PRAXIS
Nachdem Verarbeitung, Optik und auch die Roadtauglichkeit für sehr gut befunden wurden, kommen wir jetzt zum wichtigsten und spannendsten Punkt, dem Sound und der Lautstärke. Wir beginnen wie immer mit den Cleansounds, drehen dann den Amp immer weiter auf und lassen uns überraschen, was unser Kandidat so auf dem Rautenblechkasten hat. Ausgangsposition ist eine Einstellung mit der Klangregelung in mittlerer Position – alles auf 12 Uhr, Gain auf neun und der Volume-Regler voll aufgedreht. Mit dem Bright-Mode bekommen wir mit der Strat einen sehr klaren Ton mit perligen Höhen und einer spürbaren Endstufenkompression.
Jetzt wird einfach nur der Schalter auf Thick gedreht und der Kleine fängt an zu zerren, aber ganz gemach und schön dynamisch, genau wie der Gitarrist das möchte. Ihr hört zuerst die Linie mit leichtem Anschlag, dann wird die Anschlagsintensität stärker. Der Amp folgt auf Schritt und Tritt.
Ich bin wirklich erstaunt. Dass der Amp so am Spieler klebt und alles originalgetreu wiedergibt, hat nur einen Nachteil: Fehler werden nicht vertuscht.
Was die Lautstärke und Durchsetzungsfähigkeit im Clean-Bereich betrifft, kann man sich zurücklehnen und muss sich keine Sorgen machen, denn der Nighttrain ist im 15-Watt-Betrieb wirklich laut, absolut bühnentauglich mit einem sehr schmatzigen Sound. Lautstärkeprobleme zeigen sich normalerweise im Cleansound, denn verzerrt machen die meisten Amps Druck und sind im Bandkontext zu hören. Bei unserem Nighttrain kann man mit ruhigem Gewissen sagen, dass sich dieser Cleansound bei einer Einstellung von Volume voll und Gain auf zehn Uhr auch in einer Funk & Soul Band gegen Bass, Drums und Bläser durchsetzt. Der Amp hat einen eher höhenbetonten Charakter im Bright-Modus, was dieser Durchsetzungskraft selbstverständlich entgegenkommt. Schade nur, dass man von Bright auf Thick nicht per Fußschalter wechseln kann, das würde den Bühneneinsatz noch perfektionieren.
Dreht man den Gainregler weiter auf, beginnt der Verstärker mit einer brillant klingenden Verzerrung in Richtung Twin oder Bassman. Mit einer angeschlossenen Tele, Gain auf 12 und Treble etwas zurückgenommen, bekommt man im Bright-Mode den typischen Stones-Crunch. Eine crispe Zerrung in den oberen Mitten, die aber nicht so bissig klingt, dass es in den Ohren wehtut. Leider fällt hier das hohe Grundrauschen auf. Gerade bei einer angeschlossenen Gitarre mit Single Coils ist das im Vergleich zu anderen Amps doch relativ laut.
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Als Nächstes wird eine Humbucker-Gitarre bei gleicher Einstellung wie vorher angeschlossen, genauer gesagt eine Gibson SG.
Die Erwartungen werden selbstverständlich erfüllt, die Vorstufe wird schon mehr beansprucht und der Amp gibt eine gute Packung mehr Overdrive von sich, aber immer noch sehr differenziert und dynamisch. Jetzt wird der Schalter umgelegt und wir hören das Ganze im Thick-Modus und dieser wird seinem Namen gerecht. Die britischen Mitten rücken an.
Widmen wir uns nun der Klangregelung. Die funktioniert ausgesprochen gut, besonders hörbar im Bright-Modus. Middle und Bass stehen auf 12 Uhr, der Treble Regler wird zuerst ganz zurück und dann voll aufgedreht. Hier ist das Ergebnis – der Bereich von 2 – 4 kHz wird breitbandig angehoben.
Beachtliche Leistung! Zurückgenommen ein warmer Sound, voll aufgedreht sehr grell und bissig. Je nach Gitarre kann das zwar ganz schön scharf werden, aber ich sehe das eher als positiv an, denn eine muffige Gitarre kann auch mit diesem Amp sehr brillant klingen. Jetzt ist der Mittenregler an der Reihe. Die Centerfrequenz liegt bei etwa 800 Hz, aber auch die Höhen werden noch mit beeinflusst; ein sehr breites Frequenzspektrum. Auch hier hört ihr zuerst den komplett abgedrehten Mittenregler und danach voll aufgedreht, während Bässe und Höhen auf 12 Uhr stehen.
Der Bassregler hat keinen so starken Wirkungsbereich wie beispielsweise die Höhen, aber das ist bei einem Gitarrensound auch nicht sonderlich notwendig.
Wir kommen jetzt zu den höheren Gain-Einstellungen und wollen erforschen, wie viel Zerrung der Nighttrain liefern kann. Dazu wird die Les Paul angeschlossen und der Gainregler auf 13 Uhr im Thick-Mode eingestellt. Damit mir hier nicht die Ohren abfallen, habe ich den Volume-Regler auf 14 Uhr zurückgedreht. Eine Beschallung selbst von größeren Bühnen ist damit kein Problem. Besonders über eine 4 x 12 Box macht das Ganze richtig Laune, es sieht vor allem auch sehr gut aus – der Kleine auf der großen Box …
Zu hören bekommen wir in dieser Konstellation einen runden Sound mit einer warmen Verzerrung und sehr knackigen Bässen.
Neben der Steuerung der Verzerrung über die Anschlagsdynamik funktioniert auch die Regelmöglichkeit des Verzerrungsgrades über den Volume-Regler an der Gitarre ausgezeichnet. Der Gainregler steht mittlerweile auf 14 Uhr (Thick Mode und Les Paul). Ihr hört zuerst den Halspickup mit dem Volume-Regler an der Gitarre auf 2, dann den Steg Pickup voll aufgedreht.
Als Nächstes hören wir uns die maximale Verzerrung mit einer Les Paul an. Alle Regler bis auf das Master-Volume sind voll aufgedreht. Ergebnis ist eine volle Breitseite! Die Zerrung reicht absolut für alle Classic-Rock-Facetten und bietet einen singenden und sustainreichen Ton, der bei entsprechender Lautstärke angenehm in die Obertöne umkippt.
Wenn man noch mehr Verzerrung benötigt, sollte man ein zusätzliches Overdrive- oder Distortionpedal anschließen, denn auch damit hat der Verstärker keine Probleme. Der Sound bleibt stabil.
Der Nighttrain ist natürlich auch perfekt als Recording-Amp geeignet. Im Trioden-Modus bei einer Leistung von 7,5 Watt kann man ihn schon bei Zimmerlautstärke zu einem guten Zerrsound bringen, der sich bei Aufnahmen auch optimal durchsetzt und keine große EQ-Bearbeitung benötigt. Ihr hört den Amp in Verbindung mit drei Gitarren: Eine Tele links im Panorama, eine 12-saitige Danelectro rechts, und der Leadpart wird von einer Gretsch Electromatic in der Mitte übernommen. Diese Gitarre mit Singlecoils hat eigentlich einen dünnen Ton, klingt aber im Thick-Modus richtig fett und warm.
Peter Olsson sagt:
#1 - 21.10.2011 um 16:46 Uhr
Die Aufnahmen klingen wirklich Klasse. Aber ich würde gern wissen mit welchen Setup sie gemacht wurden. Box/Speaker? Mikrofon? evtl. Effekte?
Uwe Partsch sagt:
#2 - 28.11.2011 um 02:09 Uhr
Ein erstaulicher "kleiner Kerl" steht da auf einer 2x12" Box. Ich bin sehr gespannt und bitte meinen Freund und Händler um eine freundliche Leihgabe des Nighttrain, denn heute ist Probe. Meinen AC 30 und den Hughes & Kettner Tube 50 lasse ich zu Hause. Beim auspacken im Proberaum kommen genau die Sprüche wie erwartet:"was ist denn das für ein Toaster?" Also auspacken und fragend zum zweiten Gittaristen:"erst Mal auf Triode?" "wenn Du meinst, probier doch mal"! Ich habe den ganzen Abend mit 7,5 W gespielt und mich problemlos gegen Gesang und Drums aus der Mische durchgesetzt! Der Sound ist kurz gesagt ehrlich, klar und druckvoll. Ich spiele über eine 2x12" Box von Harley Benton oder H&K als 4x12", bzw. eine Sound City 4x12". Seit geraumer Zeit weigere ich mich "Computeramps" zu bedienen oder komplizierte Effekte zu programmieren. Ich bin Gittarist, kein Programmierer! Aus diesem Grund befinden sich in meinem Rockcase analoge Treter vor einem AC 30, bzw. dem Tube 50 von H&K, beides Vollröhren. Der Nightrain ist ein perfekter Purist für Puristen. Die Regler arbeiten ordentlich, schnell ist mein Sound eibgestellt. Von nun an steht Genuss im Vordergrund. Lediglich der kleine Umschalter von clean zu verzerrt wird an diesem Abend noch bemüht, mehr ist nicht nötig. Unser Repertoire ist einfach: Rock&Blues. Der Sound ist über den Gain Regler gut einzustellen. Als Background,clear und glockig, bis zu rockigen "all right now" druckvoll aber niemals breiig. Ich bin ausnahmslos begeistert. Mein Freun und Händler bekommt den Nightrain nicht wieder!
Uli sagt:
#3 - 31.10.2013 um 18:38 Uhr
Nachdem ich die Minivariante Lil' Nighttrain fürs Wohnzimmer besitze, habe ich mir diesen Test angesehen.
Anscheinend ist der größere Bruder etwas ausgewogener im Sound; denn an meinem Amp gefällt mir gar nicht, welche unangenehme Härte der Sound in den Höhen z.T. an den Tag legt. Wenn das der berühmte Vox Chime ist verzichte ich lieber, ich würde das eher als "Fauchen" beschreiben, das bei höherer Lautstärke in den Ohren schmerzt (Gitarre LP mit Low Output PAFs). Das hohe Rauschen haben beide gemeinsam. Werde also wohl doch eher auf einen Blackface oder 5E3 Clone wechseln ...