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Woran man erkennt, dass eine Mischung über Kopfhörer gemacht wurde – und wie Du diese Fehler vermeiden kannst

Projekt- und Heimstudios gibt es mittlerweile in Hülle und Fülle. Seit die Technik allgemein erschwinglich und bezahlbar ist, statten sich viele mit der entsprechenden Aufnahmetechnik aus, um ihren Traum von der eigenen Musikproduktion wahr zu machen. 

(Foto: Nejron Foto @ Fotolia)
(Foto: Nejron Foto @ Fotolia)

Doch oft muss man sich mit zahlreichen Kompromissen herumschlagen. So greift man beim Abhören schnell zum günstigen und – so scheint es – unproblematischen Kopfhörer. Dadurch entstehen viele halbgare Mixes, die mit etwas mehr Know-How um Längen besser werden könnten. Wir zeigen typische Fehler auf und geben Tipps, wie du diese vermeidest.
Aller Anfang ist schwer und die ersten Mixdown-Gehversuche finden im Wohn- oder Arbeitszimmer in der Mietwohnung statt. Da gibt es gleich verschiedenerlei Probleme. Meist ist es schwer, die Räume akustisch entsprechend zu behandeln. Mischt man neben dem täglichen Job, kommt man oft nur abends dazu und darf niemanden stören – Nachbarn, Freundin oder gar Kinder. Zudem kann eine gute Abhöre mal eben dasselbe kosten, das man für sein gesamtes Recording-Equipment insgesamt ausgegeben hat. Mit dem Griff zum Kopfhörer scheinen viele der Probleme mit einem Mal gelöst: Raummoden, Ruhestörung und keine nervigen, hässlichen Akustikelemente in der Wohnung, in der man sich ja auch heimisch fühlen will. Doch bei allen Vorteilen birgt diese Herangehensweise auch unscheinbare Risiken, die sich in der Mischung für viele nur gefühlt, jedoch nicht betitelbar bemerkt machen. Daher ist es zunächst ratsam, die Ungereimtheiten zu identifizieren und benennen zu können.

Inhalte
  1. Problem 1: Der Mix klingt flach
  2. Problem 2: Die Mischung wirkt eng und unausgewogen
  3. Problem 3: Fehlt da nicht etwas Hall?
  4. Problem 4: Der Gesamtklang ist sehr spitz
  5. Problem 6: Ein Instrument klingt irgendwie komisch oder verschwindet im Mix
  6. Was ist also zu tun, wenn mit Headphones gemischt werden muss?

Problem 1: Der Mix klingt flach

Das ist wohl das Häufigste, was der Mischer nach einem Kopfhörer-Mix zu hören bekommt: Es fehlt dem Mix an Leben und an räumlicher Tiefe. Das liegt daran, dass unter dem Kopfhörer die Raumwahrnehmung anders funktioniert, denn jeder Kanal ist schließlich vom anderen abgekapselt. Eine gute Kanaltrennung ist zwar bei Verstärkern wünschenswert, aber beim Mischen ein Ärgernis. In einer natürlichen Hörumgebung, wie sie von Lautsprechern nachgebildet wird, stellt sich diese Problematik nicht. Hier erreicht der Schall jedes Lautsprechers immer beide Ohren, das jeweils andere ein wenig zeitverzögert. Diese Form des Stereo, genannt „Laufzeitstereofonie“, machen sich Mikrofonierungsarten wie das AB-Prinzip zunutze. Sie ist für unser Gehirn unter anderem verantwortlich für die Entstehung eines Raumeindrucks. Fehlt diese Information, ist die Tiefenwirkung nur eingeschränkt wahrnehmbar. Elemente im Mix klingen dann im Stereo-Panorama wie aufgefädelt.

Oft ein Problem bei Kopfhörermischungen: Die Musiker scheinen wie nebeneinander aufgereiht. Es fehlt die Tiefe. (Foto: Segey Nivens @ Fotolia)
Oft ein Problem bei Kopfhörermischungen: Die Musiker scheinen wie nebeneinander aufgereiht. Es fehlt die Tiefe. (Foto: Segey Nivens @ Fotolia)

Problem 2: Die Mischung wirkt eng und unausgewogen

Nicht nur die Tiefenwirkung leidet unter einer Mischung via Kopfhörer. Auch auf das Panorama kann sich das fehlende Stereobild ungünstig auswirken. Gerade unerfahrene Mixing-Engineers vermeiden hier harte Pannings nach ganz links oder ganz rechts, sondern gehen tendenziell ein Stück nach innen, um ein wenig Signal von rechts auch auf der linken Seite zu haben. Auf Lautsprechern fehlt dann hingegen die komplette Breite und sämtliche Instrumente rutschen in Richtung Mitte ab. Hier befindet sich in der Regel die Lead-Stimme. Unterm Kopfhörer scheint sie sich direkt in unserem Kopf auszutoben (Das Fachwort dafür ist „Im-Kopf-Lokalisation“) und ist daher präsent und nah. Im Boxen-Setup schiebt sie sich hingegen hinter die anderen Instrumente und hat Schwierigkeiten, sich zu behaupten, da ihr der Platz in der Mitte fehlt.

Problem 3: Fehlt da nicht etwas Hall?

Tatsächlich ist es so, dass Kopfhörer – zumindest ab einer bestimmten Preisklasse – sehr detailliert arbeiten. So können feinste Nuancen wahrgenommen und Störgeräusche schnell identifiziert werden. An und für sich ist das ein Vorteil, allerdings kann sich dieser auch leicht zum Nachteil entwickeln. Man sitzt länger am Material und behebt Fehler, die letztlich im Mix ohnehin verschwinden würden. Außerdem dosiert man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit seine Hallräume sehr vorsichtig, da sie über Kopfhörer äußerst präsent werden. Ähnlich verhält es sich mit Zischlauten. Diese stechen unterm Kopfhörer unter Umständen stark hervor. So neigt man dazu, einen De-Esser stärker einzustellen und zerfährt sie somit in der Mischung – wodurch beispielsweise ein „s“ wie ein „f“ klingen kann. 

Problem 4: Der Gesamtklang ist sehr spitz

Ein anderes Extrem sind höhenarme, stumpfe und detailarme Kopfhörer. Gerade sehr preisgünstige Modelle können nicht den gesamten Frequenzbereich darstellen und der Frequenzgang fällt zu den Höhen hin stark ab. Als Tonmensch wird man versuchen, sich auf sein Gehör zu verlassen und intuitiv gegensteuern. Demnach werden die Höhen auf anderen Systemen überdeutlich dargestellt und können beim Hörer je nach Lautstärke für Unwohlsein bis hin zum physischen Schmerz sorgen.

Problem 5: Der Bass erscheint drucklos, aber er dröhnt

Die Physik gebietet allein schon bei der Membrangröße und dem verfügbaren Volumen gewisse Einschränkungen des Bassbereichs bei Kopfhörern. So wird das Frequenzspektrum nicht bis ganz nach unten dargestellt, sondern die untere Grenzfrequenz liegt ein wenig höher. Es kann also sein, dass vorhanden Sub-Bässe nicht wahrgenommen und dementsprechend nicht gezähmt beziehungsweise eliminiert werden. Hört man das Werk dann auf einer kräftigen Anlage mit Subwoofer, dröhnt einem der Bass nur so um die Ohren. Viele Hersteller versuchen, dem schwachen Bassbereich mit einer Anhebung desselben zu begegnen. Im Gegensatz zum Studio-Kopfhörer, der auf einen linearen Frequenzgang abzielt, gibt es im Consumerbereich einige Modelle, die den Bass besonders hervorheben, um einen gewissen „Boom“-Effekt zu erzielen. So wird allerdings gerade der wichtige Bass im Bereich zwischen 80 und 250 Hertz als zu laut wahrgenommen und unter Umständen abgesenkt, was dem Mix den Druck und den Tiefgang nimmt. Im ungünstigsten Fall verschenkt man die Energie der gewünschten Magengrubenfrequenzen an Tiefbässe, die auf vielen Systemen überhaupt nicht hörbar und mit einem Subwoofer einfach störend sind. 

Problem 6: Ein Instrument klingt irgendwie komisch oder verschwindet im Mix

Durch die akustische Trennung beider Kanäle hört man auf Kopfhörern – übertrieben dargestellt – kein Stereo, sondern Dual-Mono. Dies wirkt sich nicht nur auf die Rauminformationen aus, sondern auch dazu, dass eventuelle Phasenüberlagerungen zwischen links und rechts nicht stattfinden. Hört man das Ganze auf Lautsprechern, treffen die Schallwellen beider Kanäle aufeinander und können nun zu teilweiser oder im schlimmsten Fall sogar vollständiger Auslöschung bestimmter Frequenzen führen. Diesen Effekt nennt man „Phasing“. Der wird unter Umständen zwar gezielt genutzt, aber als unwillkürliches Phänomen im Mix hat er nichts zu suchen.

Problem 7: Da ist so ein Pumpen…

Vielleicht kennst du das: So mancher Mix klingt, als würde die Lautstärke in einem bestimmten Takt schwanken. Auf einen kräftigen Bassdrum-Schlag wird der Rest der Musik zurückgefahren und danach langsam wieder in den Vordergrund gerückt. Es fühlt sich an, als würde die Musik „pumpen“. Dieses Phänomen tritt auf, wenn Kompressoren oder Limiter falsch eingestellt wurden. Zugegeben: Dieses Problem haben nicht allein Mischungen, die mit Kopfhörern gemacht wurden. Allerdings ermüden die Ohren durch die direkte Beschallung viel schneller als beim Abhören über Lautsprecher. Und müde Ohren nehmen Details weniger wahr und überhören gern zu starke Kompression auf der Suche nach den letzten paar dB, die man aus dem Mix noch rausholen könnte.

Was ist also zu tun, wenn mit Headphones gemischt werden muss?

Die meisten der genannten Problematiken lassen sich mit einem einzigen Punkt auf einen Schlag beheben: So oft es geht, sollte man auf einem Boxenpaar gegenhören. Es ist wichtig, sich Referenzen zu schaffen, auf die man sich verlassen kann. So gewinnt man an Erfahrung, was funktioniert und was nicht. Wichtig ist es, seine Systeme kennenzulernen und einen Workflow zu entwickeln, der funktioniert. Kennt man die Mankos eines Kopfhörers, lassen sich Fehler einfacher umgehen – vermeiden aber vermutlich niemals ganz. Um seine Abhöre kennenzulernen hilft es, sich Referenz-Mischungen anzuhören. Gerade mit Produktionen, die du persönlich gut kennst, wirst du schnell die Schwächen deines Kopfhörers identifizieren und kannst so zum Beispiel einem zu spitzen oder zu dumpfen Mix vorbeugen. Bist du dir nicht sicher, ob du richtig liegst, nimm dir den Referenz-Track ruhig immer mal wieder vor. Pass aber auf, dass du dich nicht verrennst und nicht versuchst, den Sound exakt zu kopieren. Schließlich hat jede Band ihren eigenen Klangcharakter.
Neben dem Kopfhörer sollte man sich selbst kennen und einschätzen können. Wichtig ist es, sich die Frage zu stellen: „Wie lange kann ich konzentriert arbeiten?“ Bevor man sich dessen nicht komplett sicher ist, ist es ratsam häufiger mal eine Pause einzulegen. Die Abhörlautstärke nicht zu hoch anzusetzen schont ebenfalls den Gehörgang. Für wen das Gegenhören keine Option ist, kann zu einem Kopfhörerverstärker mit Crossfeed-Option greifen. Diese geben einen Signalanteil vom linken Kanal mit kleiner Zeitverzögerung aufs rechte Ohr und umgedreht. Jedoch investiert man für ein entsprechendes Modell auch gern mal 1000 € und mehr. Für diejenigen unter euch, die also den Kopfhörer-Mix als kostengünstige Möglichkeit betrachten, scheidet diese Variante wohl eher aus.

Der Kopfhörer als Hauptinstrument ist nicht unbedingt ein “Don’t” – wenn man ein paar Dinge beherzigt.

Diverse Hersteller bieten auch Software-Lösungen an, welche einen Raum simulieren sollen. Hier sind als große Player beispielsweise Beyerdynamic mit Virtual Studio oder Waves mit Waves NX am Markt. Beide Programme werden als Plug-in in den Master-Kanal eingeschleift und sollen verschiedene Umgebungen mit einer Auswahl an Abhörmonitoren darstellen können. Waves geht mit NX sogar einen Schritt weiter und bietet ein Headtracking mittels Webcam an. So soll der Klang sogar bei der Drehung des Kopfes folgen und sich der Bewegung entsprechend verändern. Ohne dieses Feature kommt die Hardware-Lösung von Focusrite daher. Diese kann entweder per S/PDIF ins bestehende System eingebunden werden oder eigenständig als USB-Audio-Interface fungieren. Die Möglichkeiten sind vielfältig, doch egal, welche Tools du nutzt: Wichtig ist es, sich auf das eigene Gehör verlassen zu können. Hierfür sind viel Übung und Geduld erforderlich. Bis man an dem Punkt ist, von Erfahrungswerten profitieren zu können heißt es, immer wieder gegenzuchecken. Denn erst wenn ein Mix auf verschiedenen Systemen (ob nun Kopfhörer oder Boxen) gleich gut funktioniert, ist er wirklich gelungen.

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Close-up of boutique recording studio control desk.

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Henry sagt:

#1 - 27.08.2018 um 12:36 Uhr

0

Auch wichtig in diesem Zusammenhang (gilt auch für das Mischen mit oder ohne Kopfhörer): Projekt als Audiofile bouncen und immer wieder über verschiedene Lautsprecher anhören. Smartphone, Tablet, Bluetooth Lautsprecher, Autoradio, Stereoanlage, PA im Übungsraum und was sonst noch so erreichbar ist. Sehr laut aber auch sehr leise gegenhören ist auch hilfreich, um verschiedene Szenarien abzubilden. Und dann alles aufschreiben, was einem auffällt, eine Nacht drüber schlafen und wieder frisch an den mix setzen.

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