Warm Audio WA-44 Test: Es ist wohl unbestritten, dass Bändchenmikrofone der 44er-Serie von RCA zu den bekanntesten und auch besten Bändchenmikrofonen gehören. Auch ist es unbestreitbar, dass AEA mit dem R44C und den Derivaten würdige Nachfolger für die RCAs anbietet – kein Wunder bei der Historie. Allerdings: AEAs sind nicht gerade preisgünstig. Nun ist Warm Audio angetreten, um ein weiteres klassisches Tontechnik-Werkzeug nachzubauen. Das WA-44 wird in China hergestellt und kostet um die 1000 Euro. Ich habe es nicht nur für das Review ausprobiert, sondern direkt auch AEAs dagegengehalten.
Quick Facts zum Warm Audio WA-44
- passives Bändchenmikrofon
- Nachbau von RCA 44-BX bzw. AEA R44C
- Richtcharakteristik Acht
- nutzt Neodym-Magneten
Fast gleich. Fast.
Als klassisches, passives Bändchenmikrofon ist das Warm Audio WA-44 ein optisches Highlight. Ich muss auch gestehen, dass ich abgesehen vom WA-Emblem Schwierigkeiten hätte, das Warm Audio WA-44 von einem AEA R44C zu unterscheiden. Der riesige Korb mit dem Motor sitzt auf dem Housing, in welchem der Übertrager sitzt. Die ganze Einheit sitzt in einer großen Metallgabel mit einem großen Fuß. Halte ich die beiden Mikrofone gegeneinander, sehe ich doch, dass zum Beispiel die sechs umlaufenden Chromzierleisten beim Warm etwas dicker sind. Ich frage mich, warum Warm sich wohl genau den gleichen Look aus den verschiedenen RCA-44ern zum Vorbild genommen hat wie AEA. Es gibt schließlich bei den alten RCAs auch ganz andere Farbgebungen als die, die man von AEA und nun auch von Warm kennt.
Mehr Informationen zum Zusammenhang zwischen RCA und AEA findet ihr im Test zu AEA R44C und R44CX.
Das US-Bändchenmikrofon AEA R44C ist eines der bekanntesten und beliebtesten Ribbon Mics – und bei uns mit R44CX und A440 im Test besprochen.
Dickeres Bändchen, andere Magneten
Im Innneren des Warm sieht es etwas anders aus als bei AEA und bei RCA. Da wäre zunächst das gefaltete Aluminiumbändchen, welches beim WA-44 2,5 Mikrometer dick ist, bei allen AEA 44ern aber 1,8 Mikrometer. Was sich wie vernachlässigbar liest, hat Einfluss auf das Schwingungsverhalten und somit die Klangeigenschaften. Außerdem benutzt Warm Neodym-Magneten für den Motor, wohingegen AEA wie vormals RCA AlNiCo-Magneten einsetzt (Aluminium-Nickel-Kobalt). Das ist ein wesentlicher Unterschied und hat Einfluss auf die Obertongenerierung. Sehr klassische Ribbonmikros setzen auf AlNiCos, beispielsweise Coles 4038 oder Stager SR-1N.
Für dich ausgesucht
An der Hardware habe ich nichts auszusetzen, das Mikrofon ist ordentlich verarbeitet. Wohl durch die moderneren Magneten ist das WA-44 mit 2,8 kg bald ein halbes Kilo leichter als ein R44C, allerdings ist das fixierte Kabel des Warm auch deutlich kürzer. Der Hersteller des Ausgangsübertragers ist in Warms wie AEAs 44er das US-Unternehmen CineMag.
Was sind Bändchenmikrofone überhaupt? Wieso gibt es einen derartigen Hype um diese Mikros? Und sind Ribbons tatsächlich so empfindlich? Hier gibt es Antworten!
Lieferumfang des Warm
Um ein Mikrofon vor Luftzug und vor „Stray Metal“ im Staub zu schützen, sollte es bei Nichtbenutzung abgedeckt sein. Ein langes Ribbon könnte sich längen, daher sollten derartige Mikrofone aufrecht gelagert sein. Ein Vergleich des Beiwerks des Warm Audio WA-44 mit dem des AEA zeigt, dass sich Warm wohl eher ein AEA als ein altes RCA zum Vorbild genommen haben – ich wüsste nicht, dass RCA jemals derartiges Zubehör angeboten hätte.
WA-44 im (Home-)Studio: Anforderungen an Preamp und Stativ
Es sieht natürlich umwerfend gut aus, das Warm Audio WA-44. Aber klingt es auch so? Zunächst zeigt sich, dass das WA-44 aufgrund der mit der Seltenen Erde Neodym geimpften Magnete ein klein wenig mehr Output liefert. Allerdings ist trotzdem ein rauscharmer, hochwertiger Preamp mehr als ratsam. Ein Homerecording-Setup mit einem wackeligen Mikrofonstativ und dem eingebauten 56dB-Preamp des USB-Audio-Interfaces sehe ich nicht als ideale Kombination an. Also an mögliche Folgeinvestitionen denken!
Der Starbird ist ein altehrwürdiges Mikrostativ der Schlachtschiff-Klasse. Die Wiedergeburt unter Triad-Orbits Ägide haben wir getestet.
Warm Audio WA-44 mit typischen Bändcheneigenschaften
Sanfte, aber detaillierte Höhen, eine angenehme, aber nicht scharfe Präsenz und ein satter Bass, der bei geringen Abständen ein riesiges Volumen aufbaut: Das assoziiert man landläufig mit einem 44er. Und das liefert das Warm auch. Wundervoller, dicker, amerikanischer Bändchensound. Auch das Ausnullen von Schallquellen durch Ausrichten gelingt so, wie man es erwartet. Das Warm Audio WA-44 ist definitiv ein Mikrofon, das auch klanglich begeistern kann und eine tolle Alternative zu den allgegenwärtigen Großmembran-Kondensern darstellt.
Genau hinhören
Wenn es nun darum geht, Unterschiede zum AEA herauszuarbeiten, muss man etwas genauer hinhören oder aber – das empfehle ich generell beim Einschätzen von Equipment – es in Real-Life-Situationen einsetzen. Damit meine ich, mehrere Quellen zu recorden, die Signale auch zumindest mit EQ und Kompressor zu bearbeiten und im Mix einzubinden. Folgende Erkenntnisse habe ich: Der Grundklang zeigt einen etwas stärker schwimmenden Bass im Vergleich zum R44C. Bei Stimmen ist das kaum auffällig, bei tiefen Instrumenten schon eher. Ganz besonders bei Bassdrum-Abnahme vor dem Resonanzfell hat das AEA einen spürbar festeren Griff. Was schon beim direkten Vergleich mit der Gesangsstimme deutlich wird: Die Mitten des Warm klingen minimal blecherner, bis in die Höhen hinauf zeigt sich das Mikrofon mit etwas geringer Strahlkraft und Reichhaltigkeit, klingt etwas mumpfiger, belegter. Im Drums-Beispiel (FOK) wird deutlich, dass das AEA die Signale etwas knackiger und pfundiger überträgt und die Hi-Hat etwas weniger breiig klingt.
Pegelsache
Interessant ist, dass Warm und AEA sich zwar generell sehr ähnlich sind,. die klangliche Ähnlichkeiten aber umso geringer werden, je mehr Pegel bei ihnen ankommt. Das AEA zeigt den klassischen, reichen Bass bei gleichzeitig feinen, „trockenen“ Höhen, wohingegen das Warm bei hohen Pegeln bissige Höhen bekommt und ein weniger voraussehbares und sanftes Breakup-Verhalten und umgang mit kräftigen Transienten zeigt. Ich schiebe diesen Umstand auf das Magnetmaterial, denn meine AlNiCo-Mikrofone zeigen ebendiesen Unterschied im Vergleich zu den Neodym-Ribbons. Und tatsächlich sind die angesprochenen Unterschiede beim Schlagzeug-Beispiel besser zu hören als bei den Vocals.
Polarsache
Ein weiterer Grund ist, dass die Richtcharakteristik Acht des Warm minimal weniger konsistent ist als die des AEA. Das R44C klingt bei fast 90 Grad und enormem Pegeleinbruch sogar im Bass noch fast wie von 0 Grad, das A-44 ingegen zeigt ab etwa 45 Grad leichte Unebenheiten – ist aber immer noch besser als so gut wie jedes Großmembranmikro!
Für die stiefmütterlich behandelte Figure-of-Eight muss definitiv mal eine Lanze gebrochen werden. Genau das passiert in diesem Artikel!
Warm WA-44: Gesamtbild
Auch wenn ich jetzt viele Unterschiede herausgearbeitet habe: Das Warm Audio WA-44 ist keineswegs „schlecht“. Es ist nur eben qualitativ nicht identisch mit dem AEA, sondern steht eher in der zweiten Reihe. Das ist eingedenk des Preises auch vollkommen nachvollziehbar.
Alternativen zum Warm Audio WA-44
Die beiden wohl besten Alternativen zum Warm Audio WA-44 sind ein gut erhaltenes RCA 44-BX oder eben ein AEA R44C. Sind diese Preise unerreichbar, lässt sich über die Anschaffung eines AEA R44CE nachdenken. Es klingt exakt wie ein R44C, besitzt aber eine einfachere und somit (etwas) preiswertere Hardware. Auch das CE wird wie alle AEAs in den USA gefertigt, somit kann man sich sicher sein, dass die jahrelange Kompetenz im Bändchenmikrofonbau auch ihren Niederschlag im Produkt findet. Außerdem gilt es zu bedenken, dass der Wiederverkaufswert eines AEA voraussichtlich ganz deutlich besser sein wird als der eines Warm.
Gerade für kleinere Aufnahmeräume ist als Alternative das AEA R84 eine Überlegung wert. Das ist im Grunde eine preiswertere, auf geringere Abstände hin optimierte Variante des R44C. Das 84 kommt im Pillendesign der RCA 77er-Mikrofone, mit Neodym-Magneten und zu einem Preis, der nicht allzu weit von dem des WA-44 entfernt ist. Noch preiswerter wäre das AEA R92. Eine weitere wichtige Alternative ist zu einem ähnlichen Preis wie das WA-44 zu haben: das legendäre, kauzige, englische Coles 4038, welches wiederum mit Alnico-Magneten ausgestattet ist.
Dieses Bändchenmikrofon ist eines der bekanntesten der Welt und wird immer noch hergestellt. Hat es seine besten Tage schon hinter sich?
Clever investieren – einfache Überlegungen ohne Zahlen, Graphen und Tabellen.
Test des Warm Audio AW-44: Fazit
Das Warm Audio WA-44 ist ein beeindruckendes Bändchenmikrofon zu einem geringen Preis. Es kann seinem Vorbild AEA R44C nicht in allen klanglichen Belangen das Wasser reichen, kommt aber nah heran. Bei naher Besprechung reagiert das Mikrofon mit einem mächtigen Bass. Die Mitten sind kernig, die Höhen rund und zahm, die Null des Achterpatterns sehr ausgeprägt. Wer ein großes Bändchenmikrofon im amerikanischen Stil sein Eigen nennen will, sich aber das US-Produkt nicht leisten kann oder will, bekommt mit dem WA-44 seine Alternative. Nicht vergessen dabei sollte man, dass ein solches Mikrofon ebenfalls einen kräftigen, rauscharmen Preamp und ein stabiles Stativ benötigt.
- Clone des RCA 44-BX bzw. AEA R44C
- Neodym-Magneten
- Bändchen: 2,5 Mikron dick
- Richtcharakteristik Acht
- fest verbautes Kabel
- Lieferumfang: Soft Case und Staubschutztasche
- hergestellt in: China
- Webseite: warmaudio.com
- Preise: € 1040,– (Straßenpreis am 19.8.2024)
- hervorragender Look
- typische Klangeigenschaften der amerikanischen Big-Ribbon-Mikros
- für ein derartiges Mikrofon geringer Preis
- kann klanglich nicht ganz mit AEA R44C mithalten