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VSL Vienna Imperial Test

Ein „normaler“ Flügel ist ja schon groß, aber der fast drei Meter lange Bösendorfer Imperial ist ein beeindruckendes Instrument. Abgesehen von der schieren Masse der 570 Kilo sind es auch die Extratasten im Bassbereich, die nur der Bösendorfer besitzt: Er hört nicht, wie eigentlich üblich, bei 88 Tasten auf, sondern reicht hinunter bis zum Subkontra-C. Die Saite schwingt hier gerade einmal mit 16 Hz, und das ist schon sehr speziell. Damit ist auch klar, dass ein Imperial nicht unbedingt in das Einzimmerappartment auf der dritten Etage gehört und das Konto auf jeden Fall mit 130.000 Euro gefüllt sein sollte. Privat wird man ihn also nur sehr selten zu Gesicht bekommen, aber in den Konzertsälen der Welt stehen entweder ein Steinway D oder ein Bösendorfer Imperial. Im Unterschied zum sehr brillant klingenden Steinway hat der Bösendorfer einen weicheren, volleren Ton.

Der Bösendorfer Imperial
Der Bösendorfer Imperial

Und wer zwar schon von Steinway & Sons, aber noch nie von Bösendorfer gehört hat, der sollte nicht unbedingt an seiner Allgemeinbildung zweifeln. Denn zum einen hat Steinway & Sons eigentlich das Rennen gemacht und definiert den Standard, zum anderen werden in den beiden Werken in New York und Hamburg zehnmal mehr Flügel gebaut als bei Bösendorfer. Und außerdem war der Bösendorfer Imperial stets noch teurer als der schon recht kostspielige Steinway D und hat sich so als Edelstmarke positioniert. Dass diese Ausrichtung nicht unproblematisch war und wirtschaftlich einige Turbulenzen nach sich zog, kann man daran sehen, dass Bösendorfer schon einige Male verkauft wurde und inzwischen Yamaha gehört. Das bedeutet allerdings nicht, dass in einem Bösendorfer jetzt ein verkappter Yamaha steckt – oder andersrum.

Das sehr schicke CEUS
Das sehr schicke CEUS

Eine der eher ungewöhnlichen Eigenschaften, die ein Bösendorfer Imperial in seinem Inneren verbirgt, ist ein Selbstspielmechanismus namens CEUS. Selbstspielend heißt, dass der Flügel in die Lage versetzt wird, Gespieltes originalgetreu zu reproduzieren. Es existiert also keine analoge oder digitale Audioaufnahme, sondern das Instrument gibt die Töne tatsächlich selbst so wieder, wie sie generiert wurden. Wie von Geisterhand bewegen sich die Tasten, die Hämmer berühren die Saiten, der Flügel “spielt”.

Vor der Erfindung des Plattenspielers waren Instrumente dieser Art eine ganz große Sache und selbstspielende Klaviere waren ein regelrechtes Massenprodukt. Die meisten funktionierten dabei mit gelochten Papierbändern, die auf Rollen gewickelt waren (piano roll). Allerdings konnte man schon damals nicht nur das Klavier spielen lassen, sondern auch “aufnehmen”. Das heißt, dass berühmte Pianisten Stücke einspielten, die auf besagten Rollen festgehalten wurden, und der Besitzer eines solchen Klaviers konnte sich diese originalgetreue Interpretation dann zuhause anhören. Wie das genau vonstattenging, weiß man heute nicht mehr – die Technik ist im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Aber seither wurden viele neue Systeme entwickelt, das Yamaha Disklavier ist vielleicht das Bekannteste. Die alten Aufnahmen werden übrigens nicht nur auf CDs nach und nach wieder veröffentlicht, sondern auch auf das CEUS-System übertragen. Wer will – und einen Imperial besitzt – kann sich also Horowitz nach Hause kommen lassen!

Ein Vorläufer von CEUS: der „Vorsetzer“...
Ein Vorläufer von CEUS: der „Vorsetzer“…

Und was ist im Zeitalter des digitalen Hi-Ends jetzt eigentlich das Tolle an wortwörtlich mechanischer Reproduktion von Klaviermusik?

Es sind zwei Eigenschaften, die beide mit Sample-Klavieren zu tun haben. Zum einen macht es einen großen Unterschied, ob man lediglich die Aufnahme eines Klaviers oder das reale Klavier selbst hört. Dabei spielt die Analog-Digital-Debatte eine große Rolle und dass jedes “echte” Klavier eben ein Unikat ist. Aber auch die Tatsache kommt zum Tragen, dass sich das selbstspielende Klavier in genau dem gleichen Raum mit den gleichen akustischen Eigenschaften befindet wie ich selbst – im Gegensatz zur Aufnahme, die in der Regel in einem anderen Raum gemacht worden ist. Das hört sich banal an, aber unser Ohr hört sofort, dass das Klavier nicht hier neben mir steht und damit verliert es sofort an Authentizität.

Der zweite Punkt ist aber, dass man ein solches Klavier viel besser programmieren kann, als ein Pianist es jemals spielen könnte. Ein Klavierspieler schafft ungefähr 20-30 unterschiedliche Lautstärken, ein MIDI-Klavier dagegen 128. Ein Pianist muss richtig gut sein, um schneller als zwölfmal in der Sekunde die gleiche Note anschlagen zu können – ein programmierbares Klavier macht das so oft, wie es die Mechanik erlaubt. Und schließlich: Ein Pianist kann keine drei Töne spielen, die jeweils zwei Oktaven auseinanderliegen – es sei denn, er benutzt die Nase … Zur Aufnahme von Samples eignet sich also ein System wie CEUS perfekt. Denn wenn man auch nicht 128 verschiedene Lautstärken spielen kann, müsste man theoretisch ein Klavier mit allen möglichen Lautstärkegraden aufnehmen, damit es authentisch bleibt. Und das natürlich in allen Tonlängen, in allen Räumen, von vorne, geschlossen, geöffnet, aus der Spielerposition und im Konzertsaal in der fünften Reihe. Und in der sechsten, der siebten und auf dem Balkon. Und eigentlich müsste man alle Resonanzübertragungen auch sampeln – aber davon später mehr.

Das ist natürlich nicht möglich, und deshalb hat Vienna Symphonic Library eine Auswahl aus drei Mikrofonpositionen getroffen: nah, entfernt und Spieler. Bis zu 100 Lautstärken wurden pro Ton aufgenommen, außerdem Anschlagslängen von 1/10 bis 1 Sekunde. Der Flügel stand während der Aufnahme in einem schalltoten Raum, weshalb der Vienna Imperial mit einem Faltungshall ausgestattet ist, der die drei Säle des Wiener Konzerthauses darstellt. Was dabei herauskam, ist eine Sample-Library von gut 50 GB auf sechs DVDs, und die wollen wir uns jetzt einmal im Praxisteil anschauen und vor allem anhören.

Kommentieren
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medardo sagt:

#1 - 01.09.2011 um 17:03 Uhr

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Hej, Du Fachmann, Du meinst da wohl die Wiener PHILHARMOniker...

Profilbild von Sebastian Berweck

Sebastian Berweck sagt:

#2 - 28.07.2014 um 18:04 Uhr

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Ja, ok, ich habe eigentlich die Wiener Philharmoniker gemeint. Aber die Wiener Symphoniker gibt es auch und gehören mit Chefdirigenten wie Furtwängler, Karajan, Sawallisch, Giulini auch nicht gerade zu den kleinen. Bei den Berliner Orchestern ist das Chaos ja leider auch nicht kleiner.

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