Das Smartphone ist die unangefochtene Nummer Eins in der Rangliste der ständigen Alltagsbegleiter. Und ohne die Problematik der digitalen Ambivalenz zu ignorieren, werde ich jetzt eine Lanze für eine Drum-Machine Smartphone App brechen. Denn wenn der Taschencomputer schon überall mit dabei sein darf, kann er sich durchaus auch jenseits von Telefon-, Internet- und Foto-Option als spielerischer Rhythmustrainer verwenden lassen!
Dass dabei meine Wahl auf die DM1 App aus dem Hause Fingerlab fiel, ist nicht dem Ergebnis einer ausgiebigen Recherche zum Thema “Programmierbare Rhythmusmaschinen” geschuldet – denn auch bei derlei Aktionen verpufft meiner Meinung nach viel zu oft kostbare Zeit – , sondern vielmehr die Schnittmenge persönlich gewünschter Parameter: Die App sollte für’s iPhone konzipiert, einfach programmierbar, Ableton LINK-fähig und preiswert sein.
Aber selbstverständlich lasse ich mich gerne an der Hand nehmen, um interessante Alternativen kennen zu lernen. Schreibt sie einfach unter den Workshop in die Kommentare.
Die folgenden Übungsideen richten sich übrigens nicht nur an Schlagzeuger und Percussionisten, sondern können von allen Musikern ausprobiert werden. Irgendwie sind wir ja alle Rhythmusmacher!
Workshop
Üben mit der App
Der große Vorteil gegenüber einem gleichmäßigen Puls, wie wir ihn vom mechanischen Metronom” target title=”(dessen Geschichte übrigens 1815 begann) und seinen Nachfolgern kennen, ist die Möglichkeit, schnell und einfach eigene Patterns zu programmieren.
Das kann irgendein Maschinen-Groove-Loop sein, der sich dank klassischer Signature-Sounds und vielseitiger Effektsektion spielerisch zu einem angenehm musikalischen Partner programmieren lässt und damit eine vertraute Situation schafft. Oder man legt seinen Übungen eine stilistisch passende Figur zugrunde, beispielsweise ein Clave oder Songo Pattern, wenn es ums Training im Latin-Kontext geht.
Des Weiteren bieten die verschiedenen Drumcomputer-Instrumente – es stehen je neun verschiedene Spuren aus insgesamt 99 Kits, nebst vielfältiger Klangmanipulation, zur Verfügung – nicht nur eine klangliche Abwechslung, sondern sie stellen auch verschiedene Frequenzen zur Auswahl, die je nach Umgebung für eine bessere Ortung sorgen können.
Last but not least lassen sich im DM1 mehrere Patterns zu Songs bzw. einer Arrangementhilfe verketten. Im folgenden Video demonstriere ich dir alle Schritte des Workshops.
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Die Rhythmusmaschine als erweitertes Metronom
Das Metronom an sich ähnelt einer vermeintlich langweiligen Stadt, deren versteckte Überraschungen erst entdeckt werden dürfen. So muss das monotone Ticken nicht unbedingt den Viertelschlägen entsprechen, die unser Gehirn auf Anhieb analysiert, sondern könnte ebenso die Offbeats, einen „2 und 4“ Backbeat oder gar eine Dreierverschiebung gegenüber den eigentlichen „beats per minute“ (bpm) markieren.
Eine Erkenntnis, die sich nun zur Stärkung des persönlichen Rhythmusbewusstseins verwerten lässt, indem wir versuchen, die regelmäßigen Klangmarker der Maschine als unterschiedliche Informationen zu deuten:
Ich wähle den Cowbell-Sound aus und programmiere vier Viertelnoten im Loop (wische dazu einfach mit dem Daumen den linken äußeren Rand der 16-Feld-Matrix herunter).
Als erstes höre ich diese Information wie angedacht als Viertelnoten – das ist angenehm, weil gewohnt – und spreche gemäß der Weisheit „can’t sing, can’t play“ erstmal laut meine Übung dazu, am liebsten mit dem funktionalen Fantasiewort „chid“ aus der Trickkiste des geschätzten Benny Greb. Anschließend klopfe oder musiziere ich die Aufgabe.
Wenn das gut und unangestrengt funktioniert, entferne ich in diesem Setting durch Antippen die Einträge auf der ersten und dritten Zeile, um zu spüren, wie sich ein reduzierter „2 und 4“ Taktgeber anfühlt: Er lässt deutlich mehr Interpretationsspielraum, erfordert anderseits aber auch mehr Konzentration, um nicht aus dem Taktrahmen zu fallen.
Wir gehen zurück zum Viertel-Loop, wollen diesen jetzt aber als Achtel-Offbeat hören. Dies gelingt auf unterschiedliche Weise:
Ich schalte das Metronom ein, zähle laut in Achteln dazu (1 + 2 + 3 + 4 +), stoppe die App, ohne dabei das Zählen zu unterbrechen und starte die Drum Machine erneut – jetzt aber auf einem der „und“ Werte.
- sollte die Gehirnleistung schnell bzw. punktgenau erfolgen, so zähle ich die ersten vier Schläge als Viertel, starte aber bereits auf der „4 +“ mit der neuen 1. Dadurch entsteht ein Siebenachteltakt, bei dem sich der Click alle zwei Takte ins Off verschiebt.“
Wenn sich das alles eher seltsam anfühlt, nähere ich mich diesem „Dreh“ mit einem Zwischenschritt: Ich programmiere meine Cowbell derart um, wie ich sie hören möchte, also auf die Achtel-Offbeats, und ergänze eine Orientierungsspur – zusätzliche Viertelnoten mit einen dezenteren Klang (beispielsweise hoch gepitchte Closed Hi-Hat). Ich starte die App, zähle laute Viertel- oder Achtelnoten dazu und drücke irgendwann aus meiner sicheren Position den Solo-Schalter der Cowbell-Spur…
Als weitere Übung versuche ich – ganz Jazzer – den Metronomklang als „2 und 4“ zu hören: Spreche erst einmal abwechselnd „zwei“ und „vier“ parallel zum Klang und mogle zwischen diese Säulen noch die fehlenden Viertel:
Dabei bitte folgende drei wichtige Sachen nie vergessen:
1. Es ist ein Lernspiel!
2. Du bist der Herr über die Maschine
3. The Click is Your Friend!
Stress hat hier keinen Platz (siehe auch Oli Rubow „E-Beats am Drumset“ LEU, Seite 98)
Vorteil der Programmierbarkeit: spannende Tunnelfahrten
Versetzte dich gedanklich in eine Autofahrt, bei der das Radio spielt. Jetzt läuft ein Song, den du magst, und du trommelst ganz vertraut auf dem Lenkrad (oder als Beifahrer auf den Schenkeln) mit. Ungeschickterweise fährst du auf einen Tunnel zu. Anfänglich ist die Musik noch hörbar, der Empfang verschlechtert sich jedoch zunehmend, bis er in purem Rauschen aufgeht – könnte eine ärgerliche Situation sein, du aber nimmst sie sportlich, indem du den Song im Kopf weiterlaufen lässt und den Lenkrad-Backbeat hältst. Yeah, jetzt dämmert auch schon das „Light at the end of the Tunnel“, die Musik kommt zurück, und deine Rhythmusspur ist gar nicht so weit vom Original entfernt…
Da ähnliche Herausforderungen bestimmt immer wieder mal aufpoppen werden, trainieren wir unsere „inner clock“ mit einem längeren Clicktrack-Pattern, welches zum Ende hin verstummt.
Und das bringt’s! Denn als Drummer bist du der Pulsgeber, „Bus- und nicht Beifahrer!“ – endlich konnte ich nun mal diesen schönen Merksatz meines Proberaum-Buddies Andreas Neubauer unterbringen.
in klarer Fall für den Song-Modus der App. Dort lassen sich bis zu zwölf verschiedene Patterns verketten und das gesamte Gebilde loopen.
Also programmiere ich neben unserer Viertel-Kuhglocke (Pattern 1) noch ein weiteres, komplett stummes (engl. Mute) Pattern 2. Und teste mein inneres Metronom mit folgenden Arrangements:
Dass sich dabei in der Position „Click“ nicht nur Viertelnoten, sondern auch jegliche zuvor erwähnte Spielereien einsetzen lassen, versteht sich von selbst.
Oder wir gehen noch einen Schritt weiter und programmieren ein Question & Answer Spiel, bei dem im ersten Takt die Maschine vorgibt, was du rhythmisch im folgenden stummen Takt nachtrommeln sollst.
Dehnung zwischen den metrischen Schwerpunkten, nennen wir es Shuffle oder Swing?
Nach den folgenden Zeilen von Hans Nieswandt müssen wir unbedingt noch den „Schaffel-Regler” der App entdecken: „Schaffel hat eine andere rhythmische Betonung als die schnöde Vierviertel-Pauke von Techno, House und Disco. Schaffel zählt man in Sechzehnteln. Wer sich eine Vorstellung davon machen will, wie es klingt, wenn es so richtig abschaffelt, kann gut zu einer der diversen “Schaffelfieber”-Compilations greifen. Er kann aber auch einfach eine Platte von Status Quo auflegen.“ Hans Nieswandt “Disco Ramallah” (KIWI 933, Seite 21)
Swing Feel mit der DM1
Programmiere einen durchlaufenden Sechzehntel-Puls. Übe dazu die verschiedenen Rudiments und Akzentspielchen. Wenn das rund und tight läuft, betätigst du den Swing-Slider der App (0% entspricht dabei den geraden Sechzehnteln, 100% Sechstolen, ohne den zweiten und fünften Notenwert), wobei mit höherer Prozentzahl jeweils die zweite und die vierte Sechzehntelnote nach hinten verschoben wird. Jetzt musst du die Ohren gut öffnen und deine gespielten Sechzehntelnoten an die Vorgabe anpassen.
Die Begriffe Shuffle und Swing können insofern für Verwirrung sorgen, da sie sowohl für eine Stilrichtung als auch für einen Spielauftrag stehen können. Um klar zu machen, dass es um die rhythmische Gestaltung geht, spreche ich daher lieber vom Shuffle- oder Swing-Feel (oder -Faktor). Zudem möchte ich noch auf die Besonderheit hinweisen, dass im Swing notierte Achtelnoten i.d.R. ternär interpretiert werden, als „Triolen mit fehlender Mitte“ (swung eights).
Mit diesem Wissen schnappst du dir irgendeine einfache, auf Achteln basierende (Sightreading) Literatur (siehe Übungsgrundlagen) und schwingst, äh trommelst, alle Achtelnoten „jazzmäßig“ auf Basis der Shuffle-Triolen. Um die verschiedenen Shuffle-Grade der DM-1 App nutzen zu können, musst du den programmierten 16tel Puls nun als Achtelnoten hören.
Fazit
Unterm Strich gibt es hier für 99 Cent einen Menge Spielspaß. Darüber hinaus lässt sich die DM1 auch drahtlos mit Ableton verLINKen, oder dank erweiterter MIDI Optionen extern steuern, womit die App sich zusätzlich ein Plätzchen als ernstzunehmendes Live-Tool reserviert.
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