Der Yamaha CS-70M ist ein grandioser Analog-Synthesizer, doch viel Glück hatte er nicht. Schon der Start im Jahr 1981 war für Yamahas zweitgrößten CS-Synthesizer nicht leicht. Zwar war der Synthesizer technisch mit Speicher, Kartenleser oder Autotune auf der Höhe der Zeit, stand aber im Schatten seines Vorgängers CS80. Prophet-5 und andere polyfone Analog-Synthesizer hatten sich ohnehin schon in Studios und auf Bühnen etabliert.
Der CS-70M bot keine besondere Individualität, erinnert sich der damalige Produktmanager Gert Drögemüller. Viel Zeit blieb dem eigentlich hervorragenden Instrument nicht. Zwei Jahre später wendete sich zudem das Blatt für alle analogen Synthesizer, als die FM-Synthese mit dem Bestseller Yamaha DX7 auf den Markt kam.
Den zwischen 1981 und 1984 gebauten Yamaha CS-70M findet man heute nur noch selten. Weder in Kleinanzeigen noch als Plugin lässt er sich öfter blicken. Nur mit viel Geduld ergattert man ein gebrauchtes Exemplar in technisch gutem Zustand zu einem akzeptablen Preis.
Polyfone Synthesizer der Yamaha CS-Serie
Bevor wir uns dem CS-70M widmen, streifen wir zunächst noch Yamahas polyfone CS-Synthesizer. Vor allem jüngere Musiker kennen sie kaum, obwohl Oberheim, Sequential oder Moog auch heute noch analoge Synthesizer produzieren. Das Kürzel „CS“ steht dabei für Control Synthesizer. In der Praxis bedeutet dies musikalisches Spiel und expressives Performen mit Controllern.
Die Serie begann mit dem CS50 (1976), nachdem Yamaha 1974 mit dem SY-1 sein Synthesizer-Debüt gegeben hatte. Als historisches Flaggschiff der CS-Serie gilt der Yamaha CS80 (1977). Gut zu wissen: Die ICs des CS80 wurden auch im CS-70M bzw. CS40M verbaut. Der CS-70M verfügt allerdings nicht über den Ribbon-Controller und den polyfonen Aftertouch des CS80. Ansonsten verkörpert er die leichtere Variante des Flaggschiffs, mit dem nicht zuletzt Vangelis berühmt wurde.
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Das Erbe quasi tritt seit 2015 der äußerst kompakte Yamaha Reface CS mit virtuell-analoger Klangerzeugung und bis zu acht Stimmen an. Die CS1x, CS2X und CS6x (1997–1999) sind wiederum Sample-ROM-basierte Synthesizer.
Yamaha CS-70M im Überblick
Das „M“ im Produktnamen steht nicht für MIDI, sondern für Memory. Insgesamt verfügt der Yamaha CS-70M über zweimal 15 Speicherplätze mit jeweils 39 Klangparametern. Dies funktioniert mit einem magnetischen Data-Card-System, mit dem man weitere CS-70M-Sounds extern speichern kann.
Yamaha bezeichnet den CS-70M als „Dual Channel Polyphonic Synthesizer“. Konkret handelt es sich dabei um zwei sechsstimmige Analog-Synthesizer mit insgesamt 12 VCOs, die sozusagen parallel arbeiten. Damit lassen sich sehr einfach komplexe Layer-Sounds und auch flexible Split-Kreationen realisieren. Eine weitere Besonderheit des CS-70M ist der polyfone Sequenzer. Er nimmt bis zu vier separate Phrasen auf und soll den Musiker in der Live-Situation entlasten. Tatsächlich ist der Yamaha CS-70M eher als Performance-Instrument denn als Studiogerät konzipiert. Angesichts seiner wuchtigen Erscheinung mag man das heute kaum glauben.
Raffiniert für die Klangsynthese ist der zusätzliche programmierbare LFO. Er wirkt auf VCO, VCF und VCA – einzeln oder kombiniert – und ist über Spielhilfen wie Rad oder Fußschalter musikalisch steuerbar.
Die Hardware des Yamaha CS-70M
Für heutige Verhältnisse ist der Yamaha CS-70M mit seinen knapp 30 Kilogramm ein Monstrum. Verglichen mit dem CS-80 relativiert sich das aber schnell, denn der bringt stolze 100 Kilogramm auf die Waage. Der CS-70M bietet neben den beiden klassischen Handrädern eine angenehm spielbare und druckdynamische Fünf-Oktaven-Tastatur. Eine Holztastatur mit polyfonem Aftertouch wie beim CS-80 ist es allerdings nicht.
Auf dem Bedienfeld des massiven Instruments befinden sich zahlreiche Knöpfe und Regler. Sie sind übersichtlich und auch sinnvoll nach Funktionen angeordnet. Auf der linken unteren Seite des Panels liegen Regler für intuitive Soundeingriffe: Hier kann man Parameter für Aftertouch bestimmen, Filter und Fußlagen verändern und auch die Lautstärkeverhältnisse zwischen den beiden Channels regeln.
Auf der Rückseite des Yamaha CS-70M wird der „Live-Faktor“ noch einmal deutlich. Hier kann man einige Schalter und Taster für die Performance anschließen. Auch die Verbindung zu anderen Yamaha-Synthesizern gelingt mit dem CS-70M. So können beispielsweise Solo-Synths wie CS5, CS15 oder CS40M angesteuert werden. Beide Kanäle werden zudem über XLR-Anschlüsse ausgegeben, zusätzlich stehen aber noch zwei unsymmetrische Audioausgänge zur Verfügung.
Yamaha CS-70M Spielmodi
Der Yamaha CS70 stellt seine Klangerzeugung in drei Modi zur Verfügung: Normal, Split und Unisono. Im Normal-Modus stemmt er zwei sechsstimmige polyfone Synthesizer. Sobald dann mehr als sechs Tasten gedrückt werden, erfolgt allerdings ein „Stimmen-Klau“ nach dem Prinzip der „Last Note Priority“. Die zuerst gespielte Note verstummt also.
Im Split-Modus kann man zwei Klänge in zwei Tastaturzonen spielen. Der Splitpunkt lässt sich zudem individuell festlegen. Zusätzlich kann man aber per Split-Schalter eine Stimmenaufteilung wählen: Im 2/4 Modus sind zwei Stimmen für den unteren Tastaturbereich beziehungsweise für den Sequenzer vorgesehen. Umgekehrt verhält es sich im 4/2 Modus. Hier ist es dann möglich, zwei Töne in der oberen Tastaturhälfte und vierstimmige Akkorde unterhalb des Splitpunktes zu spielen.
Im Unisono-Modus sind alle sechs Töne auf jedem der beiden Kanäle zu hören. Für fette Bass- oder Lead-Synths ist das also die richtige Wahl. Schließlich bleiben die insgesamt 12 VCOs des CS-70M dank der Autotune-Funktion praktisch immer stimmstabil.
Audiobeispiele Yamaha CS-70M
Oszillatoren, Filter, Hüllkurven und LFO
Der VCO des Yamaha CS-70M liefert die klassischen Oszillator-Wellenformen: Sägezahn, Rechteck, variable Pulswelle plus Rauschgenerator. Mit Feet 1 und 2 kann man die Fußlagen verändern und so tiefere und höhere Töne erzeugen, die außerhalb der fünf Oktaven der Tastatur liegen. Der VCA-Block stellt dabei noch einen Sinus-Oszillator zur Verfügung. Dieser eignet sich dann zusätzlich als klangliche Stütze oder zur Ringmodulation.
Audiobeispiele Yamaha CS-70M
Im CS70 stehen drei Filtertypen zur Verfügung. Alternativ zum Tiefpass können Hochpass und Bandpass resonanzfähig verwendet werden. Die ADSR-Hüllkurve des Filters wird dabei durch den Time X5-Schalter erzeugt. Dieser verlängert die Zeiten für Attack, Decay und Release um das Fünffache. Diese langen Hüllkurvenzeiten ermöglichen dann noch speziellere Effektklänge. Die Time X5-Funktion steht ebenfalls für die Volume-Hüllkurve zur Verfügung. Für einfache Vibrato- oder Wah-Wah-Effekte sorgt schließlich ein klassischer LFO mit drei verschiedenen Wellenformen. Dieser befindet sich auf der linken Seite des Panels.
Audiobeispiele Yamaha CS-70M
Programmierbarer LFO des Yamaha CS-70M
Bislang ist das Parameterangebot nicht besonders spektakulär. Der Yamaha CS-70M besticht jedoch mit einem umfangreich programmierbaren LFO. Er umfasst Sinus- und Sägezahnmodulation mit zusätzlichem Glide, Sample & Hold und sogar eine Ringmodulation. Diese verschiedenen Effekte kann man zudem gleichzeitig den Oszillatoren, der VCA-Sektion und sogar der Pulsbreite zuweisen. Spätestens hier wird klar, warum Yamaha den CS-70M mit dem Adjektiv „sophisticated“ schmückt, denn damit sind feine bis drastische Modulationen möglich. Der experimentierfreudige Synthesist kommt also hier voll auf seine Kosten.
Audiobeispiele Yamaha CS-70M
Sequenzer und Effekte des CS-70M
Der interne Sequenzer soll dem Keyboarder während der Live-Performance noch zusätzliche Hände geben: Der polyfone Sequenzer des Yamaha CS-70M besteht aus insgesamt vier einzelnen Speicherbänken mit einer Kapazität von jeweils 128 Steps. Jede Bank speichert dabei individuelle rhythmische Akkordmuster mit jeweils bis zu sechs Stimmen. Der Sequenzer richtet sich dabei auch nach dem gewählten Modus (Normal, Split, Unisono). Im Gegensatz zu den Presets gehen die Sequenzerdaten nach dem Ausschalten des Gerätes allerdings verloren.
Die Noten werden live eingespielt und können dann als Loop mit veränderbarem Tempo abgespielt werden. Eine Step-by-Step-Programmierung ist leider nicht möglich. An Klangmodulation ist ebenfalls nicht zu denken. Insgesamt ist der Vierfach-Sequenzer des Yamaha CS70 ein netter Zeitvertreib. Weder bei Live-Gigs noch im Studio wird man ihn aktuell ernsthaft nutzen.
Ähnlich verhält es sich mit den integrierten Analogeffekten. Der CS-70M verfügt über einen Chorus-Block mit Tremolo- und Ensemble-Effekt, die automatisch für beide Kanäle des Synthesizers gelten. Aktuelle Hardware-Effekte oder Plugins sind jedoch die bessere Wahl.
Audiobeispiele Yamaha CS-70M
Die Bedienung des Yamaha CS-70M
Nicht alle analogen Vintage-Synthesizer sind einfach zu bedienen. Auch der Yamaha CS-70M mit seinem speziellen Konzept als Dual Channel Synthesizer und seiner ausgefeilten LFO-Sektion will erst einmal verstanden werden. Die Bedienungsanleitung sollte man schon ein wenig studieren.
Am besten startet man mit nur einem Channel ohne Layer oder Splits und bearbeitet gespeicherte Sounds. Dazu muss man den Yamaha CS-70M in den Edit Mode schalten, denn erst dann kann man die Presets verändern. Leider zeigen sich beim Drehen an einigen Reglern grobe Auflösungen, sehr geschmeidige Filterfahrten sind so kaum möglich. Abhilfe schafft hier der Brilliance-Regler.
Idealerweise spielt man den CS-70M wie ein klassisches Musikinstrument. Er kann aber auch in ein MIDI-Setup eingebunden werden. Mit dem Kenton Retrofit Kit, das versierte Techniker nachrüsten können, empfängt der Yamaha-Synthesizer Noten (im Bereich von Nummer 36 bis 96) auf allen Kanälen. Zudem stehen Pitchbend, Modwheel, Aftertouch, Filterfrequenz, Sustain oder Portamento zur Verfügung. Allerdings sendet der CS-70M selbst keine MIDI-Daten.
Wie klingt der Yamaha CS-70M?
Die Factory Sounds verdienen heute keinen Applaus mehr. Deshalb ist es wichtig, eigene Kreationen zu schaffen. Immerhin liefern die Presets des CS-70M brauchbare Anhaltspunkte.
Der Yamaha-Synthesizer glänzt mit einem satten Basissound. Von druckvoll, perkussiv bis voluminös deckt er viele Klangeigenschaften ab. Rundet man den Sound des CS-70M noch mit Delay und Hall ab, wirkt er seidig, lieblich oder auch erhaben. Die prominenten Vangelis-Sounds aus dem Yamaha CS-80 geben dazu konkrete Beispiele. Der kleine Bruder CS-70M verhält sich da nicht viel anders. Er ist eher für klassische Synthesizermusik, Retro-Pop oder Soundtracks als für Techno geeignet.
Wie schon erwähnt: Der interne Ensemble-Effekt klingt etwas gewöhnungsbedürftig und führt zu einem sehr schwammigen Klangbild. Wer technisch versiert ist, kann ihn wahrscheinlich intern mit einem Trim-Poti einstellen. Ansonsten lässt man die Effekte einfach ausgeschaltet und greift auf die zahlreichen FX-Plugins zurück. In unserem Beispiel kommt der Valhalla Vintage Verb zum Einsatz.
Audiobeispiele Yamaha CS-70M
Software-Alternativen zum CS-70M
Nur die wenigsten Musiker besitzen einen Yamaha CS-70M. Zumindest gibt es brauchbare “Notlösungen”, bzw. ein “Schnuppern” auf Softwarebasis. Eine kommerzielle Emulation des CS-70M ist allerdings noch nicht erhältlich. Ein guter Tipp sind aber zwei VST-Instrumente, die den Yamaha CS-80 sehr gut nachbilden. Arturia beispielsweise bietet in der V-Collection seit einiger Zeit eine Nachbildung des CS-80V an. Im Advanced Panel des Plugins finden sich viele Funktionen für freie und temposynchrone Modulationen sowie eine üppige FX-Sektion.
Der GX-80 von Cherry Audio ist als einzelnes Plugin sehr günstig zu haben. Es enthält neben dem CS-80 sogar die sehr seltene Synth-Preset-Orgel GX-1. Hoffentlich entdecken einige Software-Entwickler den CS-70M noch als spannendes neues Projekt. Cherry Audio würde man es auf jeden Fall direkt zutrauen.
Schlussgedanken
Heute ist es anders als vor mehr als 40 Jahren: Als Vintage-Synthesizer bietet der Yamaha CS-70M bereits eine gewisse Exklusivität. Wer ein Original aus den 80er Jahren besitzt, sollte es wie einen Schatz hüten und hingabevoll spielen. Er wird ein Unikat bleiben, was ihn für Sammler begehrenswert macht. Yamaha selbst wird nie ein analoges CS-Modell nachbauen, und bei Behringer kann man bestenfalls spekulieren. Schließlich kann eine Emulation nicht das haptische Spielerlebnis vermitteln.
Fazit
Der Yamaha CS-70M fordert seinen Spieler heraus. Ungeübt kann er klingen wie eine alte Heimorgel. Der virtuose Synthesizer-Spieler entlockt ihm aber sehr beeindruckende Klänge, die an einen Yamaha CS-80 heranreichen. Auf jeden Fall muss man ihn musikalisch spielen und hochwertige Effekte hinzunehmen. Im Gegensatz zu analogen Vintage-Synthesizern wie dem Moog Minimoog oder einem Roland Jupiter-4, die praktisch immer gut klingen, verlangt ein CS-70M durchweg kompetente Zuwendung. Letztlich gehört der CS-70M in die richtigen Hände, egal ob Profi oder Amateur.
Pro
- Klanglich verwandt mit CS-80
- Dual Channel Konzept (Layer+Split)
- Pro Channel eigener Audio-Ausgang
- Tastatur mit Aftertouch
- Umfangreiche LFO-Sektion
- Speicherplätze, Data Card System
- Per Controller expressiv spielbar
Contra
- Kein Arpeggiator
- Ensemble-FX schwammig
- Gebraucht kaum zu erhalten
Die originale Yamaha CS-70M Bedienungsanleitung in englischer Sprache kann man hier einsehen.