Wizdom Music LLC Jordantron bei bonedo im Test – Bands, die gleichermaßen Ausnahmegitarristen wie Keyboardvirtuosen von Weltklasse beherbergen, sind rar. Dream Theater ist eine davon und trotz der omnipräsenten Saitenakrobatik von John Petrucci kommen hier auch die Freunde von Keyboard-Klängen definitiv nicht zu kurz – dank eines gewissen Jordan Rudess.
Dieser ist in Bezug auf musikalische iOS-Anwendungen zudem sehr umtriebig und entwickelt bereits seit einigen Jahren Apps mit seiner Firma Wizdom Music LLC. „Jordantron“ ist der Name der neuesten Errungenschaft, welcher (Semantik-Profis aufgepasst!) anscheinend eine Kombination aus seinem Vornamen und „Mellotron“, der Mutter aller Sampler, ist. Wir haben es also mit einem Sample-Player auf Basis der hier bereits getesteten App Mellotronics M3000 von Omenie zu tun. Ist Jordantron nun eine App zum Träumen oder ist das alles bloß Theater?
Details
Das Prinzip hinter Jordantron ist simpel: Der Maestro hat seine bewährten Sounds gesampelt, darunter viele Layer von Hardware-Klangerzeugern der Dream Theater Live Setups. Hiervon stehen in der App nun 57 Stereo-Instrumente zur Verfügung, wovon je drei Instrumente (Voice A, B, C) in einer der 32 sogenannten Voicebanks wiederum gelayert oder übergeblendet werden können.
Zusätzlich kann bei Bedarf ein weiteres Instrument (Voice D) im sogenannten Pad-Mode oder über einen separaten MIDI-Kanal gleichzeitig gespielt werden. Die Editiermöglichkeiten sind im wahrsten Sinne des Wortes sehr übersichtlich. Neben der Layering- und Überblendmöglichkeit der Voices A, B, C (welche sinnvollerweise dem Modulation-Controller zugewiesen ist und sogar per Aftertouch eines externen Controllers gesteuert werden kann) gibt es noch die folgenden klangverändernden Parameter:
- Volume
- Pitch
- Tone (Highshelf EQ)
- Voice D Level
- Reverb Send
- Reverb Tone (High Cut Filter des Halls)
- Reverb Space
Und das war es …fast!
Der Pitch-Parameter dient im Gegensatz zur authentischen Omenie Mellotron-Emulation nicht etwa der Feinstimmung des Sounds, sondern als Pitch-Bender. Nach dem Loslassen des Reglers springt er von alleine zurück und reagiert auch auf Pitchbend-Befehle externer Controller. Bei aktivierten „Zaubermodus“ (angeklickter Zauberer/links oben) wird die negative Pitchbend Range von zwei Halbtönen auf eine Oktave erweitert, um sogenannte Dive-Effekte zu erzeugen. Die weiteren Parameter sollten selbsterklärend sein.
Für dich ausgesucht
Bei Betätigung des Pad-Mode-Buttons offenbart sich ein weiterer Klangparameter namens „1/2 Speed“. Dieser bewirkt genau das, was drauf steht: Die Samples werden in halber Geschwindigkeit ausgelesen, was einer Oktavierung nach unten entspricht und während des Spielens interessante Pitch-Effekte oder konstante Lo-Fi-Effekte sorgt. Hören wir doch mal rein! In der ersten Hälfte des folgenden Audiobeispiels wurden zusätzlich zum 1/2-Speed-Mode die Voices per Modulationsrad übergeblendet.
Ein weiteres Feature ist der Mode, welcher das Spielen von speicherbaren Akkorden über zwölf Pads ermöglicht. Gleichzeitig kann man über das virtuelle oder auch ein externes Keyboard die Voices A, B, C ansteuern. Auf diese Weise ist das nächste Audiobeispiel entstanden.
In Audiobeispiel 03 habe ich sieben der insgesamt 32 Voicebanks kurz angespielt.
Was gefällt?
Die Jordantron-Sounds sind musikalisch sehr gut spielbar und machen häufig gleichzeitig ihren Job als Pad und auch in Staccato-Spielweise sehr ordentlich. Als Keyboard-Nerd erfreut man sich zudem am Erkennen und Einsetzen der verwendeten hochwertigen, zeitlosen und stilprägenden Hardware. Der 1/2-Speed-Mode sorgt für eigenständige Performance- und Lo-Fi-Effekte; die hohe Polyphonie des Jordantron sollte den meisten Keyboard-Anwendungen locker gerecht werden. Eine genaue Dokumentation der Stimmenzahl konnte ich nirgends ausfindig machen, einen „Stimmenklau“ bei hochgradig polyphonen Akkord-Clustern aber ebenso wenig!
Was gefällt nicht?
Die Klangqualität ist okay und durchaus professionell verwendbar, haut mich aber nicht wirklich vom Stuhl. Eine konkrete Information zum Audioformat sucht man vergeblich. Angesichts der für iPad-Verhältnisse recht hohen Datenmenge des Sample-Contents von knapp einem Gigabyte hätte man vielleicht auf einige der relativ ähnlich klingenden Samples zu Gunsten einer höheren Audioauflösung verzichten können, um den in weiten Teilen tollen Klangkreationen von Jordan Rudess noch gerechter zu werden. Zudem vermisse ich definitiv eine Lautstärken-Hüllkurve für eine noch atmosphärischere Verwendung der Flächensounds.
Die Kompatibilität von Jordantron zu den etablierten iOS-Standards ist gegeben und ermöglicht die problemlose Einbindung der App innerhalb iPad-typischer Musikanwendungen. Durch die Möglichkeit, Voice A/B/C und Voice D auf zwei separaten MIDI-Kanälen ansteuern zu können empfiehlt sich das Jordantron auch besonders für den Live-Einsatz.
Fazit
Dass eine Musiker-Koryphäe wie Jordan Rudess sich derart in musikalischen iOS-Anwendungen engagiert, unterstreicht den wachsenden Status des iPad als ernstzunehmendes Musikinstrument. Im Vergleich zu anderen iOS-Klangerzeugern erscheint das Wizdom Music LLC Jordantron vor allem optisch ein wenig „Nintendo Old School“ und verlangt auch durch das Weglassen von Helfern wie Step-Sequenzern, Arpeggiatoren und dergleichen ein Mindestmaß an eigener Musikalität, das hat bekanntlich aber noch niemandem geschadet! Trotz rudimentärer Klangformungsmöglichkeiten füllt die App durch ihre Soundauswahl eine meines Wissens unbesetzte Nische aus und stellt damit definitiv eine Bereicherung für die wachsende Gemeinde der iPad-Musiker dar.
PRO- Signature-Sound
- musikalisch gut verwendbar
- hohe Polyphonie
- zweifach multitimbral
- komplette Einbindung in wichtige iOS Standards
- keine Hüllkurve für Lautstärke
- puristische Klangveränderungs-Möglichkeiten
- iOS Sample Player App für Apple iPad
- 57 Stereo Sample Instrumente (teilweise anschlagdynamisch)
- 940MB Content
- 32 Voicebanks
- Half-speed Tape Mode
- Stereo Reverb
- 12 Chord Pads
- Kompatibel zu Core MIDI, Interapp-Audio, Audiobus 2
- EUR 8,99 (App Store)
- Signature-Sound
- musikalisch gut verwendbar
- hohe Polyphonie
- zweifach multitimbral
- komplette Einbindung in wichtige iOS Standards
- keine Hüllkurve für Lautstärke
- puristische Klangveränderungs-Möglichkeiten