Im November 1973 ist etwas passiert, an das Scott Halpin wohl an jedem Tag seines restlichen Lebens gedacht hat. Der damals 19-jährige ist spontan für den zusammengebrochenen Keith Moon eingesprungen und lieferte eine starke Show ab.
An so eine Geschichte hat jeder Fan schon einmal gedacht: Bei einem Konzert der Lieblingsband wird man plötzlich von dem Leadsänger angesprochen und auf die Bühne geholt. Die Fans jubeln einem zu und plötzlich wacht man auf. Für die einem mag das ein Traum, für die anderen ein Alptraum sein. Für Scott Halpin war es aber die Realität.
Halpin und sein Freund Mike Danese waren am 20. November 1973 nach San Francisco gereist, um bei der Show von The Who dabei zu sein. Das ausverkaufte Konzert war der US-Tourneeauftakt und entsprechend groß war die Anspannung bei Band und Fans. Keith Moon ging an diesem Abend mit einem jungen weiblichen Fan auf dem Arm zum Veranstaltungsort. Um seine Nervosität zu senken, wurde ihm vor dem Auftritt ein Beruhigungsmittel gereicht.
Es gibt nach wie vor Spekulationen darüber, was genau Moon konsumiert hat und auf welche Weise es in seinen Körper gelangt ist. Einige behaupten, es sei unbeabsichtigt geschehen und dass er und sein Freund ihre Getränke möglicherweise mit einem Schuss versehen hätten. Die am weitesten verbreitete Erzählung besagt jedoch, dass Moon eine Handvoll “Elefantenberuhigungsmittel” geschluckt und mit einem Glas Brandy hinuntergespült hat. Ein Freund von ihm nahm ebenfalls die selbe Substanz zu sich und musste nur kurze Zeit später mit den Konsequenzen leben.
Keith Moon bricht zusammen
Während Keith Moon auf der Bühne stand und mit sich kämpfte, ging es seinem Freund bereits deutlich schlechter. Dieser bekam einen Anfall und wurde medizinisch versorgt. Rund zwanzig Minuten später merkte man Moon bereits an, dass der Drummer Probleme bekam. Kurz nach dem Song ‘Won’t Get Fooled Again’ (Song 14 von 18 laut Setliste) gingen bei Moon die Lichter aus.
Für dich ausgesucht
- Black Sabbath, Van Halen und Co.: 10 Bands die gezwungen wurden, ihren Namen zu ändern
- “The Who ist eine Marke und eine Freundschaft, aber es ist keine Band”: Pete Townshend ist unsicher über die Zukunft von The Who
- Fan fliegt um die halbe Welt zu Pearl Jam-Konzert, steht plötzlich auf der Bühne und spielt Gitarre zu ‘Yellow Ledbetter’ (Video)
- Taylor Hawkins Tribute-Konzert: Sohn Shane Hawkins spielt zusammen mit Foo Fighters ‘My Hero’
- Jane’s Addiction Drama: Prügelei und abgesagte Tournee
“Und dann fiel er rückwärts und musste von der Bühne geschleppt werden”, schrieb Augenzeuge und Journalist Joel Selvin später in einem Bericht. Bandkollege Pete Townshend richtete an die Fans etwas humoristisch aus: “Wir werden unseren Schlagzeuger wiederbeleben, indem wir ihm einen Schlag in den Magen versetzen. Er ist bewusstlos. Ich glaube, er hat etwas gegessen, was er nicht hätte essen sollen. Es ist dein ausländisches Essen…”
Nachdem er hinter der Bühne behandelt wurde und zu sich kam, wollte er wieder auf die Bühne gehen. Er versuchte es noch einmal während des Songs ‘Magic Bus’, ehe er erneut ohnmächtig und von der Bühne getragen wurde. Für Moon war der Abend also gelaufen – das Konzert sollte aber noch nicht zu Ende sein.
The show must go on!
Es musste also Ersatz her. Der Schlagzeuger von der Vorband ‘Lynyrd Skynyrd’ wurde gebeten einzuspringen, lehnte aber ab, da er die Songs nicht kannte. Also gab es eine letzte Möglichkeit den Abend gebührend zu Ende zu bringen – mit Hilfe des Publikums. Pete Townshend fragte scherzhaft, ob “jemand gutes” (Anm.: ein Schlagzeuger) anwesend sei. Das war die die große Chance Jungspund Halpin.
“Mein Freund drängte mich nach vorne und sagte: ‘Komm schon, Mann, du kannst da raufgehen und spielen, du kannst spielen'”, so Halpin. “Er war derjenige, der mich dazu gebracht hat.” Später erzählte Halpin in einem Interview, dass er sich daran erinnerte, einen Schluck Brandy getrunken zu haben und von Roger Daltrey dem Publikum vorgestellt worden sei. Dazu war das Set-Up von Moon anders als gewohnt. “Es war lächerlich. Die Tomtoms waren so groß wie meine Basstrommel.”
Die 30 Minuten seines Lebens
Daltrey legte direkt mit dem Riff von ‘Smokestack Lightning’ los. Das war ein sehr lockerer Blues-Jam, zu dem Halpins Schlagzeugarbeit gut passte und der kurz darauf zu ‘Spoonful’ wurde. Mit dem letzten Song ‘Naked Eye’ hatte Halpin allerdings zu kämpfen. Er hatte Mühe, die unterschiedlichen Tempi zu spielen, obwohl Townshend versuchte, ihm Anweisungen zu geben. Halpin wirkte jedoch keineswegs nervös und sorgte durchgehend für einen gleichmäßigen Beat.
“Ich habe nur drei Nummern gespielt, und ich war tot”, sagte er zu einem späteren Zeitpunkt in einem Interview mit Rolling Stone. Belohnt wurde er für seinen Auftritt nicht nur mit einer Einladung in den Backstage-Bereich, sondern auch mit viel Anerkennung. Roger Daltrey lobte Halpins Fähigkeiten und sagte, dass die “Zeitungen es übersehen haben. Er hat einen guten Job gemacht”.
Wie es für Halpin weiterging
Scott Halpin blieb der Musik treu und leitete später einen Rockclub in Kalifornien. Dort spielte er in mehreren Gruppen meistens an der Gitarre. Er starb 2008 im frühen Alter von nur 54 Jahren an einem Gehirntumor. Seine Frau Robyn kontaktierte das Büro von Pete Townshend, um ihm mitzuteilen, dass ihr Mann verstorben sei. Die Antwort von Townshend wurde dann aber der Beerdigung vorgelesen.
“Scott ist mir oft in Erinnerung und immer mit größter Dankbarkeit und Zuneigung verbunden”, schrieb Townshend. “Er zeigte so viel jugendlichen Mut und Humor, als er an diesem schicksalhaften Tag für Keith Moon einsprang. Scott spielte auch so gut. Er spielte brillant Schlagzeug, lächelte und ging nach Hause.” Ich messe mein Leben an den großen und guten Menschen, die ich gelegentlich getroffen habe”, sagte er schließlich. “Scott ist einer der großartigen und guten Menschen. Das habe ich in 30 Minuten herausgefunden. Das muss doch etwas über den Mann aussagen.”
Am 27. Januar 2009 veröffentlichten The Who eine Würdigung zu Halpins Gedenken. Im September 2017 fand in Bloomington eine Veranstaltung zu Halpins Leben und Werk statt.
Elmar sagt:
#1 - 14.12.2023 um 20:36 Uhr
Man(n) findet immer noch nach 50 Jahren schöne und interessante Geschichten aus der Rock Szene.
Reiner... sagt:
#1.1 - 09.04.2024 um 19:20 Uhr
mega klasse Aussage von Pete!!!
Antwort auf #1 von Elmar
Melden Empfehlen Empfehlung entfernen