Seit nunmehr einem Jahr beherrscht Covid-19 unseren Alltag und ein Ende der Einschränkungen könnte noch in weiter Ferne liegen. Musikerinnen und Musiker gehören zur Berufsgruppe der besonders hart Betroffenen, können sich aber teils durch die Krise retten, indem sie ein weiteres Standbein im Instrumentalunterricht haben.
Doch da der Präsenzunterricht nicht immer erlaubt oder empfehlenswert ist, spielt sich der Unterricht gegenwärtig hauptsächlich auf Plattformen wie etwa Zoom, Skype, Doozzoo oder Facetime ab. Das funktioniert zwar schon mit einem Laptop oder Tablet mit eingebauter Webcam und Mikrofon ganz gut, doch unser Testautor Sven von Samson hat über die letzten Monate seine Online-Umgebung für seine Ansprüche optimiert und beschreibt hier, mit welchen technischen Upgrades er den Unterricht für sich noch angenehmer und für seine Schülerinnen und Schüler noch interessanter gestaltet hat.
Anmerkung: Auch wenn es hier in erster Linie um den Schlagzeugunterricht geht, da das Instrument wegen seines Umfangs recht spezielle Anforderungen an Video- und Tontechnik stellt, lassen sich die Ideen natürlich auch bei anderen Instrumenten umsetzen.
Webcam plus Audiointerface
Während des ersten Lockdowns begnügte ich mich mit der internen Webcam meines MacBook Pro – und mir blieb auch nichts anderes übrig, da Webcams zu der Zeit so schwer zu bekommen waren wie Klopapier und Trockenhefe. Allerdings konnte ich, was den Ton angeht, bereits auf eine gute Ausstattung zurückgreifen und so positionierte ich zwei Overheads und je ein Snare- und Bassdrummikrofon um mein Drumset und stellte noch ein Gesangsmikrofon für meine Stimme dazu. Das alles plus das Audiosignal meines Laptops ging durch ein Mischpult in den ersten (wichtig für Skype!) Kanal meines Audiointerfaces und von dort aus zu Skype. Auf diese Weise bekamen meine Schülerinnen und Schüler schon mal ein ordentliches Bild und einen guten Ton, doch ganz zufrieden war ich mit der Videolösung noch nicht.
Nachteile der internen Webcam
Um mich und möglichst viel von meinem Set ins Bild zu bekommen, musste ich mein Laptop recht weit weg von mir aufstellen, sodass ich mich immer ziemlich lang machen musste, um es zu erreichen. Schlimmer noch war, dass sich mein Nacken immer mehr verspannte, da ich ständig weit nach links schauen musste, um meine Schüler zu sehen. Wollte ich etwas mit den Füßen demonstrieren oder in den Noten zeigen, musste ich entweder das Handy rausholen und zwischendurch von dort aus skypen oder die Notenblätter irgendwie vor die Kamera halten. Das funktionierte zwar alles, doch mich trieb immer der Gedanke nach einer besseren Lösung um.
Optimal mit drei Kameras
Gefunden habe ich die Lösung im Blackmagic Design Atem Mini und drei Actioncams. Der Atem Mini ist ein kleiner, mit etwa 300 Euro noch bezahlbarer Videomischer, der bis zu vier HDMI-Quellen und zusätzlich zwei Stereo-Audiosignale (mit Mikrofon- oder Line-Pegel) zu einem Webcam-Signal zusammenmischt und per USB an den Rechner schickt. Dort lässt sich das Atem Mini dann als Webcam auswählen und problemlos in den gängigen Konferenzsoftwares aufrufen. Das Umschalten der Perspektiven erfolgt am Atem Mini selbst. Dazu können auch noch verschiedene Übergänge oder Bild-in-Bild Funktionen über die Hardware gesteuert werden. Noch mehr Funktionen bietet die Atem Software Control App, die für Windows und Mac gratis heruntergeladen werden kann.
Am Atem Mini hängen bei mir drei Webcams – eine GoPro Hero 5 Black, die ich schon besaß, sowie zwei Rollei 8s Plus, die ich günstig gebraucht ergattern konnte. Alle drei Kameras lassen sich mit Dauerstrom versorgen, haben einen Superweitwinkel und eine 4k-Auflösung und einen „cleanen“ HDMI-Ausgang.
Für dich ausgesucht
Bewährte Perspektiven
Da die Actioncams einen großen Bildausschnitt einfangen, kann die Hauptkamera direkt über dem Laptop hängen, welches nun deutlich näher und über meine Hi-Hat rücken konnte. Aus dieser Perspektive können meine Gegenüber alles sehen und ich sehe sie auch direkt an, wenn ich in Richtung Laptop schaue. Zum Verdeutlichen von Bewegungsabläufen und Handsätzen hat sich eine Deckenkamera bewährt, die das gesamte Drumset von oben aus Spielerposition zeigt.
Die dritte Kamera steht links von mir auf einem kleinen Stativ und wird von mir flexibel eingesetzt. Ich kann sie entweder auf meinen Notenständer richten und so direkt etwas in den Noten zeigen oder dazuschreiben, ich kann sie auf meine Snaredrum richten und meine Hände in Großaufnahme zeigen oder sie auf eine zusätzliche, tiefere Halterung clippen und meine Füße zeigen. Um meine Schülerinnen und Schüler auch bei aktiver Decken- oder Seitenkamera noch direkt ansprechen zu können, kann ich zudem noch einen Bildausschnitt mit meinem Konterfei in eine der vier Ecken einblenden.
Der vierte HDMI-Eingang bleibt bei mir ungenutzt. Wer ,digitaler‘ unterwegs ist als ich, könnte dort auch ein Tablet, Handy oder Computer anschließen, um Noten oder Videos zu zeigen. Auch eine vierte Kamera wäre natürlich denkbar.
Das Gegenüber – die Schülerperspektive
Was bei mir von Seiten meiner Schülerinnen und Schüler ankommt, ist sehr durchwachsen und vor allem davon abhängig, was ihnen an technischer Ausstattung und Internetbandbreite zur Verfügung steht. Ich empfehle deshalb, das eigene Setup schon vor der ersten Online-Stunde einmal auszuprobieren. In der Regel ist ein Tablet oder ein Laptop vorhanden, welches am besten links, bzw. in der Nähe des Notenständers positioniert werden sollte, sodass möglichst viel vom eigenen Spiel sichtbar ist und die Blickrichtung nicht ständig gewechselt werden muss. Das hilft in der Kommunikation ungemein, denn falls es mal zu Tonaussetzern kommt, können Gesten immer noch wahrgenommen werden. Auch empfehle ich das Tragen von gut abschirmenden Kopfhörern, denn so kann ich als Lehrer, auch während die Schüler spielen, kommentieren und bin akustisch „näher dran“. Gut bewährt haben sich auch Over Ear Headsets mit Mikrofon, da sie die Sprache deutlich und das Schlagzeug etwas abgeschwächt übertragen. Inear Stecker via Bluetooth funktionieren meistens nicht so gut. In den Toneinstellungen des verwendeten Programm sollte die automatische Lautstärkeanpassung für das Mikrofon ausgeschaltet werden. Es sollte auch unbedingt vor dem Unterricht geprüft werden, ob das WLAN am Drumset stark genug ist. Gegebenenfalls empfiehlt es sich, den Router neu zu starten und/ oder alle anderen Surfer für die Dauer der Stunde aus dem WLAN zu verbannen (falls möglich). Selbstverständlich kann man auch ein LAN-Kabel nutzen, um Übertragungsprobleme zwischen Laptop und Router komplett auszuschließen. Je besser die Internetverbindung, die Webcam und das verwendete Mikrofon sind, desto einfacher fällt natürlich auch die Kommunikation und umso mehr Spaß macht die Stunde.
Wie sehen eure Setups für den Fernunterrricht am Drumset aus?
Welche Kameraperspektiven nutzt ihr? Schickt uns gerne Kommentare, wie es in eurem Unterrichtsraum oder eurer Musikschule aussieht.