Zu Besuch bei The Royal Edinburgh Military Tattoo 2017

Tattoo – woher kommt das? Was ist das?

Der militärische Ausdruck „Tattoo“ ist abgeleitet von „Doe den tap toe“, einem Ruf, mit dem  im 17. und 18. Jahrhundert in den Niederlanden die militärische Nachtruhe eingeleitet wurde. Dieser Ruf bedeutet soviel wie „(Tu den) Zapfen zu“. In Deutschland ist dieser Brauch als Zapfenstreich bekannt. Die Ursprungsbedeutung rückte im Laufe der Zeit immer weiter in den Hintergrund, und die zweite Bedeutung trat hervor: Darbietung militärischer Musik.

Das Festival in Edinburgh

Das erste Tattoo fand 1950 statt, und mittlerweile kommen über den gesamten August fast 8.800 Zuschauer pro Aufführung auf den Platz vor dem Edinburgh Castle. Es ist eine Veranstaltung im Rahmen des Internationalen Kulturfestivals, zu dem auch schon mal bis zu 220.000 Menschen aus über hundert Ländern nach Edinburgh kommen. Alljährlich wird eine der Shows vom BBC aufgezeichnet, im Fernsehen in 40 Länder übertragen und von fast 100 Millionen Menschen am Bildschirm mitverfolgt. In Deutschland zeigt der NDR regelmäßig einen Zusammenschnitt. Die Schotten trotzen auch jedem Wetter, seit dem Bestehen wurde keine einzige Vorstellung abgesagt. 

Bild Credit: © www.edintattoo.co.uk
Bild Credit: © www.edintattoo.co.uk

Insgesamt treten im Laufe der Show über 1200 Teilnehmer auf, die während des Spielens in farbenprächtigen Uniformen ausgefeilte und präzise auf die Musik abgestimmte Choreographien zeigen.
Marschtrommeln und Dudelsack (Bagpipes) bestimmen den typischen Sound und dominieren das Geschehen während des Military Tattoos in Edinburgh.
Die Musikkorps sind üblicherweise mit Blech- und Holzblasinstrumenten wie zum Beispiel Flöten, Klarinette, Oboe, Saxophon, Trompete, Posaune sowie Schlag- und Rhythmusinstrumenten besetzt. Aufgrund der hervorragenden Ausbildung haben die Musiker ein sehr hohes musikalisches Niveau.

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Das Royal Edinburgh Military Tattoo in Schottland ist äußerst beliebt, und man muss sehr früh buchen, wenn man hier dabei sein möchte, denn die Veranstaltungen sind unglaublich schnell ausverkauft. Der Vorverkauf für das Folgejahr beginnt bereits im Winter. Außerdem finden im August mehrere Festivals gleichzeitig statt, dadurch ist die Stadt in dieser Zeit proppenvoll – da sollte man keine Angst vor großen Menschenmassen haben.
Festivals in Edinburgh im August:

  • The Royal Edinburgh Military Tattoo
  • Edinburgh Art Festival
  • Edinburgh Festival Fringe
  • Edinburgh International Festival
  • Edinburgh International Book Festival

Das Edinburgh Military Tattoo steht unter der Schirmherrschaft von Prinzessin Anne und ist keine kommerzielle Veranstaltung. Die jährlich durch den Verkauf von circa 217.000 Eintrittskarten erzielten Überschüsse werden wohltätigen Organisationen zur Verfügung gestellt.
Feste Bestandteile des Festivals sind die Auftritte der Massed Pipes and Drums, der Highland Spring Dancers und des Lone Pipers.

  • Extra für das Military Tattoo finden sich alljährlich die bedeutendsten Militärkapellen Schottlands ein und nennen sich zusammen dann Massed Pipes and Drums. So ergibt sich die Zahl von fast 200 gleichzeitig spielenden Dudelsackspielern und Trommlern.
  • Die Highland Spring Dancers setzen sich aus Tänzerinnen zusammen, die vor allem Tänze zu traditioneller schottischer Musik aufführen.
  • Als letzter Act erscheint auf den Zinnen der Burg der Lone Piper, der zum Gedenken an die Gefallenen der britischen Armee spielt – ein sehr emotionaler Moment im Programm.
Fotostrecke: 4 Bilder Beeindruckende Kulisse: Edinburg Castle

Das übrige Programm wechselt jährlich und wird von internationalen Kapellen, Bands und Tanzformationen dargeboten. Abschluss und Höhepunkt ist der Massenauftritt aller Teilnehmer, bei dem über 800 Musiker zusammen ein außergewöhnliches Orchester bilden und mit der britischen Hymne God Save the Queen und dem schottischen Lied Auld Lang Syne die Show beenden. Der anschließende Ausmarsch wird traditionell mit The Black Bear und Scotland the Brave eingeleitet und abgeschlossen.

Das Tattoo 2017

Das Tattoo 2017 stand unter dem Thema “Splash of Tartan*“ und featured die Royal Navy und Royal Marine – sowohl in den Performances als auch in der Auswahl der Musik. 
*Tartan ist die Bezeichnung für ein Webmuster und wird heute vornehmlich für Plaids und andere schottische Kleidungsstücke verwendet, die häufig repräsentativ für die Zugehörigkeit zu einem schottischen Clan sind
Das Spektakel wird von einem Sprecher über Lautsprecher moderiert, und pünktlich zu Beginn überfliegen zwei Kampfjets im Tiefflug die Esplanade. Nebel strömt aus den Schlossmauern, und durch das große Tor setzen sich die Massed Pipes and Drums unter Führung des Pipe Majors in Bewegung. Der erste Eindruck: Fast 200 Dudelsackspieler und Trommler können unglaublich laut sein!

Weitere Programmpunkte:

Nach den Massed Pipes and Drums stellt sich Indien mit The Indian Naval Band vor, die zusammen mit den Teamwork Arts Dancers einen Flair “Bollywood” auf den Platz bringen.
Gefolgt wird der Auftritt von der französischen The Fanfare Band of the 9th French Marine Infantry Brigade, die unter anderem mit einem Daft Punk Medley überraschen.
Schottische Tradition steht als nächster Programmpunkt an: Die Hjaltibonhoga – The Shetland Fiddlers zusammen mit der Band of the Royal Regiment of Scotland und den Tänzern der Tattoo Dance Company.
Japan hat seine Japanese Ground Self Defence Force Central Band zusammen mit einer Sängerin nach Edinburgh entsandt und untermalt einen Samurai-Schwertkampf mit traditioneller japanischer Musik.
The United States Naval Forces Band Europe aus USA spielt ein Sea Shanty Medley mit Tanzeinlagen, das in Songs im New Orleans Style übergeht.
The Band of The Royal Regiment of Scotland erinnert mit ihrer Aufführung an den Aufstand der Jakobiten um 1745 (Jacobite Rebellion), die sich damals gegen England auflehnten. The Queen’s Colour Squadron with the Band of the Royal Air Force Regiment verwandeln die Esplanade in das Schiffsdeck der HMS Queen Elisabeth, dem neuesten Flugzeugträger Englands. Hierzu wird extra ein Militärhubschrauber auf den Platz gezogen!
Es folgen Beiträge von The Massed Bands of Her Majesty’s Royal Marines und The Massed Military Bands and Massed Pipes and Drums: Über 800 Musiker sind nun gleichzeitig auf dem Platz und bereiten mit “Flight of the Silver Bird” das Finale vor. Hier darf der Gitarrist der Band auch mal den Zerrkanal seines Amps nutzen und legt ein fettes Rockbrett unter die Musik 😉
Ein Feuerwerk und Auftritte von Pipers Trail, Tattoo Dance Company und Hjaltibonhoga leiten zum großen Finale über:
Nach “National Anthem (God save the Queen)” erklingt “Auld Lang Syne”, bei dem alle Zuschauer auf den Rängen stehen, sich die Hände reichen und als gigantischer Chor mit einstimmen. Danach erklingt Leonard Cohens “Hallelujah”, beginnend mit Akustikgitarre und zum Schluss hin unterstützt durch die Streicher und Bagpipes – lediglich die japanische Sängerin schien für meinen Geschmack bei dem Song etwas deplatziert. Vor dem Ausmarsch geht der Blick hinauf auf die Zinnen des Castles, wo der Lone Piper mit “Lochaber no more” das Ende der Show einleitet.
Ausmarsch: Mit “Scotland the brave” und einem großen Feuerwerk setzen sich dann die Bands in Bewegung und verlassen die Esplanade. Unterstützt werden die Auftritte beim Edinburgh Military Tattoo vom Erskine Stewart Melville Schools Choir und einer Militär-Band, die etwas versteckt auf einer kleinen Bühne die Militärkapellen live begleiten.

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Technik

Der Auf- und Abbau der riesigen Zuschauertribüne mit 8.800 Sitzplätzen auf der Esplanade benötigt fast 12 Wochen und kostet ca. 1,2 Millionen Pfund. Zuständig dafür ist die englische Firma Interserve (www.interserve.com).
Für die Beschallung zeichnet die Wigwam Acoustics / SSE Audio Group mit Sitz in Heywood, Greater Manchester verantwortlich. Sebastian “Seb” Frost (www.sebastianfrost.net) ist der zuständige Sound Designer für das Royal Edinburgh Military Tattoo und hat den Sound für über 400 weitere Produktionen entworfen. Ungewöhnliche und anspruchsvolle Veranstaltungsorte sind seine Spezialität.
“Ich habe in diesem Jahr einige Veränderungen am System vorgenommen, und wir haben sehr viel positives Feedback erhalten”, so Frost. “Für die Beschallung verwenden wir folgende Lautsprecher und Verstärker von d&b audiotechnik:

  • d&b Y12: passiver Line-Array-Lautsprecher mit zwei 8″-Treibern
  • d&b E6: multifunktionales 2-Weg-Hochleistungssystem, ausgestattet mit einem integrierten 6,5″/1″-Koaxiallautsprecher.
  • d&b V8: passives 3-Weg-System mit zwei 10″-Neodym-Tieftontreibern
  • d&b B22: leistungsstarker Subwoofer mit zwei 18″-Langhubtreibern im Bandpass-Horndesign
  • d&b C4: speziell für geflogene Anwendungen entwickelter Subwoofer
  • d&b D80: 4-kanaliger Verstärker
  • d&b D20: 4-kanaliger Verstärker

Die Live-Konsole ist ein Digico SD7T mit bis zu 253 Kanälen. Beim Tattoo kommen davon 170 Inputs zum Einsatz, darunter 52 Kanäle für Funkmikrofone der Live-Performer. Das Tattoo ist eine sehr komplexe Show, und alle Signale werden über zwei TiMax 2 Mehrkanal-Audiomatrix-Mainframes in der Lautstärke angepasst und zeitverzögert ausgegeben.”
Und tatsächlich, der Sound ist perfekt auf die Show abgestimmt. Alles ist klar und deutlich zu hören, satte Bässe und feinzeichnende Höhen lassen das Spektakel auch akustisch zum Erlebnis werden.

Drums & Bagpipes

Einer der bekanntesten und größten Anbieter für Drums, Bagpipes und Uniformen ist der Pipe Band Spezialist R. G. Hardie & Co. in Maryhill / Glasgow (www.rghardie.com). Marken wie Pearl, Premier, Remo, Hardcase und Protection Racket gehören zum Portfolio im Drum-Bereich. Die angebotenen Bagpipes werden von R. G. Hardie & Co. selbst gefertigt.
In Deutschland ist es relativ schwierig, an vernünftig spielbare Dudelsäcke zu kommen. Für professionelle Ausführungen lohnt sich deshalb der Blick über den Ärmelkanal.

Fazit

Ich bin kein Freund von militärischem Pomp, aber das Tattoo ist schon sehr beeindruckend. Musikalisch haben mich Dynamik und Timing innerhalb der einzelnen Kapellen und das Zusammenspiel aller Bands im großen Finale überrascht. Dies ist umso faszinierender, wenn man bedenkt, dass die Musiker auch noch ihre festen Positionen und Wege im Kopf haben müssen, wenn sie während der Darbietung zu ausgefeilten und präzise auf die Musik abgestimmten Choreographien marschieren.
Leider waren in diesem Jahr die Schweizer mit ihrem berühmten Top Secret Drum Corps nicht vertreten – die Gruppe ist für 2018 wieder angekündigt. Sie haben das „Show Drumming” perfektioniert und gelten als eine der weltweit führenden Trommelgruppen, die neben schnellem und anspruchsvollem Trommeln auch mit visuellen Effekten wie Jonglieren und gegenseitigem Zuwerfen der Schlägel faszinieren.

Bild Credit: © www.edintattoo.co.uk
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Profilbild von Wolfgang Forthofer

Wolfgang Forthofer sagt:

#1 - 04.10.2017 um 14:20 Uhr

0

Toller Artikel: umfassend informativ!

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