Vermutlich entstehen mehr als 99 Prozent aller Profi- und Amateur-Musikproduktionen mithilfe eines Computers und einem der zahlreichen Host-Programme wie Cubase, Logic, Ableton Live (und vielen mehr!). Oftmals werden die Songs unmittelbar im Programm gemischt, doch auch externe Mischpulte (analog wie digital) kommen nach wie vor zum Einsatz.
Heutzutage stehen Einsteigern bereits zu einem überschaubaren Budget DAW-Tools und Möglichkeiten zur Verfügung, die früher sechsstellige Summen (und mehr) gekostet haben und dementsprechend nur wenigen elitären und professionellen Anwendern vorbehalten waren. Dennoch haben Mixes von Nachwuchs-Producern nicht selten etwas Fades, Steriles und Statisches an sich, was sich aber mit relativ einfachen Mitteln verbessern lässt. In diesem Workshop möchten wir euch verschiedene Maßnahmen zu einem interessanteren Mix vorstellen!
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Monotonie – Bug oder Feature?
Moderne, speziell „elektronische“ Musikrichtungen zeichnet eine gewisse Monotonie verschiedener Produktionselemente aus, die bewusst als Stilmittel eingesetzt wird. Kennzeichnend sind endlose Loops tonaler Sequenzen oder auch ein hypnotisches Beat-Programming mit minimalen Variationen. Ob eine solche Produktion den Zuhörer packt oder schlicht und einfach kaltlässt, wird von verschiedenen Faktoren (Klangerzeuger, Programming, Mix) beeinflusst, die im Verlauf dieses Workshops noch genannt werden. Dass der technische Fortschritt sowohl Fluch als auch Segen sein kann, zeigt sich vor allem bei Musikstilen, die eigentlich lebendig und organisch klingen sollen: Durch allgegenwärtige Copy-Paste-Workflows und umfangreiche Editiermöglichkeiten besteht die Gefahr einer leblosen Produktion. Mit welchen Mitteln sich eine sterile Belanglosigkeit vermeiden lässt, lest ihr in den folgenden Abschnitten.
Pre-Mix-Optimierung
Dies ist kein Programming- oder Editing-Workshop. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass auch der beste Mix-Engineer aus Stuhlgang kein Gold machen kann und die verschiedenen Schritte einer Musikproduktion oftmals sehr eng miteinander verzahnt sind. Auch die Klangerzeuger selbst, ganz egal ob virtuell oder „echt“, spielen eine entscheidende Rolle!
Machine Gun vs. Round Robin
Viele elektronische Styles wurden (und werden) mit analogen Klangerzeugern (Synthesizer, Drumcomputer) produziert. Hierzu muss man wissen, dass eine analoge 4-on-the-floor-Bassdrum bei jedem Schlag klanglich ein wenig abweichen kann, was ebenfalls auf repetitive Sequenzen mit analogen Synths zutrifft. Da in der modernen Musikproduktion aber auch viel mit Samples/Libraries gearbeitet wird, besteht die Gefahr, dass einzelne Produktionselemente auf einmal statischer klingen, als es der angestrebten Klangästhetik zuträglich ist. Dieser sogenannte Machine-Gun-Effekt, der allerdings auch ein gewünschtes Artefakt sein kann, lässt sich aber unterbinden. Die sogenannte Round-Robin-Funktion vieler Sampler/Sample Player triggert bei Notenwiederholungen unterschiedliche Samples des eigentlich gleichen Sounds, was zu einem organischeren und authentischeren Klangbild führen kann. Dieses Feature macht somit nicht nur bei gesampelten Naturinstrumenten Sinn, sondern aus besagtem Grund auch bei synthetischen Klangerzeugern.
Arrangement
Drei wesentliche, aber simple Punkte sind beim Arrangement/Programming zu beachten, um die Gefahr eines zu statischen Höreindrucks zu minimieren: Velocity, Quantisierung, Dopplungen.
Je nach Klangerzeuger bewirkt die gespielte oder programmierte Anschlagstärke zumeist eine Lautstärken- oder Klangänderung (Amp, Filter, Velocity Switch) des Instruments. Dies kann man sich zunutze machen, um die gewünschte Lebendigkeit zu erzielen. Gleiches gilt für die Quantisierung. Hier kann es sich durchaus lohnen, ein wenig zu experimentieren, ob eine Reduzierung der Quantisierungsstärke oder die Erhöhung des Swing-Faktors eine Verbesserung bewirkt. Dopplungen sind ein äußerst populäres musikalisches Mittel und dank Copy&Paste im Handumdrehen mit allen mir bekannten Host-Programmen erledigt. Könnte es vielleicht sinnvoll sein, die durchgängige Synthesizer-Sequenz im Refrain mit zwei anderen / ähnlichen Sounds zur Verbesserung der Dramaturgie zu doppeln? Diese könnte man beispielsweise nach links und rechts im Stereo-Panorama verteilen, was ein gutes Beispiel für die Verzahnung von musikalischen und mixtechnischen Maßnahmen aufzeigt.
Lebendige Einzelspuren (und Gruppen) durch Effekteinsatz
Effekte, egal ob über einen Send angesteuert oder im Kanal insertiert, dienen nicht nur der Verschönerung, Klangkorrektur oder Verfremdung, sondern können auch die Lebendigkeit einer Instrumenten oder Gesangsspur im Mixkontext erhöhen. Das gilt sowohl für Hardware-Effektgeräte als auch für Plugins. Im folgenden möchte ich einige typische der quasi unendlichen Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen.
Modulationseffekte
Modulationseffekte in all ihren Spielarten sind ein mächtiger Baukasten zur Gestaltung lebendiger Klangverläufe. Aber was sind Modulationseffekte und wie kann man sie einsetzen? Modulation ist ein in vielen Bereichen (Technik, Kunst, Musik, Wissenschaft) häufig verwendeter Begriff und bedeutet beispielsweise Abwandlung oder Veränderung, also das genaue Gegenteil von statisch. Ein wichtiger Punkt ist, was genau moduliert, also verändert wird.
Hier einige klassische Beispiele:
- Lautstärke
- Tonhöhe
- Klangfarbe (Filter)
- „Zeit“ (Abspielgeschwindigkeit/Gleichlauf, Delay-Signal)
Ebenfalls wichtig: Auf welche Art wird beispielsweise die Lautstärke moduliert – was ist die Modulationsquelle? Geschieht dies unter periodischen Intensitätsschwankungen, zum Beispiel in Form einer Sinus- oder Rechteckwelle oder vielleicht vollkommen zufällig und chaotisch? Das Resultat könnte ein musikalisch und mixtechnisch sinnvoller Tremolo-Effekt sein, der bereits die Lebendigkeit einer Instrumentenspur erhöht.
Zeitgemäße DAWs ermöglichen unter Zuhilfenahme sogenannter LFOs (Low Frequency Oscillator) – gibt es übrigens auch in analog – quasi die Modulation sämtlicher Klang- bzw. Effektparameter. Der LFO generiert hierzu eine einstellbare Frequenz, die meistens unterhalb des menschlichen Hörbereichs von 20Hz liegt und häufig auch zum Songtempo synchronisiert werden kann. Ein wichtiger Parameter ist die Wellenform des LFOs. In den meisten Fällen lassen sich die Wellenformen Sinus (Sine), Sägezahn (Saw), Rechteck (Square), Rechteck mit variabler Pulsebreite (Pulse) und eine Zufallswellenform (Random, Sample & Hold) auswählen. Alternativ hierzu bieten einige Effekte auch Hüllkurven zur Modulation an, doch bevor es hier zu akademisch wird, hören wir und einfach ein paar Modulationsbeispiele zur Veranschaulichung an:
Also: Modulationseffekte lassen sich von subtil bis plakativ einsetzen, um Instrumentenspuren dynamisch und lebendig zu gestalten.
Dynamikeffekte
Studioprozessoren und Plugins wie Kompressoren, Gates und Expander bearbeiten den dynamischen Lautstärkeverlauf von Audiosignalen. Hier mag es den ein oder anderen vielleicht überraschen, dass ausgerechnet die Reduzierung der Dynamik einer Instrumentenspur per Kompressor die Lebendigkeit erhöhen kann! Indem laute Stellen im Pegel herabgesenkt werden und leise, zum Teil vorher unhörbare Klang- und Raumanteile auf einmal hervortreten, kitzelt man nicht selten Lebendigkeit und Charakter aus einem Track. Ein ebenfalls beliebtes Mittel ist die Ansteuerung eines Kompressors per Sidechain, also beispielsweise einer anderen Instrumenten- oder Gesangsspur. Eine typische Anwendung wäre das sogenannte Ducken, die Pegelreduktion einer Instrumentenspur oder Subgruppe, sobald Gesang zu hören ist. Das Resultat ist ein aufgeräumteres und organisches Klangbild. Beliebt ist auch das plakative Ducking verschiedener Mixelemente durch die Bassdrum, wodurch der Gesamt-Groove eines Mixes profitiert und weniger statisch klingt.
Effekt-Spezialisten für mehr Bewegung im Mix
Inzwischen bietet der Markt eine spannende Auswahl an Effekten, mehrheitlich Plugins, die speziell zur Erzeugung eines lebendigen Klangbilds kreiert wurden. Im wesentlichen bedienen sich diese Plugins des bereits genannten Prinzips aus LFO (oder auch Steps) und Modulationsziel. Je nachdem, wie plakativ der Einsatz solcher Effekte ist, entsteht eine Grauzone aus Sound- und musikalischer Änderung, doch erlaubt ist, was gefällt! Auch aktuell angesagte Vintage-Emulationen von Tapedecks und Bandmaschinen mit regelbaren Gleichlaufschwankungen und weiteren „Analog-Parametern“ und können auf Einzelspuren und Gruppen zweckdienlich für den Mixkontext sein. Im folgenden seht und hört ihr einige Anwendungsbeispiele:
Dramaturgisches Mixen
Vor lauter Effekten darf man natürlich nicht die eigentliche Mischung aus den Augen verlieren! Neben den klanglichen Eigenschaften der einzelnen Spuren und Gruppen, sind die Lautstärke und Verteilung im Stereopanorama wichtige Parameter für einen befriedigenden Höreindruck. Allerdings lässt auch bei einem gut klingenden Track die Aufmerksamkeit der Zuhörer bald nach, wenn die Dramaturgie von Anfang bis Ende ziemlich gleichförmig bleibt. Gemäß eines guten Blockbusters ist es sinnvoll Spannungskurven zu erzeugen, die im Idealfall natürlich ein gelungenes Arrangement mixtechnisch unterstützen. Der Wechsel von klein nach groß, von fragil zu druckvoll und von schmal zu breit und jeweils wieder zurück helfen, die Aufmerksamkeit zu binden. Welche Tools stehen hierzu zur Verfügung?
Mix lebendig machen mit Automation
Dass die Lautstärke aller aufgenommenen Spuren von Anfang bis zum Ende eines Songs bereits optimal ist, ist wohl eher eine seltene Ausnahme als die Regel. Die Automation ist das klassische Werkzeug, jeder Einzelspur oder Gruppe an jeder Stelle im Song die passende Präsenz und Lautstärke zu geben! Natürlich kann man die Spuren an einem Hardware-Mixer auch von Hand „fahren“, ab einem gewissen Grad ist dies aber nicht mehr praktikabel. Selbstverständlich lassen sich auch andere Parameter automatisieren bzw. gibt es bei zeitgemäßen Host-Programmen kaum einen Parameter, der sich nicht automatisieren lässt. Gängige Automationsanwendungen sind beispielsweise Effektanteile (Send oder Dry/Wet-Mix) zum dramaturgischen Wechsel einer trockenen zur verhallten Gesangsstimme oder auch das Stereopanorama. Wenn zwei Gitarrenspuren im Refrain auf einmal hart links/recht „aufklappen“, kann dies eine schöne Steigerung sein.
Eine Automation kann sowohl eine mixtechnischen Korrektur als auch als musikalisches Stilmittel sein. Der Kreativität sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Im Beispiel hört ihr eine Synthesizer-Loop mit typischer Filterautomation am Anfang und automatisiertem „Wegflieg-Spezial-Effekt“ (Dada Life „Endless Smile“) ganz am Ende des Hörbeispiels.
Tiefenstaffelung
Doch ein Mix kann nicht nur aufgrund mangelnder Dynamik in der Zeitachse steril wirken, sondern auch aufgrund eines platt und eindimensional klingenden Sounds mit fehlender Tiefe. Man schießt leicht über das Ziel hinaus, wenn man beispielsweise versucht, jedes einzelne Instrument explizit herauszuarbeiten. Es ist durchaus legitim, dass einige Sounds eher im Hintergrund (Lautstärke, EQ, Raumposition) agieren, um auf diese Weise solistischen Elementen den nötigen Platz zu verschaffen. Außerdem ist es schlicht eine physikalische Eigenschaft, das entfernte Klangquellen/Instrumente eine Dämpfung der energetisch schwachen hohen Frequenzen aufweisen und der Raumklang gegenüber dem Direktsignal an Gewicht gewinnt. Daher ist der selektive Einsatz von Raum-und Halleffekten ein wirksames Mittel, um die erwünschte Tiefenstaffelung zu unterstützen.
Effekte in der Stereosumme
Erlaubt ist, was gefällt! Was spricht dagegen, sich von der Vorstellung zu lösen, dass auf dem Masterbus lediglich die üblichen Verdächtigen wie Bus-, Multiband-Kompressor, EQ und Limiter erlaubt sind? Je nach Musikstil können verschiedene der bereits in diesem Workshop genannten Effektarten zu coolen und kreativen Resultaten führen. Im folgenden Audiobeispiel hört ihr einen simplen Tremoloeffekt im Summensignal, der eine subtile zweitaktige Wellenbewegung generiert und einen interessanten Groove-Effekt hervorruft. Hier sind der Kreativität und Experimentierfreude keine Grenzen gesetzt. Etabliert sind ebenfalls Reverb-Effekte (subtiler Mixanteil) bis hin zu plakativen DJ-Effekten!
So, das war´s – viel Spaß beim Ausprobieren!