Praxis
Handhabung | Editierung
Dass Kyra kein ganz gewöhnlicher Synthesizer ist, zeigt sich schon beim Einschalten, denn einen klassischen Power-Taster auf der Rückseite sucht man hier vergeblich. Will man den schlafenden Synth erwecken, gilt es nämlich die beiden Transpose-Taster gleichzeitig zu drücken – ungewohnt, aber gar nicht mal schlecht.
Die ersten Klang-Erkundungen nimmt man natürlich durch das Blättern im internen Speicher vor. Und das kann einige Zeit brauchen, denn Kyra bietet insgesamt 26 Bänke mit jeweils 128 Patches an Klangspeicher, was in der Summe 3328 Patches macht. Zehn Bänke sind (derzeit) mit Werkssounds belegt. Dabei gilt es, die Unterteilung in RAM (A-G) und ROM (H-Z) zu verstehen: Ram-Bänke können frei beschreiben werden (auch mit Einzelsounds) in Rom-Bänke lassen sich immer nur komplette Bänke ablegen (also beispielsweise auch aus dem Ram). Dadurch gewöhnt man sich fast automatisch den Workflow an, neu designte Sounds in der Bank G zu speichern, die man dann, wenn sie mal gefüllt ist, in den Rom-Bereich kopiert.
Steigt man in das Editieren von Klängen ein, sollte man eine nicht ganz triviale Lernkurve einplanen. Das liegt zum einen natürlich an der schieren Anzahl an Parametern, die für einen einigermaßen komplexen Sound zu aktivieren sind (relativ simple Sounds sind natürlich weniger aufwändig). Zum anderen macht es einem Kyra nicht immer leicht, die Parameter zu erreichen, die man gerade unter den Fingern haben will. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen den Parametern, die direkt über die Potis zugänglich sind und den Sekundärfunktionen. Primärparameter lassen sich über den Direktzugriff natürlich wunderbar einfach steuern.
Aber schon bei den Sekundärparametern ist zumindest anfänglich immer eine kurze Orientierungspause erforderlich, welcher Regler denn nun mit welcher Funktion doppelt belegt ist. Noch etwas spröder wird es, wenn man in den Bereich der Funktionen geht, die nur über das Menü und die Kombination aus Cursor- und Value-Tasten zu erreichen sind. Dabei erreicht man die verschiedenen Seiten einer spezifischen Funktionsgruppe durch mehrmaliges Drücken der gleichen Taste. Je nach Gruppe (zeigt einem Kyra dann durch Punkte in der Titelzeile an, in welcher der möglichen Seiten man sich befindet. Allerdings sind diese Arbeitsschritte nicht in allen Menüs konsistent umgesetzt. In der Gruppe „Wave“ beispielsweise muss man mit den Seite-hoch/runter-Tastern blättern, während in der Filtergruppe das mehrmalige Drücken der Filter-Taste reicht. Auch die Funktionen „Shift Lock“ und „Follow“ (Display-Anzeige folgt dem aktuelle angefassten Parameter) ändern an dieser Problematik nur wenig.
Im Gegenteil: Oft ertappt man sich dabei, dass man an einem Parameter dreht und dann erst feststellt, dass ja „Shift Lock“ aktiviert ist und man nun etwas verstellt hat. Teilweise kommt es auch zu etwas irritierenden Überschneidungen: So sitzt die Filterhüllkurve ja direkt in der Gruppe Filter, während sich das zugehörige Menü im Bereich „EG“ befindet und über zweimaliges Drücken des „Amp“-Tasters zu erreichen ist – alles nicht so leicht. Schlussendlich gilt es beim intensiven Sounddesign, an vielen Stellen relativ lange Parameterlisten zu „durchskippen“. So muss man beispielsweise, um sämtliche Wavecycles zu erreichen, ganze 74 Mal auf den „Value“-Taster drücken. Eine Art Listen-Auswahl, idealerweise flankiert von einem Rotary-Encoder hätte die Arbeit hier deutlich erleichtert.
Dennoch gelingt einem nach einiger Einarbeitung ein recht flüssiger Workflow – auch und gerade, wenn es um das schnelle Modifizieren von Klängen geht, um beispielsweise Modulationsverläufe direkt in der DAW festzuhalten. Hier merkt man dann schon das Vorhandensein der insgesamt 34 Potenziometer, die den Direktzugriff auf viele Klangparameter ermöglichen. Allerdings gibt es auch hier einen kleinen Kritikpunkt: Zwar haben die Potis ein schön, sattes Regelverhalten – das heißt, man hat das gute Gefühl hier gegen einen leichten, angenehmen Widerstand zu arbeiten. Stellenweise ist mit aber ein leichtes „Nachspringen“ aufgefallen – sich der Parameter also noch mal um einen Wert ändert, nachdem man den Regler bereits losgelassen hat.
Ausgezeichnet gelöst ist das Handling der unterschiedlichen Parts, den Kyra unterschiedet keine unterschiedlichen Modi, sondern befindet sich im Grunde immer im Multimode. Welchen Part man ansteuert, entscheidet man schlicht durch Umschalten mit dem Part-Taster. Eine Zusammenstellung aus verschiedenen Sounds und Einstellungen ist dann ein „Multi“, womit sich beispielsweise auch Layer- und Split-Szenarien realisieren lassen.
Waldorf Kyra Sound Demo (no talking)
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Mehr InformationenArpeggiator
Besondere Erwähnung verdient der Arpeggiator, der für jeden der acht Parts separat zur Verfügung steht und wahlweise intern oder via MIDI-Clock synchronisiert werden kann. Er kennt insgesamt fünf Betriebsmodi (Up, Down, Up+Down, Chord und Random), arbeitet im Bereich von einer bis drei Oktaven und mit regelbarer Gate-Length. Als ob das noch nicht genug wäre, kann der Arpeggiator auch mit einem von 127 verschiedene Pattern bestückt werden. Das sind Kombinationen aus rhythmischen und dynamischen Akzentuierungen, die – besonders im Live-Betrieb – noch mal einen mächtigen Schwung an Variationsmöglichkeiten bringen.
Klang
Zunächst einmal gilt es, den Programmierern der Werks-Sets ein Kompliment auszusprechen, denn es ist durchweg eine Freude und hoch inspirierend, die 640 Presets durchzuhören, deren Bandbreite fast das gesamte Repertoire klassischer Synthesizer-Sounds abdeckt – darunter unzählige Pads, Leads, Arpeggio-Sounds und Bässe. Beim Durchhören schält sich dann – auch wenn Kyra grundsätzlich zu (fast) jeder Art von Klängen in der Lage ist – eine Tendenz heraus, wo er am überzeugendsten ist.
Um es direkt vorweg zu sagen: ‘Rotz’, Patina und Wärme sind Attribute, die ich im Zusammenhang mit Kyra nicht unbedingt an erster Stelle nennen würde. Seine großen Stärken liegt vielmehr im Bereich ätherischer Pads, idealerweise gepaart mit komplexen Modulationsbewegungen, dynamischen Sequenzer-Sounds und durchsetzungsstarker Leads. Dabei profitieren die Klänge von einer deutlichen Präsenz und Feinzeichnung in den Mitten und im Hochtonbereich, was ihnen stellenweise allerdings auch eine gewisse Aseptik verleiht. Es wirkt also eher nach Reinraum und weniger nach Punk-Kneipe, was hier die Wandler – respektive den USB-Port – in kristallklaren 96 Kilohertz verlässt.
Auffällig waren beim Arbeiten mit Kyra – je nach Parameter – minimale Stufigkeiten im Klangverhalten. Das beginnt beim Master-Volume, das bei Reglerbewegungen winzige Geräusche von sich gibt und findet sich auch beim Filter. Diese Stufungen betreffen allerdings nur das Editieren. Moduliert man den gleichen Parameter beispielsweise durch ein LFO wird dieser geschmeidig durchlaufen. Ein bisschen Feintuning darf auch der FM-Algorithmus noch erhalten, denn je nach harmonischer Verschiebung (besonders bei starken Dissonanzen), schleichen sich auch hier minimale Störgeräusche ein.
Waldorf Kyra Sound Demo 2 (no talking)
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