Praxis
Beim Player hat sich nichts Wesentliches verändert; im Matrix-Editor sind die PLUS-Editionen an einem „+“ hinter dem Instrumentennamen zu erkennen.
Repetition Performance
Das Phänomen „Maschinengewehr-Performance“ ist vermutlich allseits bekannt. Es stellt sich bei der Wiederholung von Sounds ein, die mit nur einem Sample auskommen müssen. Das klangliche Ergebnis ist unnatürlich. Repetition Performance schafft dadurch Abhilfe, dass bei Tonwiederholungen automatisch verschiedene Samples desselben Tons angesteuert werden. In unserem Fall stehen dafür bis zu acht verschiedene Samples zu Verfügung, was sich unmittelbar bemerkbar macht. Wer also seinen Stücken eine zusätzliche Portion Natürlichkeit verleihen möchte, ist mit diesem Feature gut bedient. In den Soundbeispielen sind beide Arten der Performance, Legato und Staccato, zu hören.
Triller
Die Triller klingen sehr schön und stellen eine echte Bereicherung dar. Ein kleines, allerdings verschmerzbares Manko ist das statische Tempo. Man kann sie nicht beschleunigen oder verlangsamen. Daher ist es ein bisschen Glückssache, ob das Ende eines Trillers und Metrum zusammentreffen. Außerdem wird beim Loslassen der Taste noch ein Ton abgespielt, was mich zunächst sehr gestört hat. Glücklicherweise lässt sich dieses Verhalten aber im Advanced-Bereich des Players abschalten.
Fast Repetitions
Die Repetitionen sind exzellent, verfügen aber über keine Timestretch-Funktion, sind also im Tempo nicht flexibel. Im Gegensatz zu den Trillern empfinde ich diese Einschränkung als störend. Denn während Triller eher flirrend über dem Stück schweben, erfüllen Fast Repetitions in der Regel eine rhythmische Funktion. Die BPM-Zahl wird im Patch-Namen genannt, das erleichtert die Orientierung. Die Integration in ein Projekt mit anderem Tempo ist trotzdem umständlich. Außerdem hat mich auch hier genervt, dass nach dem Loslassen der Taste ein Ton folgt. Aber das kann man ja abschalten.
Zusätzliche Artikulationen
Hier hat mich besonders das Snap Pizzicato begeistert. Dabei wird die Saite so stark angerissen, dass sie zurück aufs Griffbrett knallt. Ein gleichermaßen erfreuliches wie seltenes Feature. Außerdem gibt es schöne Flageoletts zu entdecken, die sich nicht nur für kühle, vibratoarme Klänge eignen, sondern auch eine Erweiterung des Tonumfangs darstellen.
Für dich ausgesucht
Sehr gefreut habe ich mich über die Spielweise Sul ponticello, bei der der Bogen nahe am Steg gestrichen wird und so einen harten, klangarmen, metallischen Klang erzeugt. Selten zu finden, aber sehr nützlich und hier sogar in drei Artikulationen (Staccato, Sustained, Tremolo) vorhanden, und zwar sowohl für Solo- als auch Orchesterstreicher.
Bei den Appassionatas ist wenig Neues dazugekommen. Die beiden bisherigen Spielarten Sustain und Staccato sind hier auch in gedämpfter Variante zu hören. Das ist durchaus sinnvoll, denn diese Streicher sind vor allem für einen epischen Sound zu gebrauchen, der durch die Dämpfer eine zusätzliche, seidige Mattheit erhält.
Abschließend ein Soundbeispiel für das Fortepiano in den Bläsern. Zum deutlichen Kontrast einmal im Holz und einmal im Blech.
VSL SE im Vergleich
Die Samples der VSL Special Edition klingen erstklassig. Im Vergleich zu anderen Orchesterlibraries ist VSL mit seinem Konzept der möglichst trockenen, neutralen Samples in der Praxis Fluch und Segen gleichermaßen. Es kann eine Weile dauern bis man die Samples zum Leben erweckt hat. Jedoch stehen dazu im VSL Player viele Möglichkeiten zur Verfügung. Neben einem einfachen, aber wirkungsvollen Hall erweist sich vor allem der Velocity X-Fade als Wunderwaffe für Realismus. Mit ihm ändert sich nicht nur die Dynamik, sondern durch Obertonaddierung auch der komplette Klangcharakter. Ebenso lassen sich im Slot-Editor verschiedene Patches miteinander kombinieren (z.B. ein Sforzato mit einem Legato für mehr Attack) oder ineinander überblenden (z. B. ein Sustain in ein Tremolo.) Der Umfang an Bearbeitungsmöglichkeiten ist gewaltig.
Am besten jedoch gefällt mir, dass alle Töne in vier Grundvelocitystufen geliefert werden und sich alle Instrumente mit den gleichen Parametern bearbeiten lassen. Dadurch ergibt sich eine Lückenlosigkeit im Klangbild, die ich z. B. bei EastWest Hollywood Brass und den Posaunen von Spitfire Audio vermisse. Dort gibt es manche Patches einfach nur in einer Velocitystufe. Dafür klingen andere Libraries (z. B. L.A. Scoring Strings, EastWest Hollywood Brass, Bläser von Spitfire Audio, Streicher von 8dio) erst einmal satter, da sie „mit Raum aufgenommen wurden und meist zwischen zwei und vier Mikrofonpositionen bieten, die man wechseln oder auch mischen kann.
Die Special-Edition-Pakete 1 & 2 inklusive PLUS-Erweiterungen kosten stolze 1200 Euro. Selbst wenn man sich die exotischere Special Edition 2 schenkt werden immer noch 600 Euro für die Special Edition 1 fällig. Da stellt sich schnell die Frage nach Alternativen. Ich kenne nur zwei andere Libraries die demselben Konzept (Querschnitt durchs gesamte Orchester) folgen, und das sind Symphonic Orchestra und Hollywood Orchestra von EastWest. Beide klingen mir „zu produziert“, aber das ist natürlich Geschmackssache.
Dabei muss man allerdings anmerken, dass die Special Edition 1 inklusive PLUS Erweiterung in Sachen Umfang gegen die beiden eher blass aussieht. Zum Vergleich; bei ähnlichem Preis (Vollversion von „Symphonic Orchestra“ liegt bei 535 Euro, Hollywood Orchestra Gold bei 615 Euro) ist schon allein am Umfang ersichtlich, dass wesentlich mehr Material geboten wird. Die SE 1 inklusive PLUS kommt auf knapp 40 GB. Das „Symphonic Orchestra“ schlägt hingegen mit 194 GB zu Buche, „Hollywood Orchestra“ gar mit 680 GB! Man bekommt also wesentlich mehr Artikulationen und Instrumente, die bei VSL erst in der SE 2 zu finden sind. Auch wer bereits im Vorhinein weiß, dass er nur ein paar solide Hörner und eine umfangreiche Streicherpalette braucht, ist für das gleiche Geld mit Bundles einer Instrumentengruppe, seien sie von 8dio, Spitfire Audio oder auch VSL, vermutlich besser bedient, da sie ungleich mehr Artikulationen anbieten. Die Special Editions punkten durch den Player, klangliche Flexibilität und Natürlichkeit.