Wann immer die amerikanische Traditionsfirma Zildjian eine neue Serie im oberen Preissegment herausbringt, sind Jazzer, Sammler und Soundfreunde wie elektrisiert. Kein Wunder, denn dieses Unternehmen blickt nicht nur auf eine unglaublich lange Firmengeschichte zurück, es hat mit seinen Instrumenten auch unzählige Klangtrends geprägt, wenn es um die runden Bronzescheiben geht. Die Zildjian Kerope Becken im bonedo Test sind ein weiterer Ansatz, den authentischen K-Sound neu zu interpretieren.
So ist es ebenfalls kein Wunder, dass bei dieser neuen Beckenserie eine große Portion Mythos und Geschichte im – nicht gerade niedrigen – Kaufpreis inbegriffen ist. Wer sich als Klangfreak mit Artgenossen über Becken unterhält, kann sich drauf verlassen, dass früher oder später die Wortkombination „altes K“ fällt. Obwohl die wenigsten Trommler so eine Preziose selber gespielt haben, gelten gute Exemplare dieser Instrumente als „heiliger Gral“ mit einem kaum mit modernen Methoden und Materialien reproduzierbaren Sound. Alte Beckenschmiedekunst und der Zahn der Zeit gehen hier eine magische Verbindung ein, die kaum einen Beckenfan kalt lässt. Warum genau das so ist, wird in diesem bonedo Test nicht abschließend ergründet werden können. Wohl aber, ob die von Zildjian als „hand crafted“ bezeichnete Kerope Serie klanglich tatsächlich das Zeug zum modernen Klassiker hat.
Details
Keine Typenbezeichnungen, klassischer Look
Als Kerope in seiner Eigenschaft als Meister metallener Klangformkunst im neunzehnten Jahrhundert seine Becken in der Türkei herstellte, hat er wohl schon gewusst, dass seine Bearbeitungsmethoden Jahrhunderte überdauern würden. Lange bevor das Schlagzeug in seiner jetzigen Form gespielt wurde, waren die Becken der türkisch-armenischen Zildjian-Familie schließlich bereits als qualitativ besonders hochwertig bekannt und wurden an königlichen Höfen und von Komponisten eingesetzt. Und obwohl das bonedo Testlabor (noch) kein königlicher Hof ist, kam direkt von der Zildjian Roadshow der komplette Satz Keropes ins Haus, mit Ausnahme des 18 Zoll großen Crash Beckens. Stattdessen hat der Postbote gleich zwei 19er Crashes abgeliefert. Insgesamt darf ich ein 22 und ein 20 Zoll großes Ride Becken, die besagten zwei 19-Zöller sowie zwei Hi-Hat-Paare in 14 und 15 Zoll zur ersten Kontaktaufnahme vor mir ausbreiten. Aufgedruckte Typennamen gibt es bei den Keropes übrigens nicht. Ich persönlich finde das prima, die Trennung zwischen Crash und Ride ist doch eigentlich sowieso fließend (der Einfachheit halber werde ich das 20 und 22er trotzdem im weiteren Verlauf als Ride Becken bezeichnen und die 19er als Crashes). Das Fehlen der Bezeichnungen trägt in Verbindung mit dem alten „K“ Logo zu einem elegant-schlichten Erscheinungsbild bei, welches Vintage Fans in aller Regel bevorzugen. Apropos Erscheinungsbild: diese Becken sehen klassisch aus, bronzefarben, matt und edel.
Gewichtsangaben in den Beckenkuppen, „türkisches Feeling“
Schön ist, dass Zildjian bei den Keropes die Gewichte in die Innenseiten der Kuppen schreibt, so wie es auch viele der türkischen Hersteller tun. Der ausgewiesene Becken-Nerd darf sich also freuen, die Küchenwaage, die bei ihm quasi Teil des Sticktascheninhaltes ist, zu Hause zu lassen. Aber was lässt sich überhaupt mit diesen Gewichtsangaben anfangen, mag sich der (noch) nicht vollkommen vom Beckenwahn befallene Drummer fragen. Im Grunde ist das einfach erklärt.
Das Gewicht im Verhältnis zur Größe lässt erste Rückschlüsse auf Spielgefühl, Ansprache, Tonhöhe und Sustain zu. Je leichter ein Becken ist, desto schneller wird es seinen vollen Ton erreichen. Und desto tiefer wird dieser Ton im Vergleich mit einem sonst baugleichen Instrument sein. Neben der Form bestimmt nämlich das Gewicht auch über die Stabilität und damit die Schwingungsfrequenz, mit der das Becken die durch den Anschlag erzeugte Energie abbaut. Das in der Überschrift erwähnte türkische Feeling bekomme ich übrigens immer dann garantiert, wenn ich erdig aussehende, leichte Becken vor mir habe, bei denen zwei Exemplare desselben Typs völlig unterschiedliche Gewichte aufweisen…
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Die beiden 19 Zoll Kerope Crash Becken
…womit wir direkt bei den Startkandidaten wären, wovon der erste sehr leichte 1386 Gramm wiegt und der zweite 1570 Gramm. Dies ist ein beträchtlicher Gewichtsunterschied, beim leichteren fehlt zudem die Größenbezeichnung, es handelt sich hierbei möglicherweise um ein Vorserienmodell, worauf auch die etwas rötlichere Färbung hindeutet. Neben feinen Abdrehmustern fallen die flachen, gehämmerten Kuppen auf, sowie die wenigen, sehr großen Hämmermale, die auf dem Profil verteilt nur bei den 19ern zu finden sind. Derartig große und massive Verformungen sorgen normalerweise für eine höhere Brechung der Schwingung und damit für das, was oft als „trashiger“ Sound bezeichnet wird. Ob die Wirkung hier ebenso ausfällt, lest ihr im Praxisteil.
Die 20 und 22 Zoll Kerope Ride Becken
Beim Anblick des 20ers muss ich direkt an das Istanbul Agop 25 Anniversary Ride denken. Dass hier sehr ähnliche Herstellungstraditionen zugrunde liegen, wird überdeutlich. Eine schwärzliche Patina und die sich edel absetzenden Hammermale sehen schon sehr sexy aus, wie ich finde. Anatomisch fällt das 20er etwas flacher aus als die 19er, was auf einen eher tiefen und entspannten Sound schließen lässt. Die Hämmerung wirkt generell etwas energischer, es fehlen jedoch die tiefen Einschläge der 19er Modelle. Mit 1896 Gramm bewegt sich das Becken im leichteren Bereich, wenn man unterstellt, dass wir es hier mit der Ride-Kategorie zu tun haben.
Mit 2352 Gramm ist auch das 22 Zoll Modell alles andere als ein Schwergewicht. Es wirkt nochmals etwas stärker bearbeitet, weist aber sonst eine sehr ähnliche Anatomie wie das 20er auf. Schwarze Stellen und kleine Unregelmäßigkeiten vermitteln auch hier das Gefühl, ein individuell hergestelltes Instrument vor sich zu haben. Das ist natürlich nicht jedermanns Sache, mir selbst gefällt das sehr.
Die 14 und 15 Zoll Kerope Hi-Hats
Auch die Hi-Hats fügen sich gewichtsmäßig in die Kategorie „leichte Becken“ ein, wobei die 15er mit 1188 für das Bottom sowie 956 Gramm beim oberen Becken, relativ zur Größe betrachtet, nochmals leichter sind als die 14er, welche mit 1168 und 918 Gramm annähernd genauso schwer ausfallen. Die Profile der Hats sind deutlich gewölbter – regenschirmförmig, wie der Kenner sagt – als bei den anderen Becken der Serie. Die Kuppen fallen klein aus.
Tadellose Verarbeitung
Insgesamt ist die Verarbeitung der Keropes sehr gut. Im Gegensatz zu den doch deutlichen Unregelmäßigkeiten mancher, in türkischer Handarbeit hergestellten Becken, gibt es hier rein gar nichts auszusetzen.