Mit dem PSR-S950 hat Yamaha vor kurzem ein neues Keyboard in der oberen Mittelklasse präsentiert. Da die Japaner mit dem Tyros 4 seit Jahren marktführend in der Entertainer-Szene sind, waren wir gespannt, wieviel von diesem Knowhow inzwischen eine Etage darunter angekommen ist. Vielleicht kann der Neuling seinem großen Bruder ja sogar Konkurrenz machen – schließlich wurde der Tyros nun schon eine Weile nicht mehr grundlegend renoviert. Also haben wir uns ein Exemplar besorgt und auf Herz und Nieren geprüft.
Mit knapp 2000 Euro schlägt die Anschaffung des PSR-S950 zu Buche – das ist nicht gerade wenig, aber deutlich günstiger als das Topmodell. In dieser Preisklasse konkurriert der Nachfolger des PSR-S910 mit dem Korg Pa800 und auch mit dem PSR-A2000 aus gleichem Hause, das aber mit seinem Fokus auf orientalischen Klängen etwas anders positioniert ist. Jedenfalls darf man zu diesem Preis schon einiges erwarten – die Messlatte hängt nicht zuletzt durch Yamahas bisherige Modelle recht hoch. Wie sich der Neuling in der Praxis schlägt, klärt dieser Test.
Details
Äußerlichkeiten
Noch in der letzten Generation glänzten die Mittel- und Oberklassekeyboards von Yamaha silbern. Das hat sich nun geändert: Nach der Jubiläumsausgabe des Tyros tritt nun auch das PSR-S950 in schwarz an. Anscheinend werden wir Zeuge eines Redesigns der gesamten Flotte. Das Instrument steckt in einem stabilen Plastikgehäuse. Gegenüber dem PSR-S910 ist es etwas schwerer geworden und bringt nun 11,5 kg auf die Waage, was vor allem am neuen Lautsprechersystem liegen dürfte. Transportabel genug ist das Instrument damit aber immer noch. Mitgeliefert wird neben dem Netzteil und der Bedienungsanleitung ein aufsteckbarer Notenhalter, der dem Attribut “obere Mittelklasse” leider überhaupt nicht gerecht wird. Das Utensil ist aus dem gleichen billigen Plastik wie die Notenhalter der günstigsten Yamaha-Keyboards und wirkt im Vergleich zur ansonsten gediegen-imposanten Erscheinung des PSR-S950 etwas schäbig. Seinen Zweck erfüllt er dennoch.
Auf den zweiten Blick fällt auf, dass das Bedienfeld etwas anders angeordnet ist als beim Vorgängermodell. Die Bedienelemente sind zusammengerückt und gruppieren sich enger um das Display herum. Auch das ist wohl den neuen, größeren Lautsprechern geschuldet. Geblieben ist hingegen das Prinzip, dass die Knöpfe, die man während des Spielens hauptsächlich braucht (also Style-Steuerung, Registrierungen, One Touch Settings, etc.) weiß hervorgehoben, zumeist mehrfarbig beleuchtet und in einer Reihe direkt oberhalb der Tastatur angeordnet sind. Die Klaviatur besteht aus 61 anschlagdynamischen, leicht gewichteten Tasten ohne Aftertouch – nichts Neues auf diesem Gebiet.
Das zentrale Farbdisplay misst 5,7 Zoll und 320×240 Pixel. Das ist die halbe Auflösung der Tyros-Anzeige, entspricht jedoch dem Standard in dieser Klasse und reicht auch aus, um alle notwendigen Informationen in einer angemessenen Größe darzustellen. Herausklappen und anwinkeln wie beim Tyros lässt sich der Bildschirm aber nicht. Rechts und links des Displays liegen zehn Auswahltaster, die je nach Bildschirminhalt verschiedene Funktionen übernehmen. Auch die Navigations-Elemente wie die Buttons zum Blättern durch Displayseiten und das große Datenrad nebst Enter– und Exit-Knöpfen sind direkt am Display angeordnet. Mit ein paar speziellen Knöpfen lassen sich oft benötigte Displayseiten wie der Mixer direkt aufrufen. Unterhalb des Bildschirms liegen acht Plus-/Minus-Paare, die die gleichen Funktionen wie die Schieberegler des Tyros übernehmen: Mixersteuerung, Parametereinstellung und Orgelzugriegel.
Auf der linken Seite des Bedienfelds befinden sich der Netzschalter, der Lautstärkeregler und die Song- und Style-Sektionen zur Auswahl der gewünschten Begleitung. Auch der Song Recorder, die Tempo-Taster (mit Tap-Button), die Transpose-Funktion und das Metronom haben hier Platz gefunden. Ein weiterer Knopf bietet Zugriff auf die Mikrofoneinstellungen und die Vocal Harmony-Funktion.
Auf der rechten Seite finden wir zunächst die Kategorie-Taster zur Auswahl der Voices, also der Klänge, die man auf der Tastatur spielt. Die Voice Control-Abteilung kümmert sich um Spielhilfen wie die automatische Harmonisierung sowie um die DSP-Effekte. Weggelassen wurde leider abermals ein Taster zur schnellen Regulierung des Halleffekts. Das wäre in meinen Augen mindestens ebenso wichtig wie der direkte Zugriff auf die DSP-Effekte – vor allem, weil bei den Presets nicht mit Hall gegeizt wurde.
Die ergonomisch günstig angeordnete, weiße Knopfleiste oberhalb der Tastatur besteht aus großen, griffigen Tastern für die Funktionen, auf die man während des Spielens schnell und häufig zugreifen muss. Die meisten dieser Knöpfe sind mit mehrfarbigen LEDs bestückt, die je nach Betriebszustand rot oder grün leuchten oder blinken. Im linken Bereich befindet sich die Style-Steuerung mit den Buttons für Start/Stop, Variationen, Intros, Endings und so weiter. So kann man mit der linken Hand problemlos zwischen zwei Akkorden ein Fill-In einschieben. Rechts daneben folgt die Registrierungs-Abteilung mit Banktastern und acht Auswahlbuttons. Noch weiter rechts befinden sich vier Multipads, mit denen sich kurze Phrasen und Loops “abfeuern” lassen. Sie lassen sich auch mit Audiodateien bestücken – so wird das PSR-S950 zum kleinen Phrasensampler. Vier Taster für die vier “One Touch Settings” pro Style und zwei praktische Oktav-Buttons für die Upper-Parts bilden den Abschluss.
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Anschlüsse
Bis auf die vorne links angebrachte Kopfhörerbuchse befinden sich alle Anschlüsse des PSR-S950 an der Rückseite. Gegenüber dem Spitzenmodell Tyros muss man hier einige Abstriche machen; so bietet das PSR-S950 zum Beispiel keinen zweiten Stereoausgang und auch keinen Loop-Send. Ansonsten ist aber alles vorhanden, was man braucht. Ein Stereo-Lineausgang (2x 6,3 mm Klinke) dient der Verbindung zu einem Mischpult oder einer PA. Außerdem gibt es einen Line- oder Mic-Eingang (umschaltbar, 6,3 mm Klinke) mitsamt Regler für die Eingangslautstärke. Schade, dass hier keine XLR-Kombibuchse wie beim Tyros verbaut wird! Der zusätzliche Stereo-Auxeingang (Miniklinke) lässt sich zum Beispiel für einen Audioplayer verwenden.
Ein MIDI In/Out-Paar muss genügen, was es ja aber in 99% der Fälle auch tut. Die beiden Pedalanschlüsse lassen sich flexibel mit Sustain- oder Expressionpedalen bestücken und vielfältig konfigurieren. So können die Pedale zum Beispiel auch Registrierungen weiterschalten oder die Start-Stopp-Funktion der Begleitung übernehmen. An den Videoausgang kann man einen externen Monitor anschließen, der dann zum Beispiel Songtexte anzeigen kann. Schließlich gibt es noch zwei USB-Buchsen, von denen eine für einen Speicherstick gedacht ist. Der zweite USB-Anschluss dient der Verbindung mit einem Computer und kann MIDI-Daten übertragen. Mithilfe der von Yamaha kostenlos erhältlichen Software MusicsoftDownloader können auch Inhalte wie Midifiles, Styles und User-Einstellungen über USB zwischen Computer und Keyboard hin- und hergeschoben werden. Leider ist diese Software aber nur für Windows verfügbar – Mac-Benutzern bleibt nur der Umweg über einen USB-Stick.
Lautsprecher
Die Lautsprecher des PSR-S950 wurden gegenüber dem Vorgängermodell überarbeitet. Zwei Kombinationen aus je einem 13 cm großen Tief-/Mittel- und einem 2,5 cm Hochtöner sollen für einen noch druckvolleren Sound sorgen. Gleichzeitig ist die Verstärkungsleistung auf 2x 15 Watt angewachsen. Das ist zwar etwas weniger als es die Konkurrenz von Korg bietet, reicht aber in der Praxis absolut aus. Leider lassen sich die Lautsprecher nicht komfortabel abschalten, wenn sie zum Beispiel auf der Bühne nicht benötigt werden – hierfür ist man weiterhin auf einen Klinkenstecker im Kopfhörereingang angewiesen. Aus den Speakern kommt ein satter, druckvoller Sound, der auch bei hohen Lautstärken klar und differenziert bleibt. Für eine kleinere Chorprobe ist man damit schon gut gerüstet – für den Heimbereich sowieso. Ein Master-EQ steht bereit, um den Sound an die räumlichen Gegebenheiten anzupassen.
Sounds und Styles
Alle Keyboards in dieser Klasse haben Hunderte von Sounds – mehr, als man sich merken kann. Von daher ist die nackte Anzahl eher uninteressant. Der Vollständigkeit halber: Gegenüber dem Vorgängermodell wurde das Klangangebot erweitert und umfasst nun 786 Keyboard-Voices und die kompletten XG-, GM2- und GS-Klangpaletten für das Song-Playback. Hinzu kommen 33 Drum- und SFX-Kits. Da sollte doch für jeden Bedarf etwas dabei sein. Ebenfalls erweitert wurde die Anzahl der bekannten Yamaha-Spezialklänge mit den etwas albernen Namen Sweet! (27), Live! (39) und Cool! (64) sowie die besonders umfangreich ausgestatteten Super Articulation Voices, von denen nun 62 an Bord sind. Diese Sounds verfügen über Samples instrumentenspezifischer Spielweisen, die vom Instrument automatisch an den passenden Stellen eingefügt werden oder sich durch das Modulationsrad oder ein Pedal steuern lassen (die beiden speziellen Artikulationstaster des Tyros gibt’s beim PSR-S950 leider nicht). Die Zugriegelsimulation Organ Flutes wurde auch erweitert und bietet nun 20 Presets.
Insgesamt drei Parts können live auf der Tastatur gespielt werden: Upper 1 und 2 sowie Lower. Der Splitpunkt lässt sich selbstverständlich einstellen, wobei auch unterschiedliche Splitpunkte für die Lower-Voice und die Style-Begleitung gewählt werden können.
Zum Verfeinern steht eine umfangreiche Effektsektion bereit. Hall (44 Typen) und Chorus (106) sind globale Send-Effekte, deren Anteil für alle Parts separat geregelt werden kann. Die Chorus-Sektion umfasst neben verschiedenen Modulationseffekten auch Delays und einige andere Spezialitäten, weshalb der Name etwas irreführend ist. Zusätzlich stehen vier DSP-Blöcke mit jeweils 295 Effekttypen zur Verfügung, wovon der erste auf Styles oder Songs angewendet werden kann – zum Beispiel als Summen-Kompressor. Die Blöcke 2-4 lassen sich den drei Keyboard-Parts als Inserteffekte zuweisen.
Eine wichtige Neuerung wartet in der Style-Abteilung. Hier kann Yamaha mittlerweile aus einem großen Portfolio bewährter Begleitrhythmen auswählen, und in der Tat finden sich unter den 408 Styles etliche Bekannte. Neu hinzugekommen sind 25 sogenannte Audio Styles. Ihre Drum- und Percussion-Parts bestehen aus live eingespielten Audiospuren, die in Echtzeit an das Tempo angepasst werden. Das hat bislang noch nicht einmal der Tyros. Alle Styles verfügen über vier Variationen, je drei Intros und Endings sowie vier Fill-Ins und ein Break.
Mit den Presets muss man sich aber nicht zufrieden geben, weder bei den Voices noch bei den Styles. Man kann Klänge in zahlreichen Parametern bearbeiten und als User-Preset speichern. Styles lassen sich nicht nur per USB-Stick nachladen, sondern auch selbst erstellen: Mit dem Style Creator kann man Begleitrhythmen komplett selbst programmieren, mitsamt allen notwendigen Instrumentalparts, Variationen, Fills und so weiter. Natürlich lassen sich auch die mitgelieferten Styles verändern und als User-Style speichern.
Wer immer noch nicht genug hat, kann eines der mittlerweile acht bei Yamaha erhältlichen Voice & Style Expansion-Pakete in den Speicher des Keyboards schieben. Für Besitzer des PSR-S950 ist das erste Paket kostenfrei. So lässt sich das Instrument auf Wunsch um Klänge und Rhythmen der gewünschten Stilrichtung erweitern.
Playback und Recording
Das PSR-S950 ist mit umfangreichen Abspielfunktionen ausgestattet. Midifiles lassen sich aus dem internen Speicher oder von einem USB-Stick abspielen, wobei Noten und Liedtexte im Display oder auf einem externen Monitor angezeigt werden können. Gleichzeitig kann man dazu spielen und auch die Style-Begleitung nutzen, wenn es denn Sinn macht. Der USB-Audioplayer ermöglicht das Abspielen von WAV- und MP3-Dateien (AAC/MP4-Files, etwa aus dem iTunes-Store, werden leider nicht erkannt). Dabei können Tempo und Tonhöhe der Audiofiles per Timestretching und Pitchshifting angepasst werden, was naturgemäß nur in gewissen Grenzen gut funktioniert. Außerdem gibt es eine Vocal Cancel-Funktion, die in Karaoke-Manier die Gesangsstimme aus dem Mix entfernen soll. Im Test führte das aber zu recht durchwachsenen Ergebnissen.
Aufnehmen kann man das eigene Spiel als MIDI-Daten im internen Speicher oder auf einem USB-Stick, wobei bis zu 16 Spuren separat aufgenommen und bearbeitet werden können. Auch Styles lassen sich selbstverständlich aufzeichnen. Der Song Creator ermöglicht auch das Hinzufügen von Liedtexten, so dass die eigenen Songs wie kommerzielle Midifiles im Karaoke-Stil abgespielt werden können. Die Eingabe und Zuordnung von Lyrics ist mit den Bordmitteln des Keyboards aber eine Sisyphusarbeit, die man niemandem zumuten möchte.
Ein USB-Audiorecorder rundet die Aufnahmefunktionen ab. Auf Knopfdruck lässt sich das Ausgangssignal des Keyboards direkt als WAV-Datei auf dem USB-Stick aufnehmen, wobei neben Styles, Songs und den live gespielten Parts auch das Signal des Mic-/Line-Eingangs aufgezeichnet wird. Sehr praktisch! Mit der umfangreichen Harddiskrecording-Funktion des Tyros kann der Audiorecorder des PSR-S950 natürlich nicht mithalten – so ist zum Beispiel keine Mehrspur-Audioaufnahme im Overdubverfahren möglich – aber lassen wir dem Flagschiff diesen Trumpf. Die Audioaufnahmefunktion des PSR-S950 reicht aus, um Ideen festzuhalten und auch das eine oder andere schnelle Demo zu produzieren, ohne dass man dafür weiteres Equipment bräuchte.
fiutare sagt:
#1 - 14.08.2013 um 19:31 Uhr
Schade, dass nicht auf die Vocal-Harmony 2 eingegangen wird. Das wäre noch interessant gewesen.
Ronny Funk sagt:
#1.1 - 13.04.2017 um 12:49 Uhr
Nun, sie ist deutlich besser. Anders, als bei der bisherigen, die doch zu gerne mal gurgelte oder röchelte, arbeitet diese einwandfrei. Allerdings können die Begleitstimmen schnell mal nach "Froschkonzert" klingen, also in der Beziehung haben die Korg-Keyboards mit ihrer TC Helicon-Technologie die Nase vorn.
Antwort auf #1 von fiutare
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenM. Brehmer sagt:
#2 - 10.10.2013 um 10:17 Uhr
Hallo,
da ich seit kurzem das Key besitze, kann ich kurz auf die Vocel-Harmony Option eingehen.
Ich habe mir dazu ein dyn. Mikro mit Nierencharakterisik gekauft, was sehr gut mit dem Instrument harmoniert.
Die eigene Singstimme kann nun mit Hilfe des Vocoders verändert werden. Die Möglichkeiten reichen von einfachen Hall bis zur Mehrfachchorstimme. Ebenso sind verschieden Tonlagen möglich. Auch werden die Choratimmen dem jeweiligen Akkord angepasst. Alles funktioniert tadellos und bringt Leben in den gespielten Song. Man muss kein guter Sänger sein um ein ordentliches Ergebnis zu erzielen. Mit der richtigen Effekteinstellung klingt jede Stimme recht brauchbar. Den Text kann man entweder, so vorhanden, von einem Monitor ablesen oder auf dem Display einblenden.