Praxis
Der Aufbau
Sobald der schweißgebadete Postbote entnervt abschiebt, nachdem er einen dezenten Kubikmeter verpackten Elektro- und Elaste-Wahnsinns auf deine Fußmatte gestellt hat, sei dir sicher: Du siehst in eineinhalb Stunden noch schlimmer aus. Es kann auch direkt losgehen, außer einer Schere zum Aufschneiden der Packbänder brauchst du lediglich ein paar Pflaster für die anstehenden kleinen Schnittwunden, einen Stapel Handtücher für den Schweiß, ein paar Liter Wasser und frische Klamotten für danach. Eigentlich kann man beim Aufbau nicht viel verkehrt machen, die Aufbauanleitung ist gut verständlich und gut nachvollziehbar, es wäre aber trotzdem supernett, wenn man nicht jedes Scharnier und jede Klammer erst noch selber montieren müsste. Die Plastikscharniere sind nämlich sehr eng und ich muss mich auf eine Art und Weise auf die Rohre lehnen, die mich sehr unfreundlich an das von mir verhasste Spatenstechen der Rasenkanten in Muttis Garten erinnert. Ich drehe die Mittelstange also so, dass ich selbige und die Seitenstange mit der Kraft meiner zugegebenermaßen nicht sehr eindrucksvollen Muskeln miteinander verbinden kann, rutsche ab und ziehe mir im Nu mit den extrem scharfen Kanten der Stangen einen beachtlichen Fetzen Haut vom Arm.
Vielen Dank für Garnichts. Darüber hinaus bleibt mir vor allem das Anbringen des behelfsmäßigen Kabelschutzes ein Rätsel. Es handelt sich um eine elastische Kabelschlange, in die sich die vielen kleinen und vor allem an unterschiedlichen Stellen beginnenden Kabel nur hineinoperieren lassen, wenn man einen Doktortitel in Chirurgie und Mathematik besitzt. Vielleicht lohnt es sich, nochmal ein paar letzte Kröten aus dem Portemonnaie zu kratzen und sich direkt das DTX950k anzuschaffen, das immerhin mit dem Hexrack geliefert wird (neben der zusätzlichen Tom ist das der entscheidende Vorteil gegenüber dem DTX900k). Das Yamaha-Hexrack ist – so kann man der Beschreibung eines früheren bonedo-Tests entnehmen – ein meisterhaft durchdachtes und sehr stabiles Rack mit Metallklammern, flüssig laufenden Scharnieren und einem robusten Stangenwerk.
Der weitere Zusammenbau ist dann wieder selbsterklärend, die Kabel sind simpel markiert und lassen sich so in wenigen Minuten korrekt einstecken. Auch bei den Pads für die Hängetoms und die Snare besteht keine Verwechslungsgefahr, es sind die gleichen. Ich gehe davon aus, dass potenzielle Interessenten das Drumset im Keller einmal aufbauen wollen und dann nie wieder ab, alles andere wäre der reine Wahnsinn. Roadtauglich ist dieses Set in der Testkonstellation nicht, höchstens bei Verzicht auf das Rack. Aber was spräche dagegen, die Instrumente mit üblichem Ständerwerk zu montieren? Höchstens die monumentale Standfestigkeit, denn die zur klassischen Hardware-Line von Yamaha gehörenden oberen Teile der Beckenhalterungen, Snare- und Hi-Hat-Ständer sowie die schon vor Urzeiten patentierte Ball-Mount zur Anbringung der Tompads ließen sich ganz einfach auf entsprechende Unterbauten montieren, so man gewillt ist, diese zusätzlich zu erstehen. Jedenfalls sieht das fertig montierte Kit mit Kabeln und Rack so aus:
Spielspaß mit Hürden
Ich werfe das erste Preset an, unter dem laut Bezeichnung eine Simulation eines Natur-Drumsets des Yamaha-Katalogs gespeichert sein soll. Gewohnt dynamisch spiele ich denn auch los und stolpere in den ersten Sekunden über alles, was einen an vielen E-Drums seit Jahrzehnten stört:
1.: Aufgrund von nur vier Dynamikstufen, die unter Instrumenten der Presets des Moduls abgespeichert sind, knallt einem hin und wieder ein Schlag um die Ohren, der eigentlich als Ghostnote gedacht war.
2.: Die Pads sind derart stramm, dass ich beispielsweise den Doppeltrigger-Effekt erst nach etlichen Einstellversuchen unterdrückt bekomme.
3.: Die Sounds der Natur-Drumsets sind nicht sehr realistisch.
Dynamik? Ich kann nicht lauter!
Dass die Akustik-Kits des DTX auf tatsächlichen Sample-Sounds basieren sollen, ist schön, leider bekommt man davon nur nicht viel mit. Das liegt vor allem daran, dass das Modul nur sehr wenige Dynamikstufen anbietet. Was passiert, wenn der Trommler also gefühlvoll und dynamisch spielt, sich dieses aber nur in einer überschaubaren Zahl Lautstärkestufen ausdrückt, könnt ihr hier hören:
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Wenn der Trigger zweimal klingelt
Doppeltrigger beim DTX900k bedeutet beim Spiel der Bassdrum: Der Beater wird bereits von der knallharten Spielfläche zurückgeworfen, während der Fuß sich noch in der Abwärtsbewegung befindet. Der Beater wird also abermals in Sekundenbruchteilen auf das Fell geworfen und löst aufgrund der rudimentären Dynamikdifferenzierung des Drumsets einen zweiten Bassdrum-Sound aus. Auch auf der Snare ist dieser Effekt zu beobachten.
Es gibt auch eine Funktion auf dem Modul mittels der man die Zeitfenster-Einstellung (Rejection Time) der Trigger verändern kann, denn auch nach einen Factory-Reset mit den vermeintlich optimalen Grundeinstellungen und eines ausführlichen Eingriffs am Modul komme ich nicht zum gewünschten Ergebnis. Mittels besagter Funktion gelingt es mir dann tatsächlich, die für mich perfekte Trigger-Einstellung herzustellen.
Sounds
Das ewige Lied von den coolen Sounds findet auch beim DTX900 eine weitere Coverversion seiner selbst. Es mag schon sein, dass die Basis der Akustik-Simulationen von echten Drumsets stammt, aber ein echtes Yamaha Birch Custom klingt doch eigentlich ganz gut! Ich kann mich hier ruhig als Fan der akustischen Drumsets von Yamaha zu erkennen geben, und so wie diese klingt kein einziges.
Das liegt daran, dass die ursprünglichen, tatsächlich echten Sounds ihres natürlichen Sustains und Hallraums beraubt und stattdessen mit elektronischen Simulationen von Reverbs und Sustains ausgestattet wurden, damit erstens die Sounds latenzfrei abgespielt werden können und zweitens die Parameter individuell einstellbar sind. Hat man sich allerdings ein wenig daran gewöhnt, ist das Ohr auch nicht mehr ganz so kritisch und hört über die klanglichen Abwege des DTX900 hinweg. Im Übrigen ist die Klangemulation bei vielen E-Drumsets unserer Tage eher dürftig. In diesem Kontext sind die Sounds der Yamaha-E-Drumsets als ausreichend zu bewerten. Zu Hochform laufen die E-Module aller Arten erst dann auf, wenn es um die Simulation elektronischer Klänge geht – welch Wunder.
Der Funktionsumfang des Moduls
Das Modul kann sehr viel. Beispielsweise lassen sich Samples über den Aux-Eingang mittels diverser Klangquellen einspeisen, was sich allerdings als etwas umständlich erweist. Der Ablauf ist in etwa folgender: Man nimmt sich beispielsweise ein Mikrofon, stöpselt es an den Aux-In und drückt sich durch die Menüführung bis zur Aufnahmefunktion. Das bereits ist ein sehr umständlicher Arbeitsschritt, aber hat man dann ein Geräusch aufgenommen, wird es noch umständlicher. Der Sound muss jetzt in der groben Pixeldarstellung des kleinen Screens geschnitten werden, so setzt man also den Anfangspunkt des Soundfiles sowie dessen Ende durch langwieriges Kurbeln am Drehrädchen fest. Im Beispiel dreier Files, die ich in das Modul ‘gebeatboxt’ habe, war der optisch erkennbare Startpunkt des Soundfiles nicht gleichbedeutend mit dem tatsächlichen Startpunkt des Klangs. Das fällt dann wohl in die Rubrik “Bug”. Will man sich allerdings nicht die Mühe machen,selbst Sounds aufzunehmen, ist glücklicherweise ein USB-Port vorhanden, über den sich relativ schnell normale Soundfiles laden lassen. Diese können dann bestimmten Spielflächen zugewiesen werden. Das ist immerhin eine funktionale Umsetzung und bietet die schöne Möglichkeit, das Modul als Sampler zu benutzen. Dynamisches Spiel wird dann durch die interne Lautstärkeanpassung simuliert – eine Zuweisung unterschiedlicher Sounds zu unterschiedlichen Latenzstufen ist allerdings nicht möglich.
Des Weiteren verfügt das DTX900 über einen Digital-Out sowie dankenswerterweise über sechs “Individual Outputs”. Diese Einzelausgänge machen es möglich, dass ein Tonmann in einer Live-Umgebung oder im Studio sechs einzelne Instrumente des Drumsets getrennt abgreifen kann, um den Mix an die Location und die Ansprüche der musikalischen Umgebung von seinem Pult aus anpassen zu können. Das ist eine wichtige Komponente für ein Modul, das professionellen Ansprüchen genügen möchte. Außerdem lässt sich mittels kleiner Fader ein interner Mix erstellen, das ist sehr praktisch und lässt sich schnell umsetzen. Mittels insgesamt zwölf Funktionstasten lässt sich durch diverse komplizierte Untermenüs navigieren. Viele Parameter des DTX900-Drumsets sind justierbar, darunter Reverb, Klang, die Empfindlichkeit der Pads, Lautstärke, Attack, die Speicherung der Sounds auf unterschiedlichen Drumsets, die Helligkeit des Screens, die Geschwindigkeit der Play-Alongs, Positionierung diverser virtueller Mikrofone, alle bereits angesprochenen Sample-Funktionen und so weiter und so fort. Die entscheidende Frage ist: wer will dann so tief in die Arbeit eines elektronischen Drumsets eingreifen, wenn es die wesentlichen Voraussetzungen einer guten Drumset-Emulation nicht beherrscht? Dass die Klangerzeugung über den gleichen Chip läuft wie diejenige der Motif-Synthesizer hat in Sachen Bedienbarkeit also durchaus negative Auswirkungen des Plattform-/Baukastenprinzips aus dem Automobilbau zur Verringerung der Entwicklungskosten zur Folge. Wer auf eine Drum-VST-Lösung am Rechner (beispielsweise Addictive Drums) zugreifen möchte, dem steht eine MIDI-Schnittstelle auf der Rückseite des Moduls zur Verfügung. Mit sehr geringer Latenz werden dann die Midi-Signale der Trigger, die wesentlich umfangreichere Informationen liefern als das Modul verarbeiten kann (nämlich die üblichen 127 Midi-Stufen), an eine Soundkarte geschickt und am Rechner in Klänge umgewandelt. Ein hübsches Beispielvideo mit einer derartigen Umsetzung habe ich auf Youtube gefunden: Drum Play-Along mit Addictive Drums und einem DTX900-Modul.
Kein Rimshot? Waaaarum?
Der Knaller ist meines Erachtens – neben den bereits besprochenen wenigen Dynamikstufen – dass es nicht möglich ist, einen Mischsound zwischen Rim und Schlagfläche der Snare zu erzeugen. Trifft man bei einem akustischen Drumset Rim und Snare gleichzeitig, ertönt ein heller, singender Knall, der aus dem Staucheffekt und der damit zusammenhängenden direkten Anregung des Rims resultiert. Beim DTX900 wird in einem solchen Fall entweder der Sound des unteren Rims getriggert oder der des Schlagfells, niemals eine Mischung aus beiden. Sehr viele Trommler sind so vernarrt in ihren Rimshot, dass sie gar nicht wissen, wie sie einen Schlag ohne Rim auf der Snare ausführen sollen. Sollen die sich nun ändern oder Yamaha?
Latenzen
Beim Thema Latenz schneidet das DTX900 mit insgesamt neun Millisekunden Verzögerung schlechter ab als das TD30 oder das TD15 von Roland. Auch das Drumset von 2Box steht mit seinen fünf Millisekunden besser besser da.
Im Spiel spürbar ist die Latenz allerdings nicht, erst beim Konkurrenz-Set von Pearl, dem Pearl E-Pro Live ist die verzögerte Klangerzeugung bei satten 16 Millisekunden deutlich zu hören und zu fühlen.