What Was I Made For von Billie Eilish – Die perfekte Symbiose von Song und Video

Less is more. Das ist das Motto für den Song und das Video von What Was I Made For von Billie Eilish. Eine Künstlerin, der alle Produktionsmöglichkeiten der Welt zur Verfügung stehen und die sehr viele stimmliche Möglichkeiten hat, übt sich ganz bewusst im Verzicht. Sowohl bei der Ausgestaltung ihrer Vocals als auch bei der bildlichen Umsetzung des Songs zum Barbie Film, im dazugehörigen Video. Selten gelingt die Einheit von Musik und Bild so grandios wie hier. Was wieder einmal beweist, dass wenige, gut durchdacht eingesetzte Gesangs- und Bildmittel eine ganz große Wirkung haben können.

Teaserbild: Screenshots aus Video – What Was I Made For – von Billie Eilish, https://www.youtube.com/watch?v=cW8VLC9nnTo

Backgroundcheck – Barbie und Greta Gerwig

Greta Gerwig, die Regisseurin des Barbie Films, fragt Billie Eilish und ihren Bruder (und Produzenten) Phineas, ob sie einen Song für ihren neuen Film schreiben möchten. Sie lädt beide ein, sich mit ihr und dem Musikproduzenten Mark Ronson, der die Filmmusik kuratiert und den Filmscore schreibt, eine noch nicht ganz fertige Vorabversion von Barbie in einer Exklusivvorführung anzusehen.

Schwer beeindruckt sagen Billie und Phineas zu und versuchen einen passenden Song zu schreiben. Beide befinden zu diesem Zeitpunkt in einer Phase, wo ihnen musikalisch nicht viel einfällt, was sie gut genug finden, um es zu behalten und sie nicht wissen, wohin sie mit ihrem Songwriting gehen wollen. Songideen werden ausprobiert und wieder verworfen. Nach einigen Anläufen in den nächsten Wochen, mit denen beide aber nicht zufrieden sind, spielt Phineas Billie dann eine Klavieridee vor, zu der sie sofort eine gesangliche Idee hat. Noch am selben Abend entsteht das Grundgerüst für Was I Made For, den zukünftigen Signature Song des Barbie Films und Billie Eilishs nächstem Hit.

Wer tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich, sich folgendes Interview über das Songwriting und Video anzusehen: https://www.youtube.com/watch?v=VOrQHc99JSU

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Textanalyse – Fragen über Fragen

Inhaltlich setzt Was I Made For bei dem Moment an, wo Barbie im Film eines Morgens aufwacht und für sie kein immer gleich glücklicher, neuer „Perfect Barbie Day“ beginnt. Ihre Dusche ist kalt, sie gleitet nicht, sondern fällt vom Dach und ihre Fußsohlen berühren plötzlich den Boden. Bei der abendlichen Party denkt sie sogar über das Sterben nach. Diesen Riss im Glücklichkeitskontinuum bekommt sie nur gekittet, indem sie sich auf eine Reise begibt. In die reale Welt – und zu sich selbst.

Sich seiner selbst nicht mehr sicher zu sein macht Eilish zur Hookline des Textes. What was I made for? Wofür bin ich gemacht worden? Eine ganz einfache Frage – im Barbie-Universum und aber auch für uns Menschen existentiell und universell gültig.

Eine Frage, die sich auch sehr gut auf Billie Eilish selbst übertragen lässt. Vom Erfolg verwöhnt, die letzten Jahre ein einziges Toppen von Superlativen, ist sie laut eigener Aussage an einem Punkt in ihrem Leben, wo sie auf der Suche nach dem nächsten Schritt ist. Welche Musik will sie als nächstes schreiben? Für Künstler/innen bedeutet das: Wer wollen wir als nächstes sein? Was wiederum die Frage aufwirft, wer wir in der Vergangenheit gewesen sind.

Thinking about your life and the present..and the past…and the future is a scary and gut wrenching thing to do.
Billie Eilish

Was liegt da näher, als auch den Text auf lauter Fragen aufzubauen. All die Fragen, die in Barbies und wahrscheinlich auch in Billies Kopf herumspuken. Wer bin ich? Warum bin ich unglücklich? Wer will ich sein? Wie soll ich mich fühlen? Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen soll.

Und am Ende des Textes kommt dann die Antwort: Eines Tages werde ich es wissen. Denn ich bin zum Glücklichsein gemacht, ich kann es sein und werde darauf warten. Welch simpler (ja, diese Worte werde ich leider noch öfter in diesem Text benutzen müssen), aber umso genialer Twist. Aus der Frage: What was I made for? wird die Antwort: What I was made for. Eingebettet in eine ganz einfache Songstruktur. Zwei Strophen, Refrain, Strophe, Refrain, Strophe. Mehr ist nicht notwendig.

I used to float, now I just fall down
I used to know but I’m not sure now
What I was made for
What was I made for?

Takin’ a drive, I was an ideal
Looked so alive, turns out I’m not real
Just something you paid for
What was I made for?

‘Cause I, I
I don’t know how to feel
But I wanna try
I don’t know how to feel
But someday, I might
Someday, I might

When did it end? All the enjoyment
I’m sad again, don’t tell my boyfriend
It’s not what he’s made for
What was I made for?

‘Cause I, ’cause I
I don’t know how to feel
But I wanna try
I don’t know how to feel
But someday I might
Someday I might

Think I forgot how to be happy
Something I’m not, but something I can be
Something I wait for
Something I’m made for
Something I’m made for

Vocal-Analyse – Sing es schlicht

https://www.youtube.com/watch?v=dpnTd9Dx2OM

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Wir kennen diese hohe Stimmlage von Billie Eilish aus Songs wie Ocean Eyes oder When the Party’s over. Doch hier klingt ihre Stimme noch verhauchter, ich finde, auch erwachsener als früher. Die Töne – einfach hingestellt. Je mehr Eilish gesanglich wegnimmt, desto eindringlicher wird der ganze Song. Desto mehr Raum entsteht für die Emotionen. Was I Made For ist einer der Songs, die beim Singen einfach ausgehalten werden wollen.

Der Song kann nicht ohne die Musikproduktion betrachtet werden. Im Arrangement der Instrumente und im Mix baut Phineas den Raum, indem Billies schlichter Gesang eine Mehrdimensionalität bekommt. Ein Spannungsfeld, was die Größe erzeugt, die Eilish ihrer Stimme verweigert. Ein musikalisches Bett, das die Stimme trägt und auffängt.

1. + 2. Strophe
Ich checke die Akkorde. Der Song ist in C-Dur. Das sind nur die weißen Tasten auf dem Klavier. Auf der Gitarre die Anfängerakkorde. In der Klassik die neutralste, heroischste, am meisten scheinende Tonart. C-Dur ist schön – und simpel (da haben wir es wieder).

Billie singt mit viel Luft und wenig Stimmmasse. Der ganze Song wird in Kopfstimme gesungen. Sie hält ihre Stimme schlicht und klein, was hier absolut zum Vorteil ist. Die bewusste Entscheidung, so leicht zu singen, passt perfekt zur Intention des Songs. Billies Gesang wirkt ätherisch, sehnsuchtsvoll. Sie legt viel Emotion in die Zeilen, die sie aber nicht durch stimmliche Effekte umsetzt, sondern vor uns offen und pur ausbreitet. Die Steigerung am Ende der Strophe bei der finalen Zeile „What was I made for?“ wird durch eine subtile Backingvocals Stimme, die unisono (einstimmig) mitsingt, erreicht.

Chorus
Im Refrain führt Billie ihre Kopfstimme klarer und bündelt den Ton mehr.
Zweite Stimmen, Backingvocals auf „I don’t know how to feel“, kommen hinzu.

3. Strophe
Billies Gesang bleibt absolut gleich, wie in der ersten Strophe, aber die musikalische Produktion wird fetter und vielschichtiger, was ganz vorsichtig mehr Dynamik in den Song bringt. Es gibt mehrstimmige Gesangszeilen. Leise Streicher. Ein dezentes Orchester schleicht sich ins Playback. Auf den Vocals liegt mehr Effekt. Der Song bekommt unmerklich immer mehr Größe.

2. Chorus
In der zweiten Zeile auf „Cause I“ gibt es das dann den einzigen wirklichen Run des Songs. Ein wunderschönes Riff bei 2:18 Min. In den anderen Zeilen wird die Melodie nur leicht verziert oder abgewandelt. Der Refrain bleibt durchgängig mehrstimmig. Tiefere Backingvocals kommen hinzu, bei denen Billies Stimme mehr Power hat. Sie sind aber in den Mix gebettet und wirken wie ein Echo aus der Ferne. Das Ende des zweiten Refrains ist musikalisch, vom Arrangement und Mix her, der dynamische Höhepunkt des Songs. Billies Leadvocals aber bleiben: schlicht.

4. Strophe
Der Song schrumpft wieder in sich zusammen. Die Größe des Soundbildes endet nicht abrupt, sondern weht hinweg. Klingt nach. Die hohen Synths aus dem vorherigen Refrain wehen in die Strophe hinein und bleiben als ein einziger Ton bis zum Ende des Refrains stehen. Billies Vocals sind wieder solo, begleitet vom Klavier vom Anfang. Backingstimmen kommen kurz vor Ende für die vorletzte Zeile (Something I made for) zurück. Auf der letzten Zeile sind Billie und das Klavier wieder alleine. Die Harmonien enden überraschend in G-Dur, das harmonisch gesehen viel Spannung hat und sich im Grundakkord C-Dur so gerne auflösen möchte, aber dort stehen bleibt. Ohne Auflösung. Billie lässt alle Spannung in ihrem Gesang fallen und atmet auf der Melodie der letzten Zeile aus. Die Reise ist noch nicht zu Ende, aber die Musik und ihr Gesang wissen jetzt, wohin es geht. Und dass es gut ausgeht.

Video-Analyse – Billie Eilishs Barbie-Moment

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Gerade jetzt, wo ich diesen Artikel schreibe, ist das Video drei Monate alt und hat bereits 81 Millionen Aufrufe. Es ist ein One-Shot-Video, also ohne Schnitte in einem Take aufgenommen, mit jadegrünem, verwaschenem Background, braunem 50s Stuhl und Tisch und Billie Eilish, in zartes Zitronengelb gehüllt, die eine große Barbiebox aus- und wieder einpackt.

Soweit die simple (here we go again) Geschichte. Mini-Handlung, ein spartanisches Setting, eine statische Kamera, Fokus auf die Haupdarstellerin, ein paar wohlgesetzte Effekte, auf die ich später noch eingehen werde. Dieselbe Grundherangehensweise wie in Text, Gesang und Musik. Alles soll, so Eilish: „sehr pur sein“

Und auch im Video, wie schon in der Musikproduktion von Phineas, liegt die Raffinesse in den Details, die so viel mehr erzählen, als die Haupthandlung zuerst vermuten lässt und subtil helfen, die Haupthandlung ins richtige Licht zu setzen. Schauen wir sie uns Stück für Stück an.

Outfit

I really wanted to feel like how the old Barbie’s looked.
Vintage Barbies are the coolest stuff ever.


Das gelbe Kleid, was Billie Eilish im Video trägt, ist von den Kleidern inspiriert worden, die Billies Großmutter für ihre Mutter genäht hat und in die Billie als Kind manchmal geschlüpft ist. Billies Verbindung zu ihrer eigenen Vergangenheit. Dazu die großen Knöpfe, die hängenden Kugelohrringe, die blonde Barbiefrisur. Alles an ihr ist hell und unschuldig. Wie die Outfits der 50/60s Barbies.

Kamera

Billie wusste genau, wie sie die Kamerafahrt haben wollte. Die Kamera soll statisch sein, die erste Position starr behalten, nicht den Blickwinkel wechseln, sich nicht im Raum bewegen, ihr nicht folgen. Die Kamera kommt nur näher und entfernt sich wieder. Schneidet, wenn sie nah ist, mal Billies Kopf zum Teil ab, verharrt, wenn Billie am Ende aus dem Bild läuft.

The camera’s just filming and I happen to be there.

Billie spricht von gesellschaftlichen Erwartungen. Sie passt, wortwörtlich, einfach nicht mehr ins Bild und nimmt am Ende reiß aus.

Als Vorbereitung für den Dreh hat Billie Eilish übrigens das Setting der Szene in ihrem Garten aufgebaut, die grundlegende Kamerafahrt mit ihrem Handy aufgezeichnet und mit Regieanweisungen versehen, wobei sich alle Kamerabewegungen, laut ihrer Aussage, am Text orientieren. Der filmische Look des Videos sollte düster (gritty) sein und einen 16-mm-Filmappeal haben.

Requisite

Die Auswahl der Requisiten, hier des 50s Vintage Barbiekoffer mit seinem Inhalt, addiert eine ganze weitere Ebene zu der Videogeschichte hinzu. Alle kleinen Barbiepuppen-Outfits wurden extra für den Dreh angefertigt und sind Signature-Outfits aus Billies bisheriger Karriere. Komplett mit Mini-Schuhen und Halsketten. Sie repräsentieren, laut Eilish, „vergangene Versionen meiner selbst. Sie sind ich, aber sie sind auch nicht ich, weil sie verschiedene Versionen von mir sind. Aber sie werden für immer ich sein.“

Barbies und Billies Geschichte verschmelzen. Billie ist Barbie, die sich an Billie erinnert. Die Requisiten erzählen den Schlüssel zum Song, ohne der Hauptdarstellerin des Videos zu viel Aufmerksamkeit wegzunehmen. Dasselbe Prinzip, wie schon Gesang und Musikproduktion miteinander interagieren.

Szenische Effekte

Ein weiterer Nebendarsteller, der dem Video die nötige Tiefe gibt, sind die einfachen drei Natureffekte, die im Verlauf der Handlung auftreten und die der dynamischen Entwicklung des Songs folgen. Zuerst ein Erdbebenstoß (Ende Chorus 1). Eine Erschütterung der Welt der Hauptfigur. Dann Windböen, die immer stärker werden (Anfang 3. Strophe) und schließlich starker Regen und mehr Wind, gegen den sich Billie wehrt, indem sie immer wieder versucht ihre Outfits zu ordnen und stoisch wieder in die alte Ordnung zu bringen, was ihr nicht gelingt. In der vierten Strophe hört der Regen wieder auf, das Wetter beruhigt sich, aber alles ist nass. Billie wringt die nassen Outfits aus, sammelt Schuhe und Schmuck auf, stopft alles in die Barbiebox, hält am Ende des Songs kurz inne, sammelt sich – und läuft aus dem Bild.

Behind the scenes Video:

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What was I made for ist für sechs Grammys nomiert.


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