Praxis
Als erstes wollen wir die VGH Amp-Kopfhörer in ihrer Funktion als Übungsverstärker testen.
Bei der Inbetriebnahme wird schnell klar, worin eine der größten Stärken des Konzepts liegt: Kein Hochfahren, kein Verkabeln, kein Netzteil. Es kann sofort losgehen.
Die Kopfhörer liegen angenehm auf, reichen bei etwas größeren Ohren jedoch nicht komplett über das Ohr, weshalb man sie als Kompromiss aus On-Ear und Over-Ear bezeichnen müsste. Das etwas dünn wirkende und leider fest verbaute Kabel hat eine angenehme Länge, sodass es auch im Stehen noch genügend Spiel hat und der Standby/On-Schalter lässt sich gut ertasten.
Wer beim ersten Antesten glaubt, dass die Mittelstellung aller Potis (5) ein guter Startpunkt ist, der sei an dieser Stelle gewarnt. Insbesondere die beiden Gitarren-Modelle können enorm hohe Ausgangspegel erreichen. Bis 4 ist die Lautstärke noch relativ praxistauglich doch spätestens ab 6 oder 7 hat man das Gefühl, direkt vor dem Lautsprecher eines lauten Amps zu knien. Das ist für hörgeschädigte Alt-Rocker vielleicht gerade noch zu vertreten, für Kinder aber definitiv zu viel und im Bereich der Gefährdung.
Für die allgemeine Bedienung der Potis bedarf es einer längeren Eingewöhnungsphase. Die kleinen Rädchen sind schwer zu ertasten und man ertappt sich anfangs dabei, den Kopfhörer ständig auf- und abzusetzen. Hat man seine Lieblingseinstellung einmal gefunden reicht es aber, wenn man das Volume-Rädchen direkt neben dem Anschlusskabel schnell finden kann.
VGH-AC30
Für Vox ist die Simulation ihres Verstärker-Klassikers natürlich Ehrensache und den meisten Gitarristen dürfte klar sein, wohin die Reise hier gehen soll. Perlige Höhen, leicht nasale Mitten, schmatzende Verzerrung und ein aufgeräumter Bassbereich. Diese Klangattribute wurden durchaus authentisch umgesetzt. Die Amp-Simulation klingt direkt, ausgewogen und realistisch. An die Dynamik und Tiefe einer hochwertigen digitalen Lösung kommt sie nicht ganz heran, aber für Übungszwecke und vor dem Hintergrund des simplen Konzepts ist der Klang absolut brauchbar und vor allem latenzfrei. Echte Cleansounds lassen sich nur mit Singlecoils in der Minimalstellung des Gain-Potis erzeugen. Dafür reichen die Reserven aber weit über die Möglichkeiten eines echten AC30 hinaus und eignen sich auch für härtere Stile, wobei es für moderne Metalsounds ab der zweiten Hälfte des Gain-Regelwegs doch etwas zu matschig und undefiniert wird. Auch dem Tone-Regler hätte der Regelbereich bis 5 genügt. Oberhalb dieser Grenze wird es harsch und unnatürlich und ab 7 mit Singlecoils sogar unbrauchbar. Da auch der Bassbereich eher dünn daherkommt, bleibt man in der Regel bei allen Potis unter 4 und erhält so einen tollen Crunchsound, der mit unterschiedlichsten Gitarrentypen funktioniert und ein authentisches Spielgefühl transportiert.
VGH-Rock
Vorgewarnt vom AC30-Modell starten wir bei der Rockvariante mit allen Potis auf 4 und kriegen direkt eine ordentliche Ladung Gain auf die Ohren. Jeder Metal-Fan über 40 dürfte hier unmittelbar versucht sein, das Intro von Megadeth’s “Holy Wars” (https://www.youtube.com/watch?v=9d4ui9q7eDM) anzustimmen, denn genau in dieser Sound-Kategorie befinden wir uns. Aggressive Höhen, viel Gain und wenig Mitten machen den VGH Rock-Amp zu einem idealen Partner für Stakkato-Riffs und schnelle Soli. Der Name “Rock” ist hier etwas missverständlich gewählt, denn schon im ersten Drittel produziert das Gain-Poti sehr hohe Zerrgrade, die auf dem weiteren Regelweg immer dichter werden, aber ihren Grundcharakter kaum noch verändern. Cleansounds sind hier kaum möglich. Das Tone-Poti ist wie beim AC30-Modell ab der zweiten Hälfte seines Regelwegs kaum noch sinnvoll zu gebrauchen und zähmt den etwas kettensägenartigen Grundsound am besten bei Stellungen unter 4, was im Singlecoil-Betrieb selbst dann noch sehr spitz klingt. Zum Üben und Aufwärmen hat man aber auch hier einen gut klingenden und schnell verfügbaren Übungsverstärker zur Hand, der sich allerdings klanglich vor allem für Hardrock- und Metal-Fans empfiehlt.
Effekte (AC30/Rock)
Die beiden Gitarrenmodelle AC30 und Rock teilen sich dieselbe Effektsektion aus Chorus, Delay und Reverb. Alle Effekte sind nacheinander über den Regelweg des Effektpotis abrufbar und innerhalb ihres Bereiches in der Lautstärke regelbar. Hier darf man natürlich keine Wunder erwarten, aber alle Effekte sind gut abgestimmt und praxistauglich einzusetzen. Der Chorus klingt ausgewogen und warm, das Delay hat eine festgelegte Geschwindigkeit von etwa 250 ms und auch das Reverb klingt ansprechend und absolut brauchbar.
VGH-Bass
Der Spezialist für die tiefen Frequenzen überzeugt am E-Bass auf Anhieb mit einem satten Bassfundament. Ein wenig mehr davon hätte man sich auch bei den Gitarrenmodellen gewünscht und man kriegt einen ersten Vorgeschmack auf die Hifi-Tauglichkeit der VGH-Kopfhörer. Der Klang ist eher modern ausgelegt mit einem schlanken Mittenbereich und lässt sich über den Tone-Regler in den Höhen gut anpassen. Das Gain-Poti wirkt hier wie ein Vorverstärker und macht das Signal lauter, ohne aber signifikant Verzerrung zu produzieren. Einen wahrnehmbaren Unterschied zwischen Gain und Volume gibt es somit nicht. Über das Effektpoti lässt sich stufenlos ein Kompressor hinzumischen, der seine Arbeit absolut zufriedenstellen verrichtet und gleichzeitig durch die Auffrischung der Höhen ein wenig wie ein Enhancer wirkt. So entpuppt sich der VGH Bass-Amp-Kopfhörer als idealer Übungsverstärker für große Bass-Sounds, die mit einem kleinen Übungsverstärker so nicht realisierbar wären. Aber auch an der Gitarre macht dieses Modell für cleane Jazz- und Funk-Sounds eine sehr gute Figur.
Hifi-Test
Auf ihre Hifi-Tauglichkeit wurden die VGH-Kopfhörer mit einem Sennheiser HD-25 und einemMarshall Major II verglichen, beide in einem ähnlichen Preissegment angesiedelt.
Die Vox-Kopfhörer müssen sich hier keinesfalls verstecken und punkten vor allem mit einem ausgeprägten Bassbereich und guter Außendämpfung. So dürften sie auch als DJ- oder Bühnenkopfhörer eine gute Figur machen. Die Auflösung der Höhen gelingt beiden Vergleichskopfhörern etwas besser, dafür können die VGHs mit mehr Wärme und sanfteren Hochmitten gegenüber dem Marshall Major II aufwarten. Im normalen Alltagsgebrauch dürften die Vox-Kopfhörer somit für nicht allzu anspruchsvolle Ohren absolut ausreichend sein.