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Workshop Songtexte schreiben lernen #2

2.1 – Muss es sich immer reimen?

(Bild: © Shutterstock / Africa Studio)
(Bild: © Shutterstock / Africa Studio)

Der Reim, das „Echo“ gleich oder ähnlich klingender Wörter, ist ein Stilmittel, das man bevorzugt in Gedichten und Sprichwörtern, aber auch Songtexten antrifft. Der Reim gibt Struktur, markiert oft das Ende einer Zeile, er erzeugt Rhythmus und stellt Reim-Wörter in eine Beziehung. Auch wenn sie völlig unterschiedliche Bedeutungen haben. Der Reim kann mit seinem Wohlklang auch gut als eine Art “Kitt” dienen und Zeilen verbinden, die inhaltlich eigentlich nicht gut zusammenpassen.

Bosse

Wie wichtig sind dir Reime in deinen Texten?
Bosse: “An den richtigen Stellen sind sie zwar schon sehr wichtig, ich versuche aber – so weit es geht – ohne Reime auszukommen. Und oft, wenn ich mich mit anderen Songwritern treffe, die super gerne reimen, finden die das schwierig. Ich versuche dann immer zu erklären, dass es doch schön ist, wenn man Texte so aufbricht und dass die Leute dann genauer zuhören, weil nicht alles in so einem Geseire, in einem Fluss ist. An anderen Stellen ist Reimen dann aber wieder total wichtig. Reimen kann ja wirklich auch ein Mittel des Ausdrucks oder auch des Grooves sein.”

Simon Triebel

Wie wichtig sind Reime in deinen Texten?
Simon Triebel: Das ist eine gute Frage! Grundsätzlich sind mir Reime sehr wichtig, Texte haben dann einfach einen besseren “Flow”. Es gibt aber auch ein paar wenige Künstler, bei denen ich es gut finde, wenn sich Texte nicht reimen. Bosse beispielsweise kriegt es immer gut hin. Generell finde ich es aber meistens zu plump, gerade wenn es zu oft vorkommt. Genauso plump sind aber auch Zeilen, die einfach zu voraussehbar sind, wie “Herz” auf “Schmerz” usw. Solche Standardreime kann man schon mal machen, sie müssen dann aber eine gewisse Berechtigung haben, warum man sie machen “darf”, und das Drumherum muss schon echt was hergeben. Ich benutze oft “Halb-Reime”. Ein Halbreim ist, wenn man beispielsweise nicht “Stern” auf “fern” reimt, sondern auf “gehen”. Wenn Texte gesungen sind, verschwimmt diese kleine Ungenauigkeit meist und gibt einem einfach viel mehr Möglichkeiten zu überraschen.”

Sasha

Wie wichtig sind dir Reime in deinen Texten?
Sasha: Sehr! Ich kann leider nicht ohne Reime schreiben und muss mich oft dazu zwingen, Nicht-Reime zuzulassen, weil es zurzeit total unmodern ist. Das gelingt manchmal, wenn ich dieses Fantasie-Englisch benutze und daraus schon Zeilen entstehen, mehr als Zufallsprodukt. Die reimen sich dann nicht immer, haben aber einen so guten Fluss und passen so gut zur Melodie, dass ich den Nicht-Reim dann erlauben kann. Aber ansonsten lebe ich meine ausgeprägte „Reim-Neurose“ immer hemmungslos aus (lacht).”

Besonders allzu vorhersehbare und abgegriffene Reime sollte der anspruchsvolle Texter besser meiden, sie sind eher etwas für die Schlager-Klischee-Kiste. Gerade deswegen aber kann man solche Reime auch mal als zugespitzte Pointe einsetzen. Und auch eine Reim-Finte, ein vorbereiteter erwarteter Reim, der dann aber ausbleibt oder erst verzögert platziert wird, sorgt immer dafür, dass der Hörer aufmerksamer hinhört und sich eine Zeile auch besser einprägt. Nicht dass dieser Ballermann-Kalauer dem gewogenen Leser als Vorbild dienen soll, aber es ist einfach ein gutes Beispiel für eine Reim-Finte:

„10 nackte Friseusen mit richtig nassen Haaren“
(aus “10 nackte Friseusen”, Mickie Krause)

Der Halb-Reim, wie Simon Triebel ihn beschreibt, kann eine gute Alternative zum klassischen Reimen oder auch offensivem Nicht-Reimen sein. Beim Halb-Reim reimt man ähnlich klingende Wörter aufeinander. Auf diese Weise stehen einem erstens sehr viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung, und zweitens kann gerade auch in der Reibung, dass die Worte sich nicht 100% reimen, ein Reiz bestehen.

Und es ist, es ist o.k. 
Alles auf dem Weg, 
Und es ist Sonnenzeit 
Unbeschwert und frei   
Und der Mensch heißt Mensch 
Weil er vergisst, weil er verdrängt 
Und weil er staunt und stählt 
Weil er wärmt, wenn er erzählt

(aus „Mensch“, Herbert Grönemeyer)

“Did I disappoint you or leave a bad taste in your mouth?
You act like you never had love and you want me to go without”

(aus “One”, U2)

Es gibt auch Lieder, die bestens mit einer Mischung aus Halb-Reimen und Nicht-Reimen funktionieren. Wie beispielsweise „Polly“ von Nirvana:

Polly wants a cracker
I think I should get off of her first
I think she wants some water


To put out the blow torch

It isn’t me 
Have a seed


Let me clip

Your dirty wings

Let me take a ride

Hurt yourself

Want some help

Help myself
Got some rope
Have been told


I promise you 
Have been true


Let me take a ride

Hurt yourself

Want some help

Help myself

(aus “Polly”, Nirvana)

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