XLN Audio ADPaks Modern Jazz Brushes und Modern Jazz Sticks Test

Die Schlagzeug-Emulation gehört zu den Klassikern im Musikproduktionsgeschäft. Angefangen bei ersten analog-elektronischen Rekonstruktionsversuchen und Drum-Pads, über Hardware-Sampler mit Kilobyte-kleinen Speicherplätzen, hin zu den modernen Computer-basierten und teilweise Gigabyte-schweren Multi-Sample-Boliden; die Gründe und ästhetischen Ansprüche sind vielfältig, sich gegen die Aufnahme eines echten Schlagzeugs zu entscheiden. 

Am Ende läuft es aber immer auf die beiden Ur-Probleme hinaus: Eine gute und „echte“ Aufnahme ist aufwendig und damit relativ teuer, da viele gute Mikros, sehr gute Wandler, aber vor allem ein gut klingender Raum inklusive Drum-Set benötigt werden. Und am Ende steht und fällt der vollzogene Aufwand gänzlich mit dem Talent des Drummers bzw. Editors.Die Vorteile der Sample-Büchsen liegen im Reziproken also klar auf der Hand: unkompliziert und im Verhältnis ein Schnäppchen! Entsprechend groß ist logischerweise der Markt, auf dem authentische Plug-in-Produkte feilgeboten werden.

Neben den Native Instruments Klassikern und Allround-Waffen Battery und Kontakt, (welcher mit zahlreichen Erweiterungen mittlerweile auch in der Realismus-Abteilung sehr mächtig geworden ist) sind hier vor allem auch die Gigabyte-Brocken Toontrack und BFD zu nennen. Und da wir zu den Guten gehören, haben wir die selbstverständlich auch schon alle für euch getestet. Ihr findet die entsprechenden Links im Text und unter dem Test in “Verwandte Artikel”.XLN Audio, der Hersteller unseres heutigen Testkandidaten, verfolgt mit seinen Addictive Drums aber ein etwas anderes Konzept. Insgesamt werden hier viel weniger Samples benutzt und es findet eine Reduktion auf die wichtigsten und dabei unterschiedlich-klingenden Drum-Sets statt. Hier findet ihr den entsprechenden Test des Hauptprogramms dazu.Das umfangreiche, interne und ausgebuffte Processing von AD, wie es in Vorproduktions- und Songwriter-Kreisen gern genannt wird, ermöglicht es einem aber dennoch, die mitgelieferten Klänge nach eigenem Gusto bis ins Extreme zu verbiegen. Dennoch kann sich auch dieser Nischen-Anbieter nicht dem großen Strom entziehen, und präsentiert mit den „Addictive Drums abhängigen“ ADPaks Genre-typischen Sample-Nachschub. Und die entsprechenden Grooves für die eingebaute Library liefern MIDIPaks in Form fertiger MIDI-Beats.XLN Audio wäre aber nicht XLN Audio, wenn sie das Ganze nicht dennoch mit ihrem avantgardistischen Minimalismus verfolgen würden. Statt uns User mit Material zuzuschütten, konzentriert man sich hier deshalb teilweise lieber auf nur ein (1) neues Kit, was dem besonderen Verwendungszweck nach aber entsprechend aufwendig aufgenommen wurde.

Stück für Stück werden wir uns in weiteren Tests allen ADPak Erweiterungen nähern. Das „Indie“ ADPak haben wir ja bereits getestet.
Freut euch also noch auf: Retro, Metal, Funk und Reel Machines! Jetzt geht es uns aber erst mal um die ADPaks „Modern Jazz Brushes“ und „Modern Jazz Sticks“. 

DETAILS

Grundsätzliches zu Addictive Drums:
Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass sämtliche ADPaks von XLN Audio – also auch die hier getesteten – nicht „Stand-Alone“ funktionieren, also das Hauptprogramm Addictive Drums benötigen. Wer das Programm noch nicht kennt, sollte sich vorher den Test des Hauptprogramms anschauen.

Die beiden ADPaks „Modern Jazz Brushes“ und „Modern Jazz Sticks“ sind zwei separat erhältliche ADPaks, welche aber eine entscheidende Gemeinsamkeit besitzen: Für beide Verkaufseinheiten wurde ein und dasselbe Drumset abgenommen bzw. gesampled. Die Wahl fiel auf ein Premier Gen-X Kit, allerdings wurde die Snaredrum des Sets durch eine sehr schöne Ludwig Acrolite ersetzt. Die Becken hingegen stammen von Meinl, Paiste und Sabian. 

Für jedes ADPak wurde das Set – die jeweiligen Namen lassen es vermuten – jeweils anders bespielt. Demnach wurde bei „Modern Jazz Brushes“ das komplette Set mit Besen gestreichelt und die Bassdrum mit einem weicher klingenden Filzschlägel geklopft. Logischerweise hat man beim „Modern Jazz Sticks“ ADPak dann die Sticks aus dem Köcher gezogen. Die Bassdrum wiederum wurde mit einem härteren, vermutlich aus Kunststoff- oder Holz bestehenden, Schlägel bearbeitet.

Entsprechend der Spielweise mit dem Besen wurden die kleinen Bildchen innerhalb der GUI auch mit einem passenden Piktogramm versehen.

Zwei Mal dasselbe Set zu samplen hat mit Sicherheit nichts mit falscher Sparsamkeit zu tun, sondern macht vor allem aus musikalischer Sicht mehr als Sinn, zumindest wenn man beide Packs als Einheit betrachtet: Ein Wechsel von Besen zu Sticks im Verlauf eines Songs kommt ja auch in der Praxis gar nicht mal so selten vor. Es würde dann aber sicherlich nicht besonders homogen klingen, wenn man dazu auch gleich noch das komplette Set wechselt. Man sollte sich also mental schon mal auf  den Kauf beider Erweiterungen einstellen.

  • Kick : Premier Gen-X 18×14”
  • Snare: Ludwig Acrolite 14 X 5”
  • Rack Toms: Premier Gen-X 10 X 8” Hi, 12 X 8” Lo
  • Floor Toms: Premier Gen-X 14 X 14” & 16 X 18”
  • Cymbals: Meinl Byzance Med Ride, Sabian HHXtreme Crash 19”, Paiste Mellow Crash 18”, Meinl Byzance Crash 18”
  • Hi-Hat: Sabian HHX Groove Hats 14”
  • Xtras: Meinl Single Chrome Tambourine, Meinl Small BlackCowbell

Die beiden Jazz-Packs fallen außerdem noch durch einen anderen Umstand aus der ADPak Reihe: Normalerweise verfolgt XLN Audio das Konzept, neben den ADPaks auch noch, ausschließlich über den firmeneigenen Webshop erhältliche, MIDI-Packs anzubieten. Bei den Jazz-Paketen hat man sich indes etwas anderes überlegt und die ADPaks gleich vom Start weg mit einem großen Arsenal an MIDI-Grooves und Fills ausgestattet, sodass beim Brushes-Paket gleich mehr als 300 MIDI-Files, und beim Sticks Paket über 380 MIDI-Files mit an Bord sind. Ein weiteres Indiz dafür, am besten gleich beide Erweiterungen zu erwerben.

PRAXIS

Jazz am Rechner? Da sind Vorurteile “vorprogrammiert”, denn Jazz ist ein Genre, das denkbar ungeeignet ist, um am Computer (re-)produziert zu werden. Schließlich geht es im Jazz ja um Improvisation und das entsprechende „aufeinander Hören und Reagieren“. Ich denke aber, die hier angesprochene Zielgruppe sind User, die ein breites Spektrum an Sounds für ihre Produktionen benötigen, und manchmal muss es halt nach amtlichem Jazz klingen. Punkt! Dass ein „echter Swinger“ auf E-Drums im Verbund mit Addictive Drums umsteigen würde, glaub ich hingegen eher weniger. Es wäre aber theoretisch möglich.
ADPak “Modern Jazz Brushes”
Besonderes Augenmerk wurde bei diesem ADPak auf die Snare gelegt, was nahe liegt, da Besen auf diesem Instrument besonders zur Geltung kommen. Vollmundig kündigt XLN Audio deshalb die „Real Sweep Technology“ an, die es ermöglichen soll, realistisch fließende „Besenwischereien“ zum Klingen zu bringen; eine Aufgabe, die so manch andere Drum-Library, beziehungsweise dessen genervten User, gern zum Schwitzen bringt. Was verbirgt sich aber hinter der ominösen „Real Sweep Technology“?!?

XLNAudio_ADPakModernJazz_Sweep-Artikulationen

Nun, im Prinzip wurden einfach nur acht typische Besenartikulationen aufgenommen und entsprechend sinnvoll gemappt bzw. gescriptet. Der ganze Trick der Real Sweep Technology liegt in der Verknüpfung der Samples, denn die einzelnen Sweeps klingen einfach nur so lang nach, wie das Sample belassen wurde. Das heißt so viel wie: Auch wenn man die Taste loslässt, spielt der Sweep noch weiter, drückt man dann aber die nächste Taste so überlappen sich die Sweeps nicht, sondern wechseln sich einfach nur ab. 
Tatsächlich kann man so recht realistische Besenfiguren spielen und zum Beispiel Akzente in eine fließende, durchgehende Besenfigur setzen. Will man ein Sweep Sample stoppen, muss man das „Sweep Mute“ Sample bemühen, was ähnlich funktioniert wie das „Choke“Sample bei den Becken. Ob diese gut gemachte Programmierung der Besen-Snare allerdings den Namen einer „neuen Technologie“ benötigt, oder ob die Gründe in einer überhitzten Marketingabteilung zu suchen sind, kann nur jeder selbst für sich entscheiden. 
In dem folgenden Video habe ich zu Anfang einmal alle, auf die unterschiedlichen Tasten gemappten Sweep-Sample-Typen in der gleichen Velocity angespielt, um einen Überblick über das Klangverhalten der einzelnen Spielarten zu geben. Danach folgt ein kurzer, gespielter Basic-Jazzgroove.

Nun wollen wir aber noch hören, wie das Besen-Set in einem musikalischeren Zusammenhang klingt. Um das Ganze etwas mehr nach „echter Musik“ klingen zu lassen, habe ich noch einen Upright-Bass programmiert und dazu etwas Gitarre und Klavier gespielt. Was den Drum-Sound anbelangt, da habe ich mich dem Preset namens „Clean With Compression“ bedient. 

Audio Samples
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Jazzblues mit Premier Jazz Brushes Kit – Plus Guitar Jazzblues mit Premier Jazz Brushes Kit – Drums Only

In der Mitte des Audiobeispiels habe ich mithilfe des „Beat Transformers“ einen „Double-Time Part“ gebastelt. Das ginge zwar auch ohne den Transformer, zum Beispiel hätte ich die BPM in meinem Host verdoppeln können, aber ich finde diese Art des Transformierens weitaus praktischer.
Ein weiterer Vorteil des Beat Transformers ist, dass man sich direkt beim Durchsuchen der Grooves im Addictive Drums Player anhören kann, wie ein bestimmter Beat in Double- oder Halftime klingt und, ob das funktionieren könnte. Wo man den Beat Transformer findet und wie einfach er zu bedienen ist, das zeigt das nächste Filmchen.

Mir gefällt das Besenset wirklich sehr gut. Natürlich lässt sich dieses Set auch abseits des Jazz sehr schön einsetzen. Auch die Kombination von einzelnen Instrumenten des Sets, mit einem anderen der AD-Werks-Kits kann durchaus sinnvoll sein. Klingen beispielsweise in einem bestimmten Groove die Becken etwas zu aufdringlich, erfüllen die Besensamples an dieser Stelle oftmals einen sehr guten und unkomplizierten Job.
ADPak “Modern Jazz Sticks”
Zu dem Set des zweiten ADPaks dieses Tests wurde prinzipiell schon alles gesagt, denn es handelt sich ja um das gleiche Instrument, das eben dieses mal nur mit Sticks, einem härterem Kickdrum-Schlägel und einer Cowbell anstatt eines Tamburins gespielt wurde.
Beide ADPaks sind jeweils mit über 30 Presets bestückt, einen kurzen Einblick in die Soundvielfalt des ADPaks „Modern Jazz Sticks“ gibt das nächste Video. Der Anteil der Raumsignale macht dabei wie ich finde auf Anhieb den größten klanglichen Unterschied. Und um das zu zeigen, habe ich am Anfang des Films den Raum einmal ganz raus und wieder rein gedreht.

Die MIDI-Abteilung
Da ich mich zugegebenermaßen recht schwer tue mal eben ein paar Takte schöner swingender und möglichst lebendiger Jazz-Rhythmen zu programmieren, sind für mich die mitgelieferten MIDI-Grooves sehr hilfreich. Und da ich vermute, dass es nicht nur mir so geht, habe ich einen genaueren Blick auf die MIDI-Files geworfen.
Jeweils beide ADPaks verfügen über eine große Anzahl vorgefertigter Grooves und Fills, wobei die Zahl von über 300 MIDI-Files pro ADPak dann aber doch, etwas mehr verspricht, als sie eigentlich halten kann. Die mitgelieferten 320 Grooves des „Modern Jazz Sticks“ ADPaks zum Beispiel sind eingeteilt in vier Kategorien:

  • 10 Classic Jazz Grooves mit jeweils 8 Varianten
  • 10 Jazz Tom Grooves mit jeweils 4 Varianten
  • 10 Master Jazz Grooves mit jeweils 4 Varianten
  • 10 Modern Jazz Grooves mit jeweils 12 Varianten
  • 59 Modern Jazz Fills

Die Grooves sind amtlich gespielt, klingen organisch und es lässt sich auch gut mit ihnen arbeiten. Auch die Ordnerstruktur mit den Variationen der Grooves ist logisch aufgebaut, sodass man sich nicht durch endlose Dateilisten scrollen muss, sondern dank der guten Suchmöglichkeiten sehr schnell zu den gewünschten Beats gelangt.
Allerdings sind die Jazz Grooves für meinen Geschmack untereinander etwas zu ähnlich. Dadurch lassen sie sich zwar auch gut miteinander kombinieren, dennoch hätte dem Ganzen etwas mehr Abwechslung sicherlich nicht geschadet. Besonders bei den Classic Jazz Grooves und den Tom Grooves fällt mir das besonders auf: Die verschiedenen Tom-Grooves zum Beispiel sind für mich eher Variationen ein und desselben Grooves in unterschiedlichen Tempi. Um zu verstehen was ich meine, habe ich ein Video vorbereitet:

Weitaus mehr Abwechslung bieten erfreulicherweise die Master und Modern Jazz Grooves, insbesondere die zahlreichen Fills gefallen mir hier sehr gut. Für das nächste Audiobeispiel habe ich die Grooves „Modern Jazz Groove 001“ mit verschieden Varianten, etwa „Sidestick“ und „Tom Groove“ mit einigen passenden Fills kombiniert. Das Kit habe ich soundmäßig ganz clean in der Grundeinstellung belassen.

Audio Samples
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Jazzblues mit Premier Jazz Sticks Kit – Plus Guitar Jazzblues mit Premier Jazz Sticks Kit – Drums Only

FAZIT

Die beiden XLN Audio „Modern Jazz“ ADPaks Brushes und Sticks klingen sehr ausgewogen, rund und genretypisch. Der „amtliche“ Jazzdrum-Sound wurde insgesamt sehr schön eingefangen und MIDI-mäßig einfach abrufbar gemacht. Beide ADPaks sind eine echte Erweiterung für Addictive Drums und sollten als Einheit verstanden werden, da sie exzellent zueinanderpassen. Dennoch überzeugt vor allem das Brushes ADPak, da es die Addictive Drums um die wichtigen Besenspielarten erweitert, was auch Produktionen abseits des Jazz bereichern kann. Die zahlreichen mitgelieferten Grooves und Fills lassen auch User ohne Jazzdrummer-Hintergrund schnell zu guten Ergebnissen kommen. Sehr zu empfehlen!

Pro:

  • Zahlreiche sinnvolle Besenartikulationen im „Modern Jazz Brushes“ ADPak
  • Sehr schöner offener Grundsound
  • Mitgelieferte MIDI-Beats
  • Einfache Bedienung
  • Läuft stabil

Contra:

  • MIDI-Grooves untereinander etwas zu ähnlich
  • (Keine Stand-Alone Version)
XLNAudio_ADPakModernJazz_BrushesKit_Packshot

Features:

  • ADPak Modern Jazz Brushes:
  • 11 Schlagzeug Komponenten + Tamburin
  • 35 Presets
  • mehr als 300 Grooves und Fills als MIDI-Files
  • ADPak Modern Jazz Sticks:
  • 11 Schlagzeug Komponenten + Tamburin
  • 30 Presets
  • 320 Grooves und Fills als MIDI-Files
  • Systemanforderungen:
  • Voraussetzung: Addictive Drums
  • Format: VST, AU und RTAS
  • Mac: OS X 10.4, G5 oder Intel-Mac, 1GB RAM
  • PC: Windows XP, 2 GHz P4, 1GB RAM

Preis:

  • ADPak Modern Jazz Brushes : EUR 59,- (UVP)
  • ADPak Modern Jazz Sticks : EUR 59,- (UVP)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Zahlreiche sinnvolle Besenartikulationen im „Modern Jazz Brushes“ ADPak
  • Sehr schöner offener Grundsound
  • Mitgelieferte MIDI-Beats
  • Einfache Bedienung
  • Läuft stabil
Contra
  • MIDI-Grooves untereinander etwas zu ähnlich
  • (Keine Stand-Alone Version)
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XLN Audio ADPaks Modern Jazz Brushes und Modern Jazz Sticks Test
Für 49,00€ bei
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