Praxis
Ich betreibe das Interface so, wie der Hersteller es empfiehlt, nämlich direkt in den Wandler, und zwar ohne externe Mikrofonvorstufe. Und da gibt es schon die erste Überraschung. Ich muss zugeben, ich war anfangs skeptisch, was das Interface betrifft, aber nachdem ich einen direkten Vergleich mit diversen D.I. Boxen und Vorstufen wie dem Avalon U5, der Hughes & Kettner Red Box oder dem Universal Audio LA 610 angestellt hatte, muss ich sagen, es macht wirklich Sinn. Eigentlich sollte eine D.I. Box keinen Sound machen, aber was das Spielgefühl angeht, ist das Waves Interface ganz weit vorne. Es ist schwer zu beschreiben, aber es gibt mir wirklich das Gefühl, meine Gitarre in einen echten Amp gesteckt zu haben. Die Obertonstruktur ist nicht so vordergründig wie mit einer normalen D.I. Box, was den Sound natürlicher macht. Ich gebe zu, der Unterschied ist subtil, aber auf jeden Fall spürbar, und darum geht es ja letztendlich bei der Musik.
Amps
An Amps stehen zur Auswahl:
Clean: Direct (Gitarre direkt), Fender Bassman, Gibson Skylark, 100W Marshall, ein Boutique Amp von Paul Reed Smith.
Drive: AC30 TB-2, Ampeg Gemini, Fender Blackface Super Reverb, Marshall JMP, Boutique Amp aus der Paul Reed Smith Collection.
High Gain: Marshall MK2 50W, Marshall 100W, ein Modell von Waves, Marshall JMP1 Preamp, Boutique Amp aus Paul Reed Smiths privater Sammlung, Koch Combo, Mesa Boogie Dual Rectifier.
Auch da sollte eigentlich für jeden etwas dabei sein. Begeben wir uns nun in den Teil des Tests, der das zeigt, worauf es ankommt, nämlich den Sound.
Für dich ausgesucht
In unserem ersten Beispiel hören wir einen 1959 Bassman mit einer 4×10“ von 1968 mit Alnico Lautsprecher. Abgenommen wurde der Amp mit einem Sennheiser 409, das auf die Speaker-Mitte gerichtet ist. Als Gitarre musste meine Tele herhalten.
Der Ton springt einen förmlich an und tönt schön rund. Das Klangbild ist typisch Fender und ich habe bei diesen Amps immer das Gefühl, dass der Sound bei jedem Anschlag nachfedert.
Der nächste Verstärker ist ein Exot und ich habe dieses Setup gewählt, um die enorme Bandbreite zu demonstrieren. Ein Gibson Skylark aus dem Jahre 1968, gepaart mit einer klassischen 4×12“ Marshall Box und abgenommen mit einem Sennheiser 409, macht für Akkordbegleitung einen mächtigen und relativ bassigen Sound. Trotzdem lässt er die nötigen Attacks nicht untergehen und wird dadurch griffig.
Jetzt wird es angezerrter und dafür habe ich meine Strat mit Steghumbucker bemüht.
Es folgt ein Fender Blackface in Kombination mit einer Marshall 1936 mit 2×12“ Box. Als Mikrofon dient auch hier das Sennheiser 409.
Hier beweist der Amp auf’s Neue, warum er im Studio extrem beliebt ist und auch gern für Rockproduktionen verwendet wird. Der Zerranteil ist relativ hoch, aber Akkorde setzen sich trotzdem sehr gut durch – eine seiner großen Stärken! Den Sound würde ich als sehr warm bezeichnen.
Ganz im Gegensatz zum folgenden Beispiel.
Der Marshall JMP von 1980 mit einer 4×12“ 1960a Box, abgenommen mit einem Shure SM57. Diese Kombination kann man mit Recht als DAS Rockbesteck bezeichnen.
Natürlich klingt es im Gegensatz zu dem Beispiel davor sehr höhenlastig und fast schon unangenehm, ist aber für Rock- und Metal-Bands meist genau richtig, da die Gitarre wesentlich vordergründiger ist. Im Bandkontext setzt sie sich automatisch durch.
Als letztes Beispiel habe ich einen Highgain Sound zusammengestellt, diesmal mit einem Marshall 100 W Amp mit 1960a 4×12“ Box und einem Sennheiser 409. Das Mikrofon klingt insgesamt mittiger und kappt die Höhen, aber hört selbst:
Toller Lead- und Rhythm-Sound, den man aus unzähligen Produktionen kennt.
Natürlich bietet das GTR3 noch tonnenweise weitere Amps, aber das würde den Rahmen sprengen, daher gehts jetzt weiter mit den Boxen und Mikrofonen.
Ich habe für die folgenden Beispiele einen Plexi gewählt und verschiedene Boxen und Mikrofone ausgesucht. Als Hall dient der VSS3 von TC Electronic.
Boxen
Auch hier kann ich natürlich nicht alle Boxen anspielen, immerhin bietet der GTR3 sage und schreibe 23 verschiedene an. Deshalb also nur ein Ausschnitt.
Beginnen möchte ich mit dem Klassiker schlechthin, der 1960a 4×12“ Box von Marshall.
Den Sound kennt man aus unzähligen Pop- und Rock-Produktionen. Etwas nasal, aber mit einer gehörigen Portion Durchsetzungskraft ist diese Box berechtigterweise DIE Box, und zwar nicht nur live, sondern auch im Studio.
Jetzt dieselbe Box, allerdings mit einer anderen Speakerkombination, nämlich den G12 Greenbacks.
Das Klangbild verschiebt sich nach unten und der Plexi klingt etwas “dosiger“, was gerade bei Bluesproduktionen sehr beliebt ist. Obwohl die Files exakt dieselbe Lautstärke haben, erscheint diese Kombination doch lauter. Das hat etwas mit den ausgeprägteren Mitten zu tun, die sich einfach besser durchsetzen.
Kommen wir zum letzten 4×12“ Beispiel. Dieses nennt sich “Brit“ und steht natürlich für British. Bei der Box handelt es sich um eine Orange PPC 412 mit Vintage 30 Speakern.
Sie gleicht in der Grundcharakteristik der 4×12“ Standard, allerdings erscheint der Sound etwas lebendiger und luftiger. Die Akkorde bekommen eine konkretere Definition. Die wohldosierten Bässe und Mitten setzen sich wunderbare durch.
Weiter geht es mit einem von mir sehr oft verwendeten Cabinet, einer geschlossenen 2×12“ Box von Marshall mit der Bezeichnung 1936 mit G12 Greenbacks.
Mittig und mit einem guten Punch setzt sich die Gitarre durch. Durch die Bauweise ist der Sound sehr direkt und lebendig, was mir sehr gut gefällt. Die Ansprache ist schnell und das Klangbild sehr ausgewogen, der Bass-Anteil nicht zu hoch.
Als nächstes hören wir den Vox AC30 2×12“ Box mit Celestion Alnico Blue, die auch Blue Bulldogs genannt wird. Diese Box hat eine offene Bauweise, also keine Rückwand.
Sofort verschiebt sich das Klangbild nach oben, die Bässe treten mehr in den Hintergrund und mehr Obertöne kommen ins Spiel. Sie würde gedoppelt perfekt zu dem Soundbeispiel davor passen, um den Sound noch breiter zu machen.
Jetzt ein Mesa Boogie Mark IV mit Electro Voice Lautsprecher.
Sehr typisch für diese Box ist ihr Höhenanteil und direkte Ansprache, da das Gehäuse ja recht klein ist.
Kommen wir noch zu zwei Exoten, die im täglichen Gitarristenleben nicht oft verwendet werden, aber durchaus ihre Berechtigung haben.
Die 8“ Box ist die Nachbildung eines Gibson Skylark von 1968 und die 15“ Box ein 1960 Fender Showman.
Auch hier kann man wunderbar heraushören, wie komplett unterschiedlich ein Amp nur durch die Lautsprecherbestückung klingen kann. Natürlich ist ein 15“ Speaker wesentlich träger als ein 8“, und im Gegensatz zu den oben gehörten Beispielen ist der kleine Lautsprecher wesentlich quäkiger, aber manchmal wird eben genau dieser Sound benötigt. Anstelle am Equalizer zu schrauben wechselt man einfach die Box. Sehr gut!
Weiter geht es auf der nächsten Seite mit den Mikrofonen.
MIKROFONE
Ich verwende weiterhin den Plexi, diesmal jedoch immer mit der 4×12“ Marshall 1960a Box, die klassische Kombination also.
Zu Begin eine 4×12“ Box mit einem Sennheiser 409, das in die Speakermitte gerichtet ist.
Der Sound ist relativ mittig und etwas speziell, eignet sich aber perfekt als Overdub im Studio.
Weiter gehts mit einem Sennheiser 421, off axis, also nicht in die Mitte des Lautsprechers gerichtet, sondern zum Rand.
Hier hört man sehr gut den Unterschied zwischen dem 409 und dem 421. Obwohl beide dynamische Mikrofone vom selben Hersteller sind, klingen sie doch grundverschieden. Das 421 hat ausgeprägtere Bässe und die Höhen sind sehr präsent. Gerade bei der 1960a Marshall Box kann das zum Problem werden.
Kommen wir zu einem zurzeit bei Gitarristen sehr beliebten Mikrofon, dem Royer 44. Dabei handelt es sich um ein Bändchenmikrofon mit einem warmen, relativ höhenarmen Sound.
Dieses Mikrofon wird häufig zusätzlich zu einem anderen hinzugemischt, da es die Mitten sehr gut abbildet. Toller Sound und auf Produktionen immer häufiger zu hören.
Mit dem Shure SM57 kommt jetzt ein weiterer Klassiker zum Zuge, einmal in den Speaker und einmal daneben gerichtet.
Auch diesmal wird sehr schnell deutlich, warum dieses Mikrofon so beliebt ist. Je nach Stellung zum Speaker liefert es grundlegend verschiedene Sounds, die aber alle sehr gut zu gebrauchen sind. In den Speaker gerichtet wird das Resultat erwartungsgemäß höhenlastiger und bissiger. Im zweiten Beispiel zeigt sich der Ton sehr mittig, gerade die Tiefmitten kommen in den Vordergrund und der Sound wird schön fett. Trotzdem packt er gut zu und der Anschlag wird wunderbar herausgearbeitet.
Zum Schluss hören wir ein etwas unkonventionelleres Mikrofon, das Brauner VM-1. Unüblich deswegen, weil es extrem hochwertig und sehr teuer ist und normalerweise für Gesang verwendet wird.
Aber wenn ich mir das Resultat so anhöre, muss ich sagen, dass es mir ausgesprochen gut gefällt. Ich hatte erwartet, dass es das Höhenbild mehr in den Vordergrund stellt, was es aber zum Glück nicht tut. Der Klang ist sehr ausgewogen und es verbiegt den Sound nicht so sehr wie beispielsweise die Mikros von Sennheiser. Ich frage mich allerdings, warum ausgerechnet dieses Mikrofon das einzige Kondensatormikrofon ist und nicht zumindest ein Neumann U87 oder ein AKG C414 verwendet wurden, sind diese doch wesentlich häufiger im Studio anzutreffen.
EFFEKTE
Als letztes machen wir noch einen Ausflug in die Effektsektion.
Hier hören wir ein cleanes Signal mit einem Delay. Der Sound ist sehr modern und bietet alles, was man von eben diesem erwartet. Angenehme Höhen, schnelle Ansprache und ein Delay, das sauber wiederholt, ohne zu sehr zu färben.
Jetzt eine cleane Gitarre, diesmal jedoch mit einem Envelope Filter und einem Delay.
Der Sound gewinnt an Persönlichkeit und der Envelope-Filter reagiert erwartungsgemäß auf den Anschlag – je fester, desto höhenlastiger.
Interessant finde ich bei der folgenden kleinen funky Linie, die aus einem Envelope Filter und einem Octaver nach unten besteht, dass das tiefe Signal links und das Original rechts im Stereobild zu hören ist. Cooler Sound!
Jetzt wirds atmosphärischer. Für diesen Sound habe ich eine Les Paul verwendet, viel Flanger und Delay dazu, und dann klingt es so:
Toller Sound für Intros, Outros und Ähnliches.
Auch der folgende Sound schlägt in dieselbe Kerbe, jedoch klingt er wesentlich frischer. Hier kam eine Strat zum Einsatz. Dazu viel Chorus, ein Hall und Delay, und das alles nicht zu knapp.
Für den nächsten Sound habe ich einen Fender-Amp verwendet, ihn etwas angezerrt und dem Ton erst dann ein Tremolo und eine Prise Hall spendiert.
Ein sehr charakteristischer Sound!
Das nächste Klangbeispiel ist wieder mit Delays gemacht. Diesmal jedoch habe ich einen Akkord angeschlagen und ihn sofort wieder abgedämpft. Den Rest macht unser GTR3.
Sehr gut, wie ich finde!
Hier hören wir einen AC30 mit einem Tremolo und einem sehr kurzen Delay, das quasi als Hall fungiert. Die Anschläge sind, wie bei allen anderen Beispielen auch, sehr gut herauszuhören und unterstreichen die authentische Nachbildung des GTR3.
Das letzte Beispiel besteht aus einem etwas weiter aufgedrehten Fender-Amp. Als Effekte kommen ein EQ, ein Phaser und ein ganz kurzer Raum zum Einsatz.
Der Name ist Programm und ganz bewusst eine sehr gelungene Hommage an Pink Floyd.
Frank Oesterwind sagt:
#1 - 11.07.2017 um 07:27 Uhr
Ich habe mir auf Grund eueres Tests die Demo-Version heruntergeladen und mit
meiner guitar rig 5 software verglichen. Ich muss sagen ich bin voll begeistert über
den wirklich guten Sound der mir teilweise sogar besser gefällt als die guitar rigs.Effekte hat guitar rig mehr lassen sich aber sehr gut mit dem GTR3 kombinieren.
Ich werde mir die Software kaufen, zumal der Preis momentan 49 Euro beträgt.
Ich finde das ist ein Geschenk.Vielen Dank für eueren tollen Test und euer sehr gutes Musik Portal.Liebe Grüße
Frank
Lothar Wieland sagt:
#2 - 21.01.2019 um 08:26 Uhr
Leider gibt es kein Key Eingabefeld um aus der wirklich grossen Fülle der Presets schneller und treffsicherer finden und schnell suchen. So wie es ist, gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Preset als nicht gerade handsome.