich im beispielsweise im Inneren des Moog Minimoog oder des Arp Odyssey einfach ein oder zwei große Platinen und gut ist. Somit ist auch das Einsatzgebiet des monophonen Synthesizers gleich auf seine besondere Ausstattung hin abgegrenzt. Wenn man schon keinen Akkord greifen kann, eignen sie sich doch hervorragend für einstimmig gespielte Klänge wie Bass-Sounds, melodieführende Leadsounds und selbst für Effekte. Monophonie bei Synthesizern, reduziert den Einsatz auf das notwendigste – eine Stimme.
Paraphonie
Was versteht man unter Paraphonie?
Paraphonie ist jetzt nicht mehr so schwer zu verstehen – dazu ein Beispiel. Stellen wir uns im Gegensatz zu einem polyphonen jetzt einmal einen monophonen Synthesizer mit zwei Oszillatoren vor. Hier springen bei jedem Tastendruck beide Oszillatoren zu dieser Taste. Drückt man eine weitere Taste, passiert entweder gar nichts oder beide Oszillatoren springen zu dieser neuen Taste. Dieses Verhalten ist von Modell zu Modell unterschiedlich und kann auch oft eingestellt werden. Schauen wir uns jetzt das Gleiche bei einem paraphonen Synthesizer an. Auch bei einem paraphonen Synthesizer mit zwei Oszillatoren springen bei einem einzelnen Tastendruck beide Oszillatoren auf diese Taste. Wenn man aber noch eine zweite Taste dazu drückt, dann bleibt der erste Oszillator auf der schon gedrückten Taste liegen und der zweite Oszillator springt auf die neue Taste. Lässt man jetzt eine der beiden Tasten los, vereinen sich beide Oszillatoren wieder auf der jetzt noch gehaltenen Taste.
Paraphonie im Unterschied zu Polyphonie und Monophonie
Im Unterschied zu einem polyphonen oder monophonen Synthesizer liegt der entscheidende Aspekt bei einem paraphonen Synthesizer darin, dass die einzelnen Oszillatoren einer Stimme separat angesprochen werden können. Genauso entscheidend ist zudem, dass sich der Signalweg danach auch wieder vereint. Demzufolge verwenden wieder alle Oszillatoren den gleichen Filter und die gleichen Hüllkurven. Es sind also nicht mehrere komplette Stimmen vorhanden, sondern nur eine einzige Stimme mit mehreren Oszillatoren, die einzeln angesprochen werden können. Ein paraphoner Synthesizer ist somit eine Mischform aus einem polyphonen und einem monophonen Synthesizer, denn er kann mehrere Töne gleichzeitig spielen, verfügt aber nicht für jeden Ton eine über eine eigene komplette Stimme.
Beispiele für paraphone Synthesizer
Viele paraphone Synthesizer bieten zwei Oszillatoren, beispielsweise der Arp Odyssey der das alles gestartet hat, aber auch der Formanta Polivoks oder der Moog Sub37. Und hier ist wie auf der Richter-Skala alles nach oben offen: Der Arturia Matrixbrute hat drei Oszillatoren, der Behringer Poly D sogar vier. Dennoch gibt es viele Unterschiede zwischen den einzelnen Geräten: Der Arp Odyssey ist immer paraphon, die anderen werden in den paraphonen Modus umgeschaltet. Und beim Arturia Matrixbrute werden sogar die beiden Filter und die beiden ADSR Envelopes aufgeteilt, infolge ist der Signalweg der Stimmen also noch ein bisschen weiter getrennt als normal. Denkt man das Prinzip der Paraphonie weiter, dann funktionieren auch viele andere Synthesizer nach dem gleichen Prinzip: beispielsweise der 8-stimmig polyphone Korg Poly 800 sowie die meisten String Ensembles. Diese werden jedoch üblicherweise als polyphon bezeichnet.
Duophonie
Was versteht man unter Duophonie?
Wir wissen jetzt, dass ein polyphoner Synthesizer mehrstimmig ist und ein monophoner Synthesizer einstimmig. Folglich kommt man zum nächsten logischen Schluss: Ein duophoner Synthesizer ist zweistimmig spielbar, richtig? Denkt man an Duophonie, kommen einem auch sofort einige der bereits erwähnten monophonen Synthesizer in den Sinn. Der Arp Odyssey, der Formanta Polivoks, der Moog Sub-37 und nicht zu vergessen der Oberheim 2-Voice. Bei monophonen Synthesizern bedeutet Duophonie, dass der Synthesizer zwei Stimmen gleichzeitig spielen kann. Dabei übernimmt jeder Oszillator einen Ton. Bei der ersten Taste erklingt Oszillator 1, kommt eine zweite Taste dazu, wird sie von Oszillator 2 bedient.
Zwei Oszillatoren – eine Hüllkurve
Ein weiterer Aspekt der Duophonie ist, dass im duophonen Modus die Hüllkurve nicht neu getriggert wird, wenn eine zweite Note gespielt wird. Wenn also eine zweite Note gespielt wird, bevor die Hüllkurve der ersten Note beendet ist, läuft die Hüllkurve der ersten Note weiter und beeinflusst den Klang der zweiten Note. Das ist der entscheidende Unterschied zu polyphonen Synthesizern, die für jede Stimme eine eigene Hüllkurve verwenden.
Duophonie: Ein alter Begriff der Synthesizergeschichte
Duophonie bedeutet also nur, dass es sich um einen Synthesizer handelt, der maximal zwei Töne spielen kann. Der Begriff war also nur zu einer Zeit sinnvoll, als es eigentlich nur monophone Synthesizer gab. Und es war eine Sensation, wenn ein Synthesizer zwei Töne spielen konnte. Der Trick mit dem Verteilen der Töne wird inzwischen aber auch bei weiteren Synthesizern angewandt. Der Arturia Matrixbrute kann seine drei Oszillatoren auf drei Tasten aufteilen, der Behringer Poly D schafft sogar Vierklänge.
Audiobeispiele und Erklärungen zu Polyphonie, Monophonie und Paraphonie
Paraphoner Synthesizer: Formanta Polivoks
Zunächst einzelne Töne: beide Oszillatoren reagieren gleichzeitig. Der untere Ton bleibt liegen, beide Oszillatoren spielen diesen Ton. Wird eine weitere Taste gedrückt, springt der zweite Oszillator auf diesen Ton, während der erste Oszillator den ersten Ton hält. Wenn man auf den unteren Ton achtet, hört man, wie er sich im Klang ändert.
Um die Paraphonie noch besser hörbar zu machen, sind die Oszillatoren im folgenden Audiobeispiel im Quintabstand gestimmt.
Ein paraphoner Synthesizer nutzt nur eine Hüllkurve. Hier erst verschiedene kurze Töne, bei denen die Hüllkurve jedes Mal neu getriggert wird. Danach kommt ein liegender tiefer Ton dazu und die gleichen Töne werden noch einmal gespielt. Diesmal triggert die Hüllkurve nicht. Nicht im Audiobeispiel zu hören ist allerdings auch das Gegenteil, wie es beispielsweise beim Korg Mono/Poly vorkommt. Hier werden alle Hüllkurven bei jedem Anschlag neu getriggert, auch diejenigen der gehaltenen Noten.
Polyphonie: Triggern von Hüllkurven mit Einzeltönen
Hören wir uns das mit den Hüllkurven und dem Triggern noch einmal an. Im folgenden Beispiel werden jedes Mal die gleichen Töne gespielt und gehalten.
- Monophoner Synth: Jede Note triggert die Hüllkurve des Filters neu.
- 4-stimmig polyphoner Synth: Jede Note triggert die Hüllkurve neu
- Monophoner Synth: Die Hüllkurve wird nur bei der ersten Note getriggert und dann gehalten.
- 4-stimmig polyphoner Synth: Die Hüllkurve wird nur bei der ersten Note getriggert und dann gehalten.
Hier kann man ganz klar hören, wieso zu einer kompletten Stimme auch zwingend ein eigener Filter und eigene Hüllkurven gehören. Bei den Beispielen, in denen die Hüllkurve nicht neu getriggert wird, klingt es so, als würden zu einer Note weitere dazu kommen. In den Beispielen, in denen die Hüllkurve neu getriggert wird, hört man tatsächlich vier Stimmen, die sich zu einem Akkord stapeln.
Triggern von Hüllkurven mit Akkorden
Hier noch einmal ein Beispiel für das Triggern der Hüllkurve. Zu hören ist zweimal der gleiche Akkord: Beim ersten Mal hat jeder Ton seine eigene Filterhüllkurve. Beim zweiten Mal gibt es nur eine einzige Filterhüllkurve. Die wird mit dem ersten Ton ausgelöst und wirkt dann auf alle weiteren Töne ein.
Polyphonie und Stimmverteilungsalgorithmus
Zum Schluss ein Experiment zu der Bemerkung, dass ein polyphoner Synthesizer, bei dem man gar nicht separat auf jede Stimme zugreifen kann, gar keine echte Polyphonie bietet. Wir verwenden dazu einen 4-stimmigen Synthesizer, dessen Oszillatoren unterschiedliche Wellenformen bieten. Bei wiederholtem Anschlag entscheidet der Stimmverteilungsalgorithmus dann, welcher Oszillator erklingt. Beim Korg Mono/Poly würde immer der erste Oszillator erklingen. Bei u-he Diva und dem Sequential OB-6 würden sie immer der Reihe nach angesprochen. Bei anderen Synthesizern gerne auch mal nach undurchsichtigen Regeln. Hier ein Nord G2, der so reagiert wie ein OB-6. Bei akkordischem Spiel entscheidet die Reihenfolge des Anschlags darüber, welcher Oszillator von welcher Taste angesprochen wird. Das lässt sich allerdings nicht wirklich kontrollieren und schon deshalb werden solche Synthesizer seit dem Oberheim 4-Voice nicht mehr produziert.