Genug der Theorie und der kryptischen Umschreibung der Sounds, jetzt geht es zur Sache und an den Amp. Aber bevor es laut wird, noch ein paar Worte zum generellen Zustand des Instruments. Der ist nämlich wirklich sehr gut für eine Gitarre in dieser Preisklasse. Die Verarbeitung ist vorbildlich und vor allem bei den handwerklichen Aspekten, bei denen an Gitarren unter tausend Euro (manchmal auch darüber) gerne mal gespart wird, gibt es nichts zu beanstanden. Die Bünde sind gut abgerichtet und poliert, Bendings gehen butterweich von der Hand und abstehende Bundkanten sind ebenfalls keine zu vermelden. Der Hals liegt gut in der Hand und die matte Lackierung des Halsrückens führt nicht zum Bremsen bei Lagenwechseln. Halsneigung und Saitenlage sind auf flach geeicht, bei etwas stärkerem Anschlag schnarrt es schon ziemlich, aber das ist Geschmacksache und abhängig von Spielweise und Anschlag. Ich bevorzuge eine etwas schnarrfreiere Saitenlage und nehme dafür auch mal eine leicht erhöhte Spielebene in Kauf. Aber in puncto Oktavreinheit ist alles picobello. Schon trocken angespielt zeigt die Gitarre einen schnellen Antritt und gutes Schwingungsverhalten. Durch das Chambern klingt sie für mich akustisch beispielhaft irgendwo in der Mitte zwischen einer Solidbody Les Paul und einer ES-335. Jetzt geht es endlich an den Amp und für die Cleansounds ist ein Tweed Deluxe am Start, der über eine 1×12 Box mit Alnico Blue Speaker läuft. Der Speaker wird mit einem Beyerdynamic M-160 abgenommen. Der knackige Grundton des Instruments wird auch von den Pickups entsprechend weitergegeben, die P90 Tonabnehmer besitzen für Singlecoils auf jeden Fall einen satten Pegel. Genauso hatte ich es auch erwartet und generell liefert die Gitarre einen leicht brillanten Sound. Die Phase-Shifting-Positionen sind eine gute zusätzliche Klangoption für spezielle Sounds mit einem leicht gefilterten Charakter. Bei der Revstar mit Humbuckern ist das noch etwas markanter, aber auch bei den P90-Pickups sind diese Positionen gut für knackige Rhythmussounds. Hier sind zuerst einmal alle fünf Kombinationen und dann noch einmal die Positionen 4 und 3.
Die P90 bieten eine gute Klangübertragung und vor allem bei Overdrive-Sounds von leichter Übersteuerung bis Mid-Gain harmonieren die Pickups sehr gut und reagieren ausgezeichnet auf die Aktionen an der Gitarre – rotzige Bluessounds funktionieren exzellent. Den Focus-Switch habe ich euch noch bewusst vorenthalten, denn mit den Cleansounds, und hier vor allem mit dem Tweed Deluxe zündet es nicht so recht. Hier wird es bei unverzerrten Sounds doch etwas dumpfig und matt. Aber sobald ein Overdrive-Pedal oder ein zerrender Amp im Einsatz ist, bekommt man mit der Focus-Schaltung einiges geboten. Sie bietet einen Charakter wie ein Low-Mid-Booster, der etwas scharf klingenden Amps die Bissigkeit nehmen kann. Für Leadsounds ist das recht gut einzusetzen, wenn vor allem die Töne auf den hohen Saiten etwas zu schrill klingen: Focus-Switch an und schon kommt der Ton etwas weicher aus den Speakern. Die Overdrive-Sounds fangen auch den leichten Boost besser ab als die Cleansounds und dabei verschiebt sich dann auch die Kontur der Verzerrung. Im dritten und vierten Beispiel hört ihr den Einsatz der Focus-Schaltung.
Die RSS02T hat ein sehr gutes dynamisches Verhalten und die Pickups bieten auch eine gute Klangübertragung. Die Steuerung des Zerrgrades funktioniert sowohl über die Anschlagsdynamik als auch mit dem Volume-Poti, die Ausdrucksstärke einer E-Gitarre bei Overdrivesounds kann man mit dem Instrument gut ausspielen. Sehr interessant bei höheren Zerrgraden ist der Einsatz des Focus-Switch, wie man im zweiten Beispiel mit dem Vertex Ultraphonix gut hören kann. Der Overdrive generiert prinzipiell eine cremige Dumble-Style-Verzerrung, aber mit aktiviertem Focus-Switch und zurückgenommenem Tone-Regler an der Gitarre kann man den Overdrive auch zu Fuzz-ähnlichen Sounds überreden. In so einer Konstellation hat der Focus-Switch seine absolute Schokoladenseite und sorgt für sehr gute Klangvariationen mit klarem Charakter und Kante. Mit Fuzz-Pedalen klappt es natürlich auch, das könnt ihr im dritten Beispiel hören.
Für dich ausgesucht
Zum Abschluss gibt es die Gitarre noch im Bandarrangement in dem klanglichen Bereich, der meines Erachtens ihre Kernkompetenz gut wiedergibt – solide Overdrive-Sounds, die über den Anschlag viele Varianten erzeugen können.
H. Jaeger sagt:
#1 - 01.06.2023 um 10:32 Uhr
kann mich dem Testergebniß von Thomas voll und ganz anschließen. Die Verarbeitung ist wirklich top, vor allem der Hals und die Edelstahlbundierung sind für die Preisklasse wirklich außergewöhnlich. Die Gitarre läßt sich perfekt einstellen. Schnelle Ansprache und vielfältige Soundmöglichkeiten unterstreichen die Eigenständigkeit dieser Gitarre mit klassischem P-90 Sound und mehr.
Danilo Wertenauer sagt:
#2 - 08.11.2024 um 22:16 Uhr
Super Test! Sogar die Dicke des Halses wurde genannt, Hut ab!