Praxis
Klein und leicht, das sind meine ersten Gedanken, als ich den MX49 auspacke. In seinem schwarzen Plastikgehäuse bringt der Synth mit 49 anschlagdynamischen, normal großen Tasten gerade einmal 3,8 kg auf die Waage. Hätte er Befestigungsmöglichkeiten für einen Gitarrengurt, könnte man ihn sich also in bester Herbie-Hancock-Manier um den Hals hängen und losrocken. Das Gehäuse wirkt trotzdem stabil verarbeitet. Auch die Bedienelemente machen einen langlebigen Eindruck. Vor allem die beiden Räder für Pitch Bend und Modulation fühlen sich sehr gut an, aber auch die Drehregler und Taster wirken nicht so, als gingen sie schnell kaputt. Die leichtgängige Plastiktastatur klappert ein bisschen, erfüllt ihren Zweck aber gut – zumindest bei Synth-Sounds. Für eine feinfühlige Bedienung der Piano- und E-Piano-Klänge arbeitet sie zu undifferenziert, ein Ersatz für das Stage-Piano ist der MX trotz seines großen Klangangebots also nicht. Für das Spielen von Synths, Bässen und Flächen eignet sich die Tastatur aber gut und ist damit prädestiniert für die Musikproduktion am Computer.
Sound
Kommen wir nun zum Wichtigsten – dem Sound. Der MX49 bietet eine breite Palette von “Brot-und-Butter-Sounds”, die akustische Instrumente und Synths gleichermaßen abdecken. Auch das Angebot an Drumkits ist groß und beinhaltet neben Standard-Trommeln auch allerhand Sounds für aktuelle Dance- und Hip-Hop-Beats. Somit ist alles vorhanden, um komplette Songs zu produzieren.
Bei so vielen Sounds sind natürlich nicht alle gleich gut. In jeder Kategorie gibt es einige Highlights, aber auch etwas “Beiwerk”. Die akustischen Pianos und die Streicher gefallen mir für ein so günstiges Keyboard gut, die E-Pianos und Orgeln kommen dagegen recht kraftlos daher. Erfreulich ist das große Angebot an Synth-Bässen, -Pads und -Leads, die vor allem in Verbindung mit den Drehreglern Spaß machen. Dabei ist natürlich klar, dass der MX als samplebasierter Synth nicht den Druck und die Durchsetzungsfähigkeit eines spezialisierten, z.B. virtuell-analogen Synthesizers erreichen kann. Trotzdem bekommt man hier für den Einstieg einen anständigen Grundstock an Sounds, mit denen man einfach loslegen kann. Hier hört ihr einige Beispiele:
Die Effektsektion, mit der sich die Sounds noch aufhübschen lassen, bietet zwei globale Send-Effekte (Reverb und Chorus/Delay, jeweils mit mehreren Typen), die für alle Parts einer Performance gemeinsam zur Verfügung stehen. Die Send-Levels lassen sich für jeden Part separat einstellen. Zusätzlich gibt es in jedem Part einen Insert-Slot, der mit einem von 48 Effekten bestückt werden kann. Hier gibt es Delays, Modulationseffekte, Verzerrer, Amp-Simulationen, Dynamics und vieles mehr. Innerhalb einer Performance können bis zu vier Insert-Effekte gleichzeitig aktiv sein. Ein Master-EQ rundet die Effektpalette ab.
Schrauben und Tweaken
Jede Voice verfügt über ein Tiefpassfilter mit Resonanz und eigener Hüllkurve, eine Amp-Envelope und einen syncbaren LFO, der auf Pitch, Filter und Amp wirken kann. Genau einstellen lassen sich diese Parameter nur recht umständlich im Menü. Trotzdem hat man die Möglichkeit auch während des Spielens am Sound zu drehen – dafür haben wir ja die vier Regler an Bord.
Die Drehregler können entweder auf Part 1, Part 2 oder auf beide gleichzeitig wirken. Drei Belegungs-Sets stehen zur Verfügung und lassen sich per Knopfdruck umschalten. Das erste Set besteht aus Cutoff, Resonanz sowie Hall- und Chorusanteil. Im zweiten Set finden wir die vier Hüllkurvenparameter Attack, Decay, Sustain und Release, wobei hier die Amp-Hüllkurve gemeint ist. Das dritte Set bietet Volume, Pan und zwei zuweisbare Funktionen.
Die Regler rasten in der Mittelstellung ein und verändern die Parameter nur relativ zum in der betreffenden Voice gespeicherten Wert. Das ist dem konsequenten Multimode-Konzept des MX49 geschuldet. Daher fällt der Regelweg bei verschiedenen Sounds recht unterschiedlich aus. Je nach Voice kann “Cutoff auf 2 Uhr” etwas völlig anderes bedeuten. Wenn das Filter zum Beispiel in der Voice normalerweise ganz offen ist, passiert überhaupt nichts, wenn man den Cutoff-Regler aus der Mittelstellung nach rechts dreht – der gesamte aktive Regelweg liegt links. Konsequenterweise muss man nach dem Umschalten eines Sounds die Werte aus der “neutralen” Mittelstellung abholen, bevor sich etwas tut.
Das Einrasten macht bei der relativen Auslegung der Potis Sinn, verhindert aber zum Beispiel glatte Filtersweeps, weil man in der Mitte immer kurz hängenbleibt. Vor allem beim Filter-Schrauben fällt zudem die relativ grobe Auflösung unangenehm auf. Besonders bei hoher Resonanz hört man deutlich, wie das Filter durch die Werte “springt”. Beide Nachteile sind im folgenden Beispiel zu hören (zunächst wenig, dann viel Resonanz):
Echtes Schraub-Feeling kommt also leider nicht auf. Dennoch ist es schön, diese Regler an Bord zu haben, denn immerhin kann man mit ihnen live in den Sound eingreifen, ohne sich durch Menüs quälen zu müssen. Mit echten, direkt mit der Klangerzeugung verknüpften Potis haben sie aber nicht viel zu tun.
Arpeggiator und Rhythmuspatterns
Ein umfangreicher Arpeggiator gehört heutzutage ja schon zum guten Ton, und natürlich hat auch der MX einen an Bord. Dieser ist allerdings eher als eine Art Phrasensequenzer zu verstehen: Es gibt sage und schreibe 999 unterschiedliche Patterns für die verschiedensten Instrumente, unter denen neben klassischen Arpeggiofiguren zum Beispiel auch Piano-Begleitrhythmen, Gitarren-Pickings und Bläserlicks zu finden sind. Die Patterns lassen sich leider nicht bearbeiten, aber die Auswahl ist so groß, dass für fast jeden Bedarf etwas dabei sein sollte. Die Arpeggiator-Sequenzen können auch über MIDI ausgegeben werden.
Als Inspirationsquelle eignen sich die zahlreichen Rhythmuspatterns, die man zum eigenen Spiel abfahren kann. Damit steht fast eine Art Begleitautomatik zur Verfügung, die zum Jammen und Improvisieren einlädt. Die Patterns können ein guter Ideengeber sein und auch als Startpunkt für eigene Kompositionen dienen. Hier hört ihr ein paar Beispiele der Drumpatterns des MX49:
Benutzt man die Patterns in Verbindung mit dem Arpeggiator, kann das zum Beispiel so klingen wie in den nächsten Beispielen. Viele der voreingestellten Performances sind solche “Jam-Vorlagen”, die beim ersten Tastendruck ein Rhythmuspattern starten.
Für dich ausgesucht
DAW Remote
Der MX49 lässt sich zur Fernbedienung einer DAW-Software verwenden. Auch Softwaresynthesizer können ferngesteuert werden. Besonders komfortabel ist die Integration mit Cubase (die Version AI 6 liegt dem Synth bei) und den Cubase-eigenen Synths wie HALion Sonic, aber auch für die DAWs Logic, Digital Performer und Sonar sind Profile enthalten, allerdings mit deutlich eingeschränktem Funktionsumfang.
Ist alles richtig eingestellt und der Modus DAW REMOTE aktiviert, kann man vom MX aus die Transportfunktionen der DAW steuern (allerdings wurde interessanterweise der Aufnahmeknopf vergessen, die Aufnahmefunktion muss man einem der freien Buttons per Hand zuweisen). Das DATA-Rad lässt sich im Remote-Betrieb unter Cubase auch als Jog/Shuttle-Wheel verwenden . Außerdem ist es möglich, Spuren hinzuzufügen und mit VST-Instrumenten zu bestücken, und auch die Automation kann vom MX aus aktiviert werden. Für diese Funktionen sind im DAW-REMOTE-Modus die Kategorietaster zuständig, von denen sich einige auch frei belegen lassen. Damit wird der Griff zur Maus tatsächlich in vielen Fällen unnötig.
Im Test verlief die Einrichtung unter Cubase wie am Schnürchen, während in Logic recht komplizierte manuelle Zuweisungen im Bedienoberflächen-Setup nötig waren, bis alles wie gewünscht lief. Ohne den einen oder anderen Blick in das auf CD-ROM beiliegende Referenzhandbuch ging es nicht. Anwender anderer DAWs als Cubase sollten sich also darauf gefasst machen, dass die Fernsteuerung per MX49 kein idiotensicherer Plug&Play-Prozess ist und eventuell hinter ihren Erwartungen zurückbleibt. Mit dem mitgelieferten Cubase klappt es aber auf Anhieb und funktioniert wie erwartet.
Für die Fernbedienung von Software-Synths sind im MX49 etliche vorgefertigte Controller-Mappings angelegt, die es ermöglichen, Parameter des Softsynths über die vier Drehregler des MX zu steuern. Auch hier sind die Regler jeweils dreifach belegt. Unter den voreingestellten Setups sind Profile für die verschiedenen Cubase-Synths, aber auch andere beliebte Software-Instrumente zum Beispiel von Arturia, Native Instruments und Spectrasonics. Weitere Mappings kann man mithilfe der Software MX49_MX61 Remote Editor, die bei Yamaha als Download erhältlich ist, selbst anlegen. Der MX hat interne Speicherplätze für 50 solcher Controller-Profile. Wird Cubase verwendet, erscheinen die jeweils auf den Reglern liegenden VSTi-Parameter sogar im Display des MX, und die Steuerungsvorlage schaltet beim Wechsel der Spur bzw. des Instruments automatisch um. Mit anderen DAWs funktioniert das leider nicht.
Sven sagt:
#1 - 21.01.2013 um 02:16 Uhr
Hallo zusammen,
nach dem lesen mehrerer Testberichte ist mir immernoch nicht klar, ob die "Integration" mit der der MOTIFs zu vergleichen ist: Kann man über Cubase die Sounds des Synthies anwählen und durchsuchen? Das würde das kleine Display bei der Mitbenutzung des Rechners natürlich entlasten!
Beste Grüße,
Sven
Matthias H. sagt:
#2 - 25.10.2020 um 17:09 Uhr
Hi, habe mal eine Frage: "Die ersten beiden Parts einer Performance sind zum Spielen auf der Tastatur gedacht ... während die Parts 3-16 ... von außen via MIDI angesteuert werden können. Das heißt im Klartext: Wenn man den MX ohne Computer betreibt, befasst man sich im Normalfall nur mit den Parts 1 und 2."
-> Aber man kann doch von außen via Midi nicht nur über einen Rechner gehen, sondern auch über ein anderes Midi-Keyboard, oder?
Das kapier ich nicht so recht, wäre mir aber wichtig....