Wenn ihr Gesangsunterricht nehmen wollt, stellt sich zunächst einmal die Frage, wie ihr einen guten Vocalcoach findet. Am besten eignen sich Empfehlungen von anderen Sängerinnen und Sängern. Falls diese Lösung für euch ausscheidet, findet ihr hier einen Katalog mit den wichtigsten Punkten, worauf ihr bei der Unterrichtswahl achten solltet, was einen guten Coach auszeichnet und welche Punkte eine gute Gesangsstunde behandelt.
Der äußere Rahmen: Auf diese Punkte solltet ihr bei der Wahl eines Vocalcoaches achten
1. Fame
Berühmtheit ist kein Kriterium für guten Unterricht, sondern eher die Fähigkeit, zu unterrichten. Es gibt viele tolle Vocalcoaches, die keine außergewöhnlichen Sänger/innen sind, aber das Beste und noch mehr aus ihren Schülern herausholen können. Lasst Euch nicht blenden.
2. Kostenlose Probestunden
Geben manche Coaches als Anreiz. Die richtig Guten brauchen das aber nicht. Nehmt lieber ganz regulär eine Stunde, bei der ihr voll unterrichtet werdet, anstatt ein bisschen über Gesang zu reden und zwei bis drei Übungen zu machen, wie es in Probestunden häufig geschieht. Auch aus einer ersten Stunde solltet ihr mit neuer Inspiration, Übungen und einem konkreten Lernziel herausgehen.
3. Preis für den Gesangsunterricht
Guter Unterricht ist nie billig. Überlege dir, ob du jede Woche eine Stunde bei einem günstigeren Coach nimmst, der noch nicht so lange unterrichtet (muss ja nicht heißen, dass die Technik schlecht ist), oder alle zwei Wochen eine Stunde zu einem richtigen (teureren) Crack gehst, der oder die durch jahrelange Erfahrung Zusammenhänge viel schneller erfasst und vermittelt.
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4. Methode der Gesangstechnik wählen
Klassik ist nicht die Basis für alle Musik. Es ist eine gleichberechtigte Option. Natürlich sind bestimmte gesangstechnische Aspekte bei allen Musikstilen gleich, da unser Körper, also unser Instrument, gleich funktioniert. Doch gerade klassischer Gesang hat ein ganz bestimmtes Klangideal, dem alle Sänger/innen genügen müssen. Pop hingegen lebt von der Individualität einer Stimme. Der klassische Sound differiert sehr vom Popsound. Die Voraussetzungen sind ja auch völlig unterschiedlich.
Klassische Sänger müssen einen großen Raum ohne Mikro füllen können. Um das zu leisten betonen sie ganz andere Anteile ihrer Stimme als Popsänger/innen, deren Stimmen durch ein Mikro verstärkt werden. Vereinfacht ausgedrückt: Eine klassische Stimme muss groß und weit streuen können, um den Raum zu füllen. Eine Popstimme muss schmal und gebündelt sein, um gut vom Mikro abgebildet und verstärkt werden zu können.
Heutzutage haben wir die Wahl zwischen diversen Unterrichtsmethoden und Stimmtechniken. Ihr solltet euch zunächst einmal überlegen welche Art Repertoire ihr erlernen möchtet. Wenn euch klassische Musik interessiert, seid ihr wahrscheinlich bei einem Lehrer, der nach klassischer Technik unterrichtet am besten aufgehoben. Wenn ihr allerdings Pop, Rock, Soul oder Jazz u.a. singen möchtet macht es mehr Sinn zu jemandem zu gehen, der oder die sich auch mit den Stimmklängen aus diesen Genres auskennt.
Viele Vocal Coaches, die die populären Stile unterrichten haben heutzutage Zugriff auf aktuelle Methoden, die nachweislich auf stimmschonenden Techniken basieren. So wie zum Beispiel das Estill Voice Training (EVT) oder die Complete Vocal Tecnique (CVT). Aber es gibt auch andere gut funktionierende Methoden, die vielleicht etwas weniger “technisch” sind, aber dafür mehr mit Bildern, Wahrnehmung und Atmung arbeiten. Fragt am besten nach mit Hilfe welcher Methode der Coach arbeitet und probiert Verschiedene aus. Ein wirklich versierter Vocal Coach kann Euch alle Stimmklänge, auch die aus der Opernwelt beibringen.
5. Gleiches Geschlecht
Aus meiner Erfahrung ist es nicht so wichtig, dass ein Mann einen Mann und eine Frau eine Frau unterrichtet. Alle Kombinationen gehen. Ihr solltet eher im Kopf mit Eurem Vocalcoach “clicken”, als dass ihr stimmlich ein Abbild von Euch hören könnt. Ein guter Vocalcoach sollte Euch aber auf die Unterschiede von Männer- und Frauenstimmen hinweisen und die etwaige stimmliche Andersartigkeit durch gute Erklärungen wettmachen.
6. Wenn die Chemie nicht stimmt
Wie in der Liebe passen manche Menschen einfach nicht zusammen. Und so kann es vorkommen, dass zwischen euch und eurem Coach die Chemie einfach nicht stimmt. Wenn ihr nach der ersten Stunde unsicher seid, nehmt noch ein paar weitere Stunden, um euch ein Urteil zu bilden und entscheidet Euch dann. Dafür muss es aber die Möglichkeit geben. Manche Coaches versuchen recht schnell, einen Vertrag mit ihren Schülern aufzusetzen. Generell sind vertragliche Bindungen ok, aber bitte nicht schon nach der ersten Stunde!
Der innere Rahmen: Diese Punkte sollte eine gute Gesangsstunde abdecken
7. Sympathie
Singen ist eine extrem persönliche Äußerung die ihr, nach anfänglicher, natürlicher Aufgeregtheit gerne vor eurem Coach machen solltet. Singen ist auch viel Psychologie. Viele stimmliche Blockaden fangen im Kopf an. Deswegen sollte euch der Mensch, der euch unterrichtet, wirklich sympathisch sein.
8. Wohlfühlfaktor
Gesang braucht Raum. Habt ihr genug Platz? Könnt ihr ohne Bedenken und Einschränkungen so ungezwungen und / oder laut singen wie ihr möchtet?
9. Verständnis
Habt ihr das Gefühl, euer (spezielles) Anliegen wird von der anderen Seite verstanden? Interessiert sich euer Coach für eure Unterrichtswünsche (bessere Technik, mehr Farben oder besserer Stimmsound etc)? Werden sie anschließend im Unterricht behandelt?
10. Eigene Stimme
Viele Sänger/innen haben Bedenken, sich in die Hände eines Gesangslehrers oder einer -lehrerin zu begeben. Sie fürchten, dass ihre Stimme verändert wird und sie nicht mehr so klingt wie sie klingen soll. Ein guter Vocalcoach geht auf das Spezielle in eurer Stimmfarbe und eure Art zu singen ein. Die Technik sollte auf euer Alleinstellungsmerkmal abgestimmt werden, um euren eigenen Stil zu entwickeln.
11. Vorsingen
Um euch vernünftig einschätzen zu können, muss euer Vocalcoach euch hören. Deswegen wird er oder sie euch vielleicht bitten, schon in der ersten Stunde etwas vorzusingen. Dabei geht es nicht um den perfekten Vortrag und eine Castingsituation. Noch nicht einmal um ein ganzes Lied. Ein Ausschnitt reicht. Wenn ihr blutige Anfänger seid, scheut euch nicht ein Kinderlied zu nehmen. Singt das Lied so, wie ihr es auch alleine singen würdet. So bekommt euer Coach einen guten Eindruck von eurer Stimme.
12. Check Up
Am Anfang sollten einmal kurz die Gesangsbasics gecheckt werden. Wie wird geatmet? Wie groß ist der Stimmumfang, wie gut ist das rhythmische Empfinden etc. Anschließend wird das Ergebnis mit eurem Lernwunsch verglichen und ein erstes, individuelles Lernprogramm daraus entwickelt.
13. Technik & Ausdruck
Technik und Ausdruck sind gleichberechtigte Faktoren, die gleich viel Zeit brauchen, um entwickelt zu werden. Wir sind nicht der Ansicht, dass die Technik vor dem Ausdruck trainiert werden sollte. Beide Anteile bilden ja auch keinen Widerspruch, sondern ergänzen sich.
14. Anatomie
Ein guter Vocalcoach sollte euch auch die anatomischen Zusammenhänge erklären können, damit ihr Gesangstechnik besser versteht. So könnt ihr in Zukunft neue Informationen besser einsortieren.
Zusätzlich könnt ihr euch selber informieren. Es ist auf jeden Fall von Nutzen, wenn ihr bereits ein Bild von eurem Instrument Stimme habt, bevor ihr zum Gesangunterricht geht. Detaillierte Fragen sollten dann vom Vocal Coach beantwortet werden.
15. Bilder
Gesangstechnik funktioniert viel über Bilder, weil komplexe technische Zusammenhänge damit effektiv zusammengefasst werden können (z.B. „schnurre wie ein Kätzchen“ oder „Du bist ein Ölfass“). Die Bilder eures Coaches müssen aber nicht die richtigen für euch sein. Modifiziert euer Coach die Bilder so lange, bis sie für euch individuell stimmig sind?
16. Besseres Körpergefühl
Guter Gesangsunterricht trainiert auch das Bewusstsein für euren Körper. Gesangsübungen sind manchmal ein bisschen wie Yogaoder Sport. Denkt immer daran: Sänger/innen sind wie Sportler. Also setzt eure Körper genauso aktiv ein, wie Sportler/innen. Dehnübungen zum Beispiel helfen immens, eure Stimme besser klingen zu lassen. Aber nicht nur die äußeren Körperbereiche gilt es beim Singen zu kontrollieren. Auch die Funktionselemente in eurem Kehlkopf und Vokaltrakt könnt ihr mit etwas Geduld und Konzentration erspüren lernen. So findet ihr heraus welche Muskelarbeit wichtig für das Singen ist, und wo ihr Muskelverspannungen vermeiden solltet.
17. Zu Hause üben
Habt ihr wirklich verstanden, was der Kern der Stunde war? Wofür die Übungen, die ihr zu Hause weiterüben sollt, gut sind? Hat euer Vocalcoach darauf geachtet, euch das am Ende noch einmal gut zusammen zu fassen? Ihr solltet motiviert aus einer Stunde gehen und Spaß am Üben haben, um das Maximum aus euch herauszuholen.
18. Zeit
Natürlich dürft ihr keine Wunder erwarten. Fühlt ihr euch bei eurem neuen Vocalcoach grundsätzlich wohl, gebt ihm oder ihr Zeit, euch zu verbessern. Nicht alle Gesangsprobleme lassen sich nur durch richtiges Verständnis „mal eben“ lösen. Manchmal dauert der Weg zur Verbesserung ein paar Stunden oder ein paar Monate. In dieser Zeit wird eure Stimme Stück für Stück zum Ziel geführt.
Viel Erfolg wünschen euch Catharina und Ulita