Tour-Alltag – Worst Cases on tour: Zu Beginn einer jeden Musiker- oder Technikerkarriere ist es eine der schönsten Vorstellungen, endlich mit der Band auf Tour zu sein. Dass es auf einer Tour aber nicht selten auch zu eher ungewöhnlichen und schweißtreibenden Momenten kommen könnte, wird gerne mal unter den Tisch fallen gelassen. Im folgenden Artikel möchte ich euch mal ein paar „Worst-Case-Szenarien“ näherbringen, die ich persönlich erlebt habe und über die ich Gott sei Dank heute herzhaft lachen kann.
Der Artikel soll euch einen kleinen Einblick in die Schattenseiten des Tour-Alltags aus der Sicht eines FOH-Technikers gewähren. Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass die folgenden Situationen alle mit einem kleinen Augenzwinkern zu betrachten sind.
01: Billig-Pult-Virus und der unmotivierte Haustechniker
Um einen reibungslosen Ablauf vor Ort zu garantieren, ist es wichtig, dass ein Rad ins andere greift. Gerade deshalb ist es enorm von Vorteil, wenn am jeweiligen Veranstaltungsort eine motivierte und umgängliche Local-Crew im Einsatz ist, die einem mit Rat und Tat zur Seite steht. Obwohl alle Beteiligten in meinen Augen dasselbe Ziel verfolgen, nämlich den Besuchern des anstehenden Konzerts ein unvergessliches Erlebnis zu zaubern, ist dies im Tour-Alltag leider nicht immer der Fall.
Ein besonderes Highlight an Unfreundlichkeit erlebte ich auf einer Reise in den Süden der Republik: Nachdem wir mit der Band eine 9-stündige Busfahrt in einem Ford Transit hinter uns gebracht hatten, kamen wir gut gelaunt an der Venue an.
Beim Betreten des Clubs wurden wir trotz unseres freundlichen „Hallo!“ lediglich mit herabwürdigen Blicken begrüßt. Nachdem uns notgedrungen mitgeteilt wurde, welche Load-in-Situation vorliegen würde und wie wir am besten unseren Krempel auf die Bühne und an den FOH bekommen, ging es ans Ausladen.
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Der örtliche Haustechniker erwiderte uns auf die Frage, wo wir uns mit Licht und Ton entfalten können, mürrisch, dass er nur hoffe, dass sein lokales Pult sich nicht mit „Billig-Pult-Virus“ bei uns infiziert. Ein guter Start, nachdem er uns durchgehend beim Ausladen zugesehen hat. Auch die Info, ob und wenn ja, wo genau denn die CAT-Leitung im Club verlegt ist, war schwieriger aus ihm rauszubekommen als der Aufenthaltsort der Bundeslade.
Vor Beginn des Soundchecks ….
Vor Beginn des Soundchecks und während des Aufbaus musste er uns dann unbedingt zeigen, welchen Pegel er mit der verbauten PA fahren kann und auch nach mehreren Bitten, zumindest während des Aufbaus ein wenig Gnade walten zu lassen, kannte er kein Erbarmen. Als wir endlich ans Checken der einzelnen Input-Signale kamen, waren unsere Gehörgänge auf jeden Fall freigeblasen. Unzählige Sticheleien seitens des Haustechnikers später stand der Sound und die Show konnte starten.
Als der Abend erfolgreich nach einer ausverkauften Show über die Bühne gegangen war, dauerte es maximal zwei Minuten, bis der lokale Techniker sich verabschiedete. Für den anschließenden Abbau und das Einladen des Equipments in den Band-Bus wird er übrigens bis heute gesucht. Trotz allem war es abschließend eine super Show und keiner der Gäste hat etwas von dieser Misere mitbekommen und so gab es eine weitere lustige Anekdote im Tour-Tagebuch.
02: Punk, Analogburg und falsche Rider
Damit sich der örtliche Veranstalter einen Überblick verschaffen kann, was an technischen Anforderungen beim anstehenden Gig einer Band auf ihn zukommen wird, ist es üblich, dass im Vorfeld ein Stage-Rider beim Veranstalter eingeht. Hier sind alle wichtigen Informationen wie Kanalbelegungen, Mikrofon-Setup, Stromversorgung für zusätzliches Licht etc. festgehalten. Im Idealfall bereitet der örtliche Veranstalter alles passend vor. Leider kommt es aber in der Praxis häufig vor, dass falsche oder veraltete Stage-Rider an den Veranstalter geschickt werden. Stellt das eine oder andere zusätzliche Mikrofon vor Ort noch kein Problem dar, sieht es bei komplexeren Änderungen im Band-Setup schon anders aus.
Ob die Drei-Mann-Punk-Combo, die im letzten Jahr noch ohne Bläsersatz und Backing-Chor on the road war, begeistert ist, wenn in der Venue nur drei Monitore vorhanden sind, ist fraglich. Auch der umgekehrte Fall ist aus Sicht des Veranstalters bzw. der örtlichen Technikfirma unschön …
Hierzu eine kleine Anekdote
Es begab sich, dass die Band, mit der ich tourte, beschloss, sich ein eigenes Pult zu kaufen. Dies wurde selbstverständlich in den aktuellen Rider übertragen und ging so an die Booking-Agentur. Leider schlich sich bei der Weiterleitung des Riders an die einzelnen Venues der Fehlerteufel ein und bei drei Locations ging der Rider vom Vorjahr ein.
Bei zwei von den drei Locations war das nicht weiter wild, da dieselbe Konsole wie die der Band vor Ort stand oder das Pult inkl. Cat-Leitung fest im Laden installiert waren. Bei einer von den drei Locations hatte der örtliche Techniker aber extra eine riesige Analogkonsole mit zwei ebenfalls gigantischen Side-Racks aufgefahren. Alles mit unzähligen Multicores verdrahtet und sogar schon das Tape am Pult mit unseren Eingangskanälen von Hand beschrieben.
Die Begeisterung des örtlichen Technikers hielt sich dementsprechend in Grenzen, als er erfuhr, dass wir unser eigenes Pult inklusive eigner Stage-Box verwenden würden. Schon ein wenig niedergeschlagen baute er zusammen mit uns den analogen Fuhrpark ab. Durch eine gratis LP und ein T-Shirt waren wir aber wieder versöhnt und beim Feierabend-Bier konnte man nochmal ordentlich drüber lachen.
03: Das Hotel-Dilemma
Für einen Techniker on Tour ist es ein Highlight, wenn es nach einem gelungenen Abend in ein schnuckeliges, gemütliches Hotel geht. Hier findet man in einem Palast aus Daunen einen erholsamen Schlaf und ist bereit für den Rest der Tour. Ist man ohne Nightliner on the road, ist es unabdingbar, dass auch alle Hotels im Vorfeld gebucht wurden. Leider ist dies nicht immer von Erfolg gekrönt, was ich euch anhand des nächsten kleinen Tour-Erlebnisses schildern möchte.
Als ich mit einer Band in München unterwegs war, sollte es nach einer erfolgreichen ausverkauften Show ins Hotel gehen. Gegen zwei Uhr nachts standen wir alle ein wenig ausgelaugt im Foyern des Hotels, das in unserem Tourguide angegeben war. Ein junger Nachtportier teilte uns aufgeregt mit, dass leider keine Buchung auf den angegebenen Namen vorliegen würde. Nachdem er uns schwitzend erklärte, dass es sein erster Arbeitstag sei und unglücklicherweise alle Zimmer belegt seien, versuchte er telefonisch etwas zu organisieren. Da in München aber gerade Messe war, blieben seine Bemühungen natürlich ohne Erfolg.
Gegen drei Uhr kontaktierten wir schließlich den Veranstalter und erklärten ihm die Situation. Da er die Zimmer gebucht hatte und es wohl zu einem Buchungsfehler gekommen war, versuchte er telefonisch sämtliche Hotels in München nach freien Zimmern abzuklappern. Er konnte uns schließlich gegen vier Uhr morgens eine Adresse eines Hotels mitteilen. Dieses lag selbstverständlich am komplett anderen Ende von München und es hieß noch einmal 45 Minuten Bus-Tour. Als wir endlich gegen sechs Uhr im Hotelzimmer ankamen, hatten wir noch knapp drei Stunden Schlaf. Der nächste Stopp auf dem Tour-Plan war nämlich Bremen.
04: Der Besen und die Technik
Defekte Technik ist nicht zu vermeiden und kommt im Tour-Alltag häufiger vor als man es gerne hätte. Wenn es sich hierbei um Kleinigkeiten wie kaputte Kabel oder sonstige Wehwehchen handelt, ist das eine Kleinigkeit und bringt einen nicht in Bedrängnis. Bei komplexerer defekter oder gar schrottreifer Technik steht man allerdings erstmal ratlos da.
Die Pole-Position was defekte Technik betrifft, erlebte ich in einem mittelgroßen Live-Club in Bayern: Die Band, mit der ich tourte, war der letzte Act in diesem Laden, da die Venue ab dem nächsten Morgen wegen der Insolvenz des Inhabers geschlossen wurde.
Beim Betreten der Bühne gab der Boden ein wenig nach und auch die verbaute, unter einer dicken Staubschicht vergrabene PA machten keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Als wir mit dem Aufbau der Instrumente und unseres Pultes fertig waren, ging es ans Checken der PA. Nach unzähligen Versuchen des Haustechnikers, meine drei Main-Ausgangssignale (Sub, links/rechts) den entsprechenden Speakern zuzuordnen, kam letztendlich nur aus zwei Topteilen ein halbwegs brauchbares Signal. Alle anderen Subs und Tops hatten gerissene Membranen oder blieben komplett aus.
Wedges Alarm
Auch mit den Monitoren sah es an diesem Abend schlecht aus: Von den fünf Wedges waren nur zwei funktionsfähig. Da ich allerdings mit einem Drei-Mann-Gespann unterwegs war und der Drummer zusätzlich mit In-Ear spielt, konnten wir auf den Drum-Monitor verzichten. Während des gesamten Aufbaus flackerte außerdem wie verrückt ein Stroboskop und wir baten den lokalen Techniker darum, dies doch bitte auszustellen. Ein paar ergebnislose Klicks auf dem Lichtpult des Ladens später verschwand der Technikkollege und kam daraufhin mit einem Besen zurück und schlug das Strobo einfach kaputt. Na, immerhin war es aus.
300 Leute mit zwei uralten 15-Zoll-Topteilen zu beschallen war sportlich, aber Gott sei Dank war ich nicht mit einer lauten Metal-Band on the run. So ging es tontechnisch gerade noch glatt, ohne dass ich auch noch die letzten beiden Boxen gegrillt habe. Den Fans fiel wohl nur auf, dass sie zusammen leiser singen mussten als es bei Shows der Band üblich war.
05: Der Bürgermeister und der spontane Veranstalter
Eine besondere Herausforderung für jeden Tour-Techniker sind unorganisierte und dazu höchst spontane Veranstalter. In der Regel trifft man diese Gattung häufig auf Stadtfesten oder ähnlichen Events.
Bei Stadtfesten erlebte ich persönlich die interessantesten Wünsche, die lediglich durch Aushebelung der vorhandenen Physik möglich gewesen wären. Als Beispiel bat mich ein Veranstalter um eine gezielte Lautstärkeabsenkung am Platz des Bürgermeisters, da dieser sich jetzt sehr gerne unterhalten würde. Ich durfte aber auf keinen Fall die PA leiser machen, weil ja die knapp 1000 Gäste gerade bei der Band ihren Spaß hatten. Ich erklärte kurz, dass dies nicht möglich sei und die Band nach maximal 30 Minuten von der Bühne sei und es dann leise genug für wichtige Gespräche wäre.
Auch die vorgegebenen Lautstärkepegel in so mancher Stadt vertragen sich nicht besonders mit lauter Rockmusik. Eine Tatsache, die häufig vor Ort für Diskussionen sorgt. Hier gilt es, das Beste draus zu machen und im wahrsten Sinne des Wortes einen ruhigen Job zu genießen und einfach darauf zu hoffen, dass nicht alle zwei Minuten jemand zu einem kommt, der den Sänger nicht hört.
Außerhalb des Tour-Alltags kommt man als Techniker ebenfalls häufig mit spontanen Veranstaltern in Berührung. Einmal bekam ich einen Ablaufplan, auf dem ein Duo mit E-Piano und Akustik-Gitarre als Opener gesetzt war.
Sage und schreibe fünf Minuten vor der Show teilte mir der Veranstalter dann mit, dass doch der gegen Nachmittag vorgesehene 30-köpfige lokale Rentner-Chor das Fest eröffnen solle. Er wies mich noch darauf hin, dass aber zeitlich bitte keine Verzögerungen entstehen sollen. Abgesehen davon, dass es ewig dauerte bis die 30 Rentner die Bühne komplett betreten hatten, realisierten der Lichttechniker und ich in Rekordzeit den Umbau zum Chor-Setup.
06: Burger, Fieber und sonstige Krankheiten
Neben allen technischen und organisatorischen Problemen ist ein weiterer Worst-Case auf Tour ein Krankheitsfall. Krank sein zu Hause ist nicht gerade angenehm. Auf einer Tour ist es aber eine absolute Katastrophe, die zum kompletten Ausfall der Show oder sogar der gesamten Tour führen kann. Egal, ob der verdorbene Magen durch einen unbekömmlichen Cheeseburger, der einen nicht mehr vom WC gehen lässt oder plötzliches Fieber. Auf Tour heißt es: abwägen und durchstehen.
Besonders im Gedächtnis ist mir dabei ein Erlebnis in Erfurt geblieben. Hier verschwand nach ca. ¾ des Sets die Stimme des Sängers linear bis hin zum Totalausfall. Die letzten beiden Songs wurden allein vom Publikum gesungen und die Band spielte die Songs rein instrumental. Am nächsten Morgen beim Hotel-Frühstück war beim „Guten Morgen“ des Sängers klar, die nächsten Shows fallen aus. So ging es anstatt weiter on the road wieder Home sweet Home.
Die absolut meisten Ausfälle hat allerdings die Corona-Pandemie erzeugt, allerdings ist das ein Kapitel für sich.
07: Schnarchen vs Noise-Cancelling
Das Schlimmste von allem, was einem auf Tour passieren kann, sind allerdings schnarchende Lichttechniker. Noch schlimmer, wenn man sich mit ihnen einen Nightliner oder ein Hotelzimmer teilen muss.
Der Lichttechniker der Band, mit der ich regelmäßig toure, ist ein solches Exemplar, was mich schon so manche schlaflose Nacht trotz Ohrenstöpseln und Noise-Cancelling-Kopfhörern gekostet hat. Die einzigen Auswege sind entweder der erste im Bett zu sein oder aber mit einem anderen Crew-Mitglied Streichhölzer zu ziehen, um ein besseres Zimmer zu erlangen. Ansonsten fühlt man sich schnell wie bei Naked Survival, nur eben angezogen.
Resümee
Natürlich gibt es noch unzählige andere Katastrophen, die einem auf Tour passieren können. Allen voran sicherlich schwere Unfälle oder Diebstahl. Gott sei Dank blieben mir solche Erfahrungen bis jetzt zumindest auf Tour erspart.
Abschließend sei aber erwähnt, dass die positiven Erlebnisse dann letzten Endes überwiegen, weshalb eine Tour definitiv trotz so manchem „Worst-Cases“ ein Teil meines Jobs ist, den ich echt nicht missen möchte.
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Dirk Wannemacher sagt:
#1 - 15.08.2022 um 12:58 Uhr
Einiges davon kenne ich so gut. Mir fehlt noch der Bürgermeister der, beim Stadtfest mit improvisierter P.A., seine Rede mit dem Funkmikro auf Hüfthöhe direkt VOR der P.A. hält – fiiiiiieeeeeeep… (Ich hasse Stadtfeste!)
Sascha Walendy sagt:
#1.1 - 16.08.2022 um 16:01 Uhr
Ja und Messen. Auch immer wieder ein Highlight. 😂
Antwort auf #1 von Dirk Wannemacher
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenTom Bartsch sagt:
#2 - 11.03.2024 um 09:43 Uhr
den lichttechniker kenn ich :)