Warm WA-MPX und WA-2MPX sind Charakterköpfe
Die hohen Gainreserven machen sich direkt positiv bemerkbar. Ob nun schwache Tauchspulenmikrofone wie Shure SM7B oder Electro-Voice RE20 oder passive Bändchenmikrofone wie das Stager SR-2N mkIII im Test, sie alle müssen nicht bis auf das Maximum verstärkt werden. Es ist aber bei einem Vergleich mit den sehr cleanen True System P-Solo Ribbon, den Preamps des Merging Technologies HAPI und auch denen der Harrison 950m sofort klar, dass wir es bei beiden Warm MPX mit ordentlich färbenden Röhrenmikrofonvorverstärkern zu tun haben.
Auch bei Verwendung sehr hoch auflösender Kondensatormikrofone, im Test waren das ein Sonodore MPM-91 mkI, ein Schoeps CMC68xt und ein t.bone SC1200, fällt auf, dass die MPX Harmonische anreichern, aber eben auch nicht so zackig und transparent klingen (wollen). Der Unterschied zum Retro OP-6, dessen Design aus ungefähr der gleichen Ära stammt, zeigt dessen Fähigkeit, bei Bedarf klarer zu klingen und auch bei stärkerer Färbung etwas kontrollierter zu sein. Allerdings ist der Retro auch ganz klar ein Boutique-Preamp, alleine hinsichtlich des Preisschilds. Auffällig sind die Unterschiede besonders in den Bässen, die beim MPX nicht ganz so kontrolliert waren wie bei Tube-Tech MP-1A oder RSE TPC-1 Pro.
Einflussnahme
Grandios ist in jedem Fall die Möglichkeit, klangformend auf das Signal Einfluss zu nehmen. Vor allem die Tone-Schaltung bewirkt eine Menge, nicht nur bei dynamischen Mikrofonen. Absolut genial ist auch das Tiefpassfilter, wenngleich ich eine zusätzliche Option von 8 oder 10 kHz (wie bei meinem Mischpult) begrüßt hätte. Und so sind manche Sachen klasse, aber dann doch etwas zu heftig: Vor allem die Tape-Saturation dürfte gerne etwas subtiler zur Sache gehen. Sättigung und Kompression sind mir für viele Signale dann doch zu wild, dafür müsste man eine vernünftig eingemessene Bandmaschine doch sehr, sehr heiß anfahren. Außerdem ist mir diese Schaltung in dieser Ausführung zu rauschig, das „Chchch“ will ich nicht unbedingt auf den Vocals haben, erst recht nicht vor einem Kompressor.
Für dich ausgesucht
Nicht nur als Preamps
Jetzt liest es sich vielleicht so, als hätte ich nur etwas zu kritteln, aber das stimmt ja nicht. Denn: Gemessen am Preis sind die beiden Warm Audio WA-MPX und WA-2MPX wirklich charaktervolle Geschöpfe. Hat man Warm Audios Zielgruppe im Sinn, ist klar, dass der typische Käufer eines der beiden Geräte jemand sein wird, der eine „farbige“ und kräftige Alternative zu den typischen, neutralen und oftmals blassen Preamps in Audio-Interfaces sucht. Und dass die Amps als kräftig zerrende Biester gut geeignet sind, zeigen die Audiobeispiele wohl ohne Frage (Tipp: Mit LPF kombinieren!). Ich kann übrigens die Anschaffung des zweikanaligen Version Warm Audio WA-2MPX empfehlen. Zunächst: Zwei Mikrofone werden gerne verwendet, sei es als Drum-Overheads oder schon bei Akustikgitarre oder Piano. Auch die Doppelmikrofonierung von Vocals ist eine klasse Angelegenheit: Ein Kondensatormikrofon „brav“, ein dynamisches mit richtig Rotz. In der DAW wird dann gemischt. Außerdem erlaubt die Zweikanalige Version die gezielte Sättigung von Bussen, vielleicht sogar der Stereosumme. Tipp: Über den DI-Input lassen sich Gitarren und Bässe hervorragend sättigen und an Amp oder DAW leiten (siehe auch Reamping-Workshop).
Alternativen zu Warm Audio WA-MPX und Warm Audio WA-2MPX
Electric & Company EC3 | Vorverstärker von ausgewiesenem Ampex-351-Profi, einkanalig, weniger Optionen, deutlich kostspieliger, Made in USA |
Ampex 351 | Originale sind durchaus bezahlbar zu bekommen, benötigen aber oft fachkundigen Service |