Der Vox AC30 ist eine der Ikonen der Gitarrenverstärker-Geschichte. Kaum ein Gitarrist der Rock-History der letzten fünfzig Jahren kam ohne diesen Röhren-Amp aus, von den Beatles über Brian May bis hin zu U2s The Edge. Sein Vorgänger war der AC15, der in den Fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine neue Ära einläutete und zusammen mit dem AC30 die letzten fast 60 Jahre mit jeder Menge unverwechselbarer und charismatischer Gitarrensounds bereicherte.
Zum heutigen Test haben sich mit den AC30CH und AC15CH Topteilen und der passenden V212C 2×12″ Box gleich drei Familienmitglieder der neuen Custom-Serie eingefunden. Wo die Neuerungen stecken und wo die traditionellen Gene der Linie zu finden sind, soll dieser Test ans Tageslicht bringen.
Details
Optik/Verarbeitung
Vox-Amps gelten zu Recht als Klassiker und werden in einem Atemzug mit Traditionsmarken wie Marshall oder Fender genannt. Das technische Konzept des Ur-Vox stammt von Dick Denney, der Ende der Fünfziger Jahre als junger Verstärker-Konstrukteur mit dem Prototyp eines Gitarrenverstärkers in die Firma von Tom Jennings eintrat und mit dem AC15 eine offensichtlich endlose Amp-Karriere begründete. Da viele Gitarristen auch damals schon nach größerer Lautstärke strebten, verhalf bald die doppelte Anzahl an Endstufenröhren dem neuen AC30 auch zur doppelten Leistung. Grundsätzlich hat sich daran nichts geändert und wir sind gespannt, was man den aktuellen Sprösslingen der Marke im Vergleich zu ihren Vorgängern an Neuerungen mit auf den Weg gegeben hat.
Fangen wir also mit dem Offensichtlichen an. Bei unseren Kandidaten handelt es sich um Topteile, eine passende 2×12″ Box wurde für den Test gleich mitgeliefert, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde. Die Gehäuse beider Amps sind mit schwarzem Tolex bespannt, wobei die klassische Vox-Stoffbespannung an der Vorderseite natürlich nicht fehlen darf. Das AC15 Topteil ist mit 610 x 266 x 284 mm und 15,3 kg kleiner und leichter als der AC30 mit 705 x 266 x 284 mm und 18,8 kg.
Die Bedienfläche des AC15 ist mit den beiden Eingängen Normal und Top Boost versehen. Der Normal-Channel wird mit einem Volume-Poti in der Lautstärke geregelt, in der mit Top Boost beschrifteten Sektion finden sich ein Volume-, ein Treble- und Bass-Regler. Da der AC15 einen Federhall beherbergt, lässt sich dieser entsprechend mit dem “Reverb”-Poti regulieren. Ein Tremolo ist ebenfalls integriert, dieser Effekt ist mit Depth und Speed einstellbar, und schließlich bietet die Master-Sektion zwei Regler für Volume und Tone Cut. Bei Letzterem handelt es sich um eine Höhenblende, die sich in der Endstufe befindet. Sie beschneidet die Höhen mit zunehmendem Aufdrehen immer mehr, benimmt sich also umgekehrt wie ein übliches Höhen-Poti. Im Gegensatz dazu stehen die beiden Klangregler Treble und Bass, die ihre Arbeit in der Vorstufe verrichten. Und diese Klangregler arbeiten, wie sollte es anders sein, Vox-typisch und beeinflussen sich gegenseitig: Wird Treble angehoben, sinkt der Basspegel. Sämtliche Potis sind standesgemäß mit Chickenhead-Knöpfen versehen, die genau so zum Charisma gehören wie die unverwechselbare Frontbespannung. Und natürlich dürfen auch Standby- und On/Off-Schalter nicht fehlen.
Beim AC30 sind – ganz typisch für diesen Amp – der Normal- und der Top Boost-Kanal mit jeweils zwei Eingängen ausgestattet, jeweils einem Low- und einem High-Eingang. Der Low-Eingang ist für ein niedrigpegeliges, der High Eingang entsprechend für ein hochpegeliges Signal vorgesehen. Auch hier besitzt der Normal Channel wie auch beim AC15 einen eigenen Lautstärkeregler und der Top Boost Kanal lässt sich mit Volume-, Bass- und Treble-Regler feinjustieren – in dieser Hinsicht sind beide Topteile identisch aufgebaut.
Ein offensichtlicher Unterschied zeigt sich beim Vergleich der Reverb-Sektion. Während beim kleineren Bruder der Federhall lediglich per Level-Regler einstellbar ist, kommt beim AC30 ein Tone-Poti hinzu. Wird dieses nach rechts gedreht, werden die Höhenanteile des Halls erhöht, nach links werden diese logischerweise abgesenkt. Traditionsgerecht ist auch ein Tremolo an Bord, das wie beim AC15 mit Speed und Depth eingestellt wird. Der Rest ist ebenfalls identisch zum AC15, die Mastereinheit besteht aus Tone Cut und Volume, und Standby und On/Off-Schalter sind ebenfalls Pflicht. Der Blick auf die Rückseiten zeigt, dass der AC15 im Vergleich zum AC30 Topteil über keinen Effekteinschleifweg verfügt. Beim AC30 ist dieser mit einem Bypass-Schalter versehen, der ihn aus dem Signalweg schaltet, wenn gewünscht.
Beide Topteile sind mit einer Reactive Attenuator Leistungsreduzierung ausgestattet. Mit ihrer Hilfe soll das typische Verhalten eines voll aufgedrehten Amps schon bei geringer Lautstärke zum Tragen kommen. Schaltbar sind die diversen Leistungsstufen per Knebelschalter an der Rückseite, beim AC15 sind es 15 Watt (Off), 1,5 Watt und 1/6 Watt, beim AC 30 sind es entsprechend 30 Watt (Off), 3 Watt und ⅓ Watt. Beide Topteile bieten jeweils zwei Buchsen zum Anschluss von Lautsprecherboxen, umschaltbar von 16 auf 8 Ohm. Hall und Tremolo sind per Fußschalter fernsteuerbar, der allerdings nicht zum Lieferumfang gehört. Für mich leider ein Minuspunkt, denn gerade diese beiden Effekte sind eigentlich nur mit Fußschalter sinnvoll einsetzbar, der deshalb auch dazugehören sollte. Schließlich noch ein Wort zur Leistung: Der AC15 wird von drei 12AX7 Vorstufen und zwei EL84 Endstufenröhren angetrieben, beim AC30 kommen für die doppelte Leistung zwei weitere EL84 hinzu.
Bevor wir uns in die Welt der Töne stürzen, noch ein Wort zur Lautsprecherbox. Das V212C Cabinet kommt im Design der Topteile samt traditioneller Frontbespannung und in ihrem Inneren verrichten zwei Celestion G12M Greenback Speaker mit jeweils 8 Ohm ihr Werk. Die Box bringt bei Maßen von 705 x 268 x 571 mm 22,5 kg auf die Waage, zum Transport stehen zwei Kunststoff-Tragegriffe an der Oberseite bereit.