Durch Hirnstrommessungen ist es Forschern gelungen, einen Song von Pink Floyd zu rekonstruieren. Die Technologie könnte irgendwann eine Kommunikation ohne Worte ermöglichen.
Während 29 Patienten auf ihre Epilepsieoperationen vorbereitet wurden, spielte es im Krankenhaussaal die Akkorde von Pink Floyds ‘Another Brick in the Wall, Part 1’. Das Forschungsteam wollte damit nicht nur die Anspannung vor der OP lindern, sondern auch ein spannendes Experiment durchführen. Während es Zeilen wie ‘We don’t need no thought control’ spielte, wurde die elektrische Aktivität von Hirnregionen erfasst, die auf Eigenschaften der Musik – Ton, Rhythmus, Harmonie und Worte – reagieren.
Seit zehn Jahren arbeiten Forscher der University of California in Berkeley an Messungen zur Analyse von Hirnströmen. Dem Team aus Berkeley ist nun ein großer Meilenstein gelungen. Durch die Elektrodenmessungen konnten nachträglich Teile des Songs mit Hilfe eines Computers rekonstruiert werden. “Es ist ein wunderbares Ergebnis”, sagt Robert Knight, Neurologe und Professor für Psychologie am Helen Wills Neuroscience Institute der UC Berkeley, der die Studie zusammen mit seinem Postdoktoranden Ludovic Bellier durchgeführt hat.
Laut den Forschern zeigt die Rekonstruktion, dass es möglich ist Hirnströme aufzuzeichnen und zu übersetzen, um neben den Silben auch die musikalischen Elemente der Sprache zu erfassen. Laut ihnen tragen die musikalischen Elemente – Rhythmus, Betonung, Akzent und Intonation – eine Bedeutung, die Worte allein nicht vermitteln. “Eines der Dinge, die ich an Musik mag, ist, dass sie eine Prosodie [musikalische Elemente] und einen emotionalen Inhalt hat”, sagt Knight dazu.
Sowohl Rhythmus als auch Worte sind wiedererkennbar
Um die Qualität der Ergebnisse besser einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf den ersten Teil der Triologie ‘Another Brick in the Wall’ aus dem Pink Floyd-Album ‘The Wall’ aus 1979.
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Hier gibt es das Original.
Zum Vergleich die rekonstruierte Fassung der Forscher.
In dem rekonstruierten Lied sind die Worte zwar undeutlich, aber es lässt sich die bekannte Phrase “All in all it was just a brick in the wall” wiedererkennen. Dazu ist der Rhytmus vergleichbar mit dem Original. Das ist laut den Forschern das erste mal, das ein wiedererkennbares Lied aus Gehirnaufnahmen rekonstruiert wurde. Ein großer Meilenstein!
Neue Möglichkeiten für Personen mit Sprechproblemen
Das Team aus Berkeley sieht in dieser Technologie die Chance, Menschen mit Sprechproblemen bei der Kommunikation zu helfen. Dies betrifft vor allem Schlaganfallpatienten oder Menschen mit Lähmungen. Durch diese Methode wäre es möglich, die Musikalität der Sprache wiederzugeben, die in den aktuellen roboterartigen Rekonstruktionen fehlt. Man denke hierbei an die Roboterstimme von Stephen Hawking. So eine Stimme würde mit einer emotionalen Tonalität viel menschlicher klingen.
“Im Zuge des Fortschritts auf dem Gebiet der Gehirn-Maschine-Schnittstellen bietet dies eine Möglichkeit, zukünftige Gehirnimplantate für Menschen mit ALS oder anderen neurologischen oder entwicklungsbedingten Störungen, die die Sprachausgabe beeinträchtigen, mit Musik zu versehen”, sagt Robert Knight dazu. “Damit kann man nicht nur den sprachlichen Inhalt, sondern auch einen Teil des prosodischen Inhalts [musikalischen Elemente] der Sprache, einen Teil des Affekts entschlüsseln. Ich glaube, das ist es, was wir wirklich zu entschlüsseln begonnen haben.”
Ist bald Gedankenübertragung möglich?
Falls sich die Technologie verbessert, könnten in Zukunft Gedanken durch Kopfhautelektroden übertragen werden. Solche Elektroden können derzeit verwendet werden, um die Wahl eines einzelnen Buchstabens aus einer Reihe von Buchstaben zu signalisieren. Allerdings dauert es aktuell rund 20 Sekunden, um jeden Buchstaben zu identifizieren. Bei einer Optimierung könnten sich Menschen mit einem Computer synchronisieren, um Texte aus den Gedanken zu übermitteln. Ist dadurch eine Steuerung durch Gedanken möglich? Laut Bellier durchaus vorstellbar.
“Es geht wirklich darum, Reibungsverluste zu verringern und den Menschen zu ermöglichen, einfach zu denken, was sie tun”, sagte Bellier. Ein Beispiel: “Man könnte denken: ‘Bestelle meinen Uber’, und man muss das, was man gerade tut, nicht zu Ende bringen – der Uber kommt.”
Die Technologie ist noch nichts für die Masse
Das Uber-Beispiel erinnert im ersten Moment eher an eine Dystopie als an eine rosige Zukunft. Ganz so einfach wird sich die Technologie allerdings nicht auf die Massen übertragen lassen. Für die Studie war nämlich die intrakranielle Elektroenzephalografie (iEEG) notwendig, bei der Elektroden operativ durch den Schädel bis an die Hirnoberfläche geführt werden. Anders wäre es den Wissenschaftlern nicht möglich gewesen, bis an das Hörzentrum der Probanden zu kommen.
Dennoch sollte man sich bereits jetzt über möglichen Missbrauch der Technik Gedanken machen. Laut Bellier wäre es eine Lösung, wenn die Daten beim drahtloses EEG automatisch verschlüsselt werden. “Wir stehen an der Schwelle zu vielen Dingen – der Verschmelzung von Neurowissenschaften und Computertechnik, und in vielerlei Hinsicht ist der Himmel die Grenze”, sagte er. Und Knight fügte hinzu: “Ich glaube, wir stehen kurz davor, diese ganze Geschichte zu kitzeln.”
Weitere Informationen zu den Ergebnissen gibt es in dem Artikel der UC Berkeley. In dem dazugehörigen wissenschaftlichen Artikel befinden sich alle Details dazu.